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«Das Riesenwerk unserer Tage ist durchgeschlagen»

1880er-Jahre Das ZT jubelt: Am 28. Februar 1880 erfolgt der Durchstich am Gotthard.

Den Durchstich am Gotthard vermeldete das Zofinger Tagblatt in seiner Montagsausgabe vom 1. März 1880 in einer kurzen Notiz auf Seite 2 unter dem Stichwort Gotthardtunnel: «Das Riesenwerk unserer Tage, der grosse Gotthardtunnel, ist letzten Samstag Abends um 9 Uhr durchgeschlagen worden. Der Arbeiter Angelo Chiesa ist, wie uns ein Spezialtelegramm meldet, zuerst durch die Öffnung gekrochen, als sie kaum einen Meter Umfang hatte.» Zuvor hatten Arbeiter des Abschnitts Airolo durch dieses Loch ihren Kollegen auf der Nordseite eine Blechdose mit einem Bild Louis Favres überreicht. So war der am 19. Juli 1879 auf der Baustelle bei Göschenen wegen Herzversagens verstorbene Genfer Bauunternehmer symbolisch der Erste, der den Gotthardtunnel durchquerte.

Dieser Text stammt aus der Sonderbeilage «150 Jahre Zofinger Tagblatt» vom 1. Februar 2023, in der jeweils ein Ereignis aus jedem Jahrzehnt seit der ersten Ausgabe des ZT vertieft betrachtet wird.

In sieben Jahren und fünf Monaten hatten tausende Arbeiter, vorwiegend aus Italien stammend, bis Ende Februar 1880 die knapp 15 000 Meter Stollenlänge ausgebrochen. «Jubelnd reichten sich die Mineurs hüben und drüben […] die Hände. Mit geometrischer Präzision trafen die Arbeiter zusammen.» Die Abweichungen betrugen seitlich nur 33 Zentimeter und 5 Zentimeter in der Höhe – eine Meisterleistung der damaligen Ingenieurs- und Vermessungstechnik. «Möge man aber auch inmitten des Jubels und der Freude diejenigen nicht vergessen, welche das grosse Werk mit so schweren Opfern an Leben, an Geduld und Hingebung ermöglicht haben», schreibt das ZT am 1. März. Denn insgesamt starben 199 Arbeiter während der Bauarbeiten: 53 Arbeiter wurden von Wagen oder Lokomotiven zerquetscht, 49 von Felsen erschlagen, 46 durch Dynamit getötet. 23 Arbeiter kamen auf andere Art ums Leben, einer von ihnen ertrank. Schuld war nach offizieller Angabe jeweils der Zufall oder der Verunglückte selbst. Zahlreiche weitere Männer starben allerdings im Laufe der folgenden Jahre an den Spätfolgen von Unterernährung, Krankheiten und Verletzungen, die sie sich während des Tunnelbaus zugezogen hatten.

Vom 22. bis 25. Mai 1882 wurde mit über 600 Gästen die Segnung des Tunnels gefeiert, am 1. Juni fand die offizielle Eröffnungsfahrt statt.

Nachricht im ZT vom 1. März 1880: «Jubelnd reichten sich die Mineurs hüben und drüben am 1. März die Hände.»