Das nasskalte Wetter macht auch den Brittnauer Spargeln zu schaffen
Die aktuell wechselhaften Temperaturen sind nicht gerade ideal für die Spargelkulturen. Entsprechend wechselhaft dürfte die Stimmungslage momentan beim Brittnauer Landwirt Matthias Schär sein. «Unsere Grünspargeln mögen das kühle Wetter nicht besonders», vermeldete er noch am 11. April auf seiner Homepage, der Start in die Spargelsaison verlaufe zögerlich.
Beim Besuch des Redaktors am 15. April sah die Situation komplett anders aus. Kisten voller Grünspargeln warteten vor der Spargelmaschine auf ihre weitere Verarbeitung. «Am Wochenende konnten wir bei fast sommerlichen Temperaturen erstmals richtig ernten», sagt der 35-jährige Landwirt mit Blick auf die reiche Bescherung. Doch der Wetterumschlag und die kühleren Temperaturen lassen für die kommenden Tage wenig Gutes verheissen. «Es dürfte einen ziemlichen Ernteeinbruch geben», vermutet Schär. Und tatsächlich: Am 18. April wurde die Landschaft von einer Schneeschicht bedeckt.
Die Spargel kann ein Turbowachstum hinlegen
Nicht ideal für den Spargel. Denn der Spargel hat es gerne warm. Je höher die Tagestemperatur, desto grösser das tägliche Wachstum. Bei 17 Grad wächst die delikate Stange etwa fünf Zentimeter pro Tag, bei idealen 23 bis 24 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit können es sogar zehn Zentimeter sein. Anders ausgedrückt: Bei idealen Wachstumsbedingungen ist der Spargel in zwei Tagen erntereif. Ein Turbowachstum.
Die Erntezeit ist jeweils kurz. Mitte oder Ende April können – je nach Wetterlage – die ersten Spargeln geerntet werden. Mitte Juni wird die Ernte eingestellt, damit die Pflanze nicht vollständig erschöpft wird und wieder Reservestoffe für das kommende Jahr aufbauen kann. «Arbeit mit den Spargeln hat man aber das ganze Jahr», sagt Schär. «Nach der Spargelernte wachsen aus den Spargeltrieben Sträucher heran, die im Sommer gewässert werden müssen», erklärt er.
Mit den ersten Frostnächten im Herbst gehen die Sträucher ein und müssen dann abgemäht werden. Übrig bleiben die Triebe in der Erde, aus denen im Frühling wieder Spargeln wachsen. Im Frühjahr gibt Schär dem Boden organischen Kompost bei und setzt auch einen Komposttee zur Stärkung der Pflanzen zu. «Dieser mildert gleichzeitig den Schädlingsdruck», betont er. Daneben muss auch regelmässig zwischen den Spargelzeilen gemäht werden.
Besonders aufwendig ist die Erntezeit. Dann ist viel Handarbeit angesagt. Rückenintensive Handarbeit. Denn jeder einzelne Spargel muss von Hand knapp über Boden abgeschnitten werden. Eine Spargelmaschine erleichtert später immerhin die Weiterverarbeitung. Aber auch dort braucht es viele helfende Hände. Denn jeder Spargel muss einzeln auf das Förderband der Maschine aufgesetzt werden. Dann wird er maschinell gewaschen und auf eine einheitliche Länge zurückgeschnitten, bevor er wiederum in Handarbeit nach Dicke und Qualität sortiert wird.
Ausschliesslich Grün-, kein Bleichspargel
Die aufwendige Ernte ist einer der Hauptgründe, wieso auf dem Biohof Schär ausschliesslich Grünspargel kultiviert wird. Denn eigentlich handelt es sich beim grünen und weissen Spargel, der auch Bleichspargel genannt wird, um die gleiche Pflanze.
Der Unterschied liegt im Anbau und bei der Ernte. Während die Grünspargeln über der Erdoberfläche wachsen, wachsen die Bleichspargeln in einem Erdwall und bleiben deshalb weiss. Entsprechend aufwendig ist darum die Ernte von Bleichspargel, der mit einem Spezialwerkzeug unterirdisch geschnitten werden muss, was grosses Geschick erfordert.
