Ärzte verschreiben auch bei Bagatellfällen zunehmend starke Schmerzmittel wie Opioide
Dass die Verschreibung von Opioiden – also Schmerzmitteln, die opiumartige Wirkstoffe enthalten – in den vergangenen zwanzig Jahren in der Schweiz stark zugenommen hat, ist bekannt. Diese Medikamente werden jedoch nicht nur bei Tumorschmerzen, sondern zunehmend auch bei geringfügigen Verletzungen des Bewegungsapparates verschrieben.
Dieser Trend lässt sich aus den Daten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) herauslesen. Insgesamt hat das Forschungsteam 1’921’382 Arbeitsunfälle ausgewertet, die in die Rubrik «muskuloskelettale Verletzungen» fallen. Dazu zählen Brüche, Prellungen, Verstauchungen oder oberflächliche Verletzungen.
«Wir beobachteten zwischen 2008 und 2018 selbst bei leichten Verletzungen einen überproportionalen Anstieg der Verschreibungen von Metamizol, starken Opioiden und Coxiben», schreiben die Autoren in ihrer Studie. Sowohl bei den leichten (+91,4%) als auch bei den schweren (+88,3%) Verletzungen gab es eine deutliche Zunahme von starken Opioiden.
Das ist insofern bedenklich, als Opioide bei muskuloskelettalen Schmerzen nicht wirksamer sind als andere Schmerzmittel, jedoch oft unerwünschte Nebenwirkungen nach sich ziehen. Diese reichen von kognitiven Beeinträchtigungen über Übelkeit und Hyperalgesie (Schmerzüberempfindlichkeit) bis hin zur Gefahr der Opioidabhängigkeit.
Bemerkenswert ist, dass starke Opioide und Metamizol vor allem in der Deutschschweiz und weniger stark in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz verwendet werden. Als Grund für den breiteren Einsatz von Opioiden nennen die Studienautoren eine «liberalere Verschreibungspraxis». «Dies steht im Widerspruch zu aktuellen, evidenzbasierten Praxisempfehlungen», sagt Maria Wertli.
«Es gilt daher, die Ärzteschaft und die politischen Entscheidungsträger zu sensibilisieren, damit diese bedenkliche Entwicklung gestoppt wird.»
Im KSB beispielsweise werden die Ärztinnen und Ärzte an interdisziplinären Besprechungen sowie an Weiterbildungskursen konsequent auf die Praxisempfehlungen respektive auf die Opioide-Problematik aufmerksam gemacht. Zudem wird den Patientinnen und Patienten beim Spitalaustritt erklärt, wann sie ihre Dosis an Opioiden reduzieren oder das Medikament ganz absetzen können.
An der Studie, die im «Journal of Occupational Rehabilitation» veröffentlicht wurde, haben Vertreter der Universität Bern, des Inselspitals, der Berner Fachhochschule, der SUVA sowie des KSB mitgewirkt. (has)