Der Defibrillator sendet Daten direkt an App
Wie lange hält die Batterie noch? Wer ein herkömmliches Defibrillator-Implantat unter der Haut trägt, kennt die bange Frage. Nur der Gang in die Kardiologie bringt eine zuverlässige Antwort. Und ist die festgestellte Unregelmässigkeit bereits ein Grund zur Sorge?
Diese Zweifel gehören schon bald der Vergangenheit an – eine innovative Technik macht es möglich. Ab sofort haben Menschen mit Herzrhythmusstörungen ihre Daten buchstäblich selbst in der Hand: Denn die neue Generation der Defibrillator-Implantate ist per Bluetooth direkt mit einer speziellen App auf dem eigenen Smartphone verbunden. Ein Klick genügt, und der Stand des Akkus wird sofort ersichtlich. Tritt eine Herzrhythmusstörung auf, startet man auf der App die Abfrage der aktuellen Daten und übermittelt diese sofort an die Kardiologie, wo die Spezialisten rasch beurteilen können, ob eine Kontrolle oder eine Behandlung nötig ist, und allfällige Fragen gleich am Telefon klären.
Für Dr. med. Yakup Yakupoglu, Leitender Arzt Kardiologie an der Medizinischen Uniklinik des Kantonsspitals Aarau, bringt der innovative Defibrillator vor allem drei Vorteile: «Mehr Sicherheit, eine höhere Selbstkontrolle und gleichzeitig weniger Konsultationen. Derzeit finden alle drei bis sechs Monate Kontrollen statt, dank der Datenübermittlung könnten es in Zukunft weniger sein.» Gemäss Yakupoglu funktioniert der smarte Defibrillator in der Grösse eines Fünflibers wie die herkömmlichen: Registriert er Herzrhythmusstörungen, sendet er automatisch einen Stromstoss aus und behebt sie so. Der einzige Unterschied: Das neue Gerät sendet die aufgezeichnete Rhythmusstörung per App automatisch an die Klinik, sodass der Patient viel früher als die herkömmlich anstehende Nachsorgeuntersuchung zur Kontrolle aufgeboten werden kann. Somit wird durch die Fernüberwachung für eine viel adäquatere Nachsorge gesorgt, womit sich auch nachweislich die Lebensdauer des Patienten verlängern lässt. Es wäre kontraproduktiv, den eigenen Herzrhythmus ständig auf der App zu verfolgen: «Das würde eher zur Beunruhigung beitragen.»
Spezialisiert auf Herzrhythmusstörungen
Der Spezialist und sein Team haben unter der Leitung von Prof. Dr. med. Laurent Haegeli eine Pionierrolle inne: Sie gehören zu den Ersten in der Schweiz, die ein Implantat der neuen Generation eingesetzt haben. Dass gerade das kardiologische Zentrum im Kanton Aargau zuerst Neuland betritt, hat gute Gründe. Es zählt schweizweit zu den grossen Zentren zur Behandlung aller Herz