Ob grün oder bleich: Spargeln sind gesund. Denn sie haben einen hohen Gehalt an Rohfasern, Mineralstoffen, organischen Säuren und Vitaminen. Und einen feinen Geschmack. Letzterer mag, neben der begrenzten Verfügbarkeit und dem relativ hohen Preis, mit ein Grund sein, wieso Spargeln einen königlichen Status unter den Gemüsesorten geniessen.
Schär ist «Spargel-Pionier» im unteren Wiggertal
Spargeln aus der Region – das gibt es noch nicht allzu lange auf dem Markt. 2015 hat Matthias Schär ein rund 85 Aren grosses Feld mit Spargeln bestückt. Als erster Landwirt in der Region. 2017 konnten die ersten Spargeln geerntet werden, seit dem vierten Jahr stehen die Spargelkulturen im Vollertrag. «Sie verkauften sich von Beginn an gut», blickt der Brittnauer zurück. Das ist auch heute noch so. Schär kann die gesamte Spargelernte via den eigenen Hofladen sowie Kollegenbetriebe absetzen. Eine weitere Vermarktung über Grossverteiler hat sich nie aufgedrängt. Er sei darüber nicht unglücklich, sagt er dazu. «Die optischen Qualitätsansprüche sind in diesem Kanal vermessen», findet er dazu klare Worte.
Klar ist für Schär, dass er mit dem Anbau von Spargel den richtigen Entscheid getroffen hat. «Der Spargelanbau ist ein wichtiger Betriebszweig geworden», betont er. Auf einem Hof, der seit 1999 mit der Knospe bio-zertifiziert ist und der sehr breit abgestützt ist. Rund 2200 Bio-Legehennen sorgen täglich für frische Eier. Jeden Frühling darf sich die Kundschaft auf Grünspargeln und weiteres frisches Gemüse freuen. Dank der Haltung von Engadiner Schafen ist das ganze Jahr hindurch Lammfleisch im Angebot. Eine weitere Pionierleistung erfolgte 2012 mit der Anlage der ersten Bio-Haselnussanlage in der Schweiz. Der Anbau von Urdinkel sowie Himbeeren und Johannisbeeren rundet das Angebot des Biohofs Schär ab. «Wir sind mit einer Fläche von rund 15 Hektaren zwar ein kleiner Hof», betont Schär, «dank den vielen Spezialkulturen sind wir trotzdem ein Vollerwerbsbetrieb.»
Anbau hinkt dem Konsum weit hinterher
Rund 180 Gemüseproduzenten bauen in der Schweiz Spargel an. Sie haben den Spargelanbau in den letzten Jahren stark ausgedehnt und die Anbaufläche für Bleichspargel in den letzten rund zehn Jahren fast verdoppelt, jene für Grünspargel sogar fast vervierfacht. 2022 wurden in der Schweiz 506 Tonnen Bleich- und 304 Tonnen grüne Spargeln geerntet.
Doch auch wenn die Spargelproduktion in der Schweiz gestiegen ist: Die Importe übertreffen die einheimische Produktion um ein Vielfaches. 4140 Tonnen Bleichspargeln und gar 5665 Tonnen Grünspargeln mussten importiert werden. Mit anderen Worten: Der Spargelanbau in der Schweiz hinkt dem Konsum bei einem Selbstversorgungsgrad von etwas mehr als acht Prozent weit hinterher. In Tat und Wahrheit dürfte der Anteil der einheimischen Spargeln aber etwas höher sein. In der Statistik fehlen nämlich die Spargeln, die über Hofläden vertrieben werden.
Für Liebhaberinnen und Liebhaber von Spargel bleibt zu hoffen, dass es bald wieder wärmer wird. Denn nur so wird die Schweizer Spargelernte wieder richtig in Gang kommen. «Es kommt, wie es kommt», meint Schär, erzwingen lasse sich in der Natur nichts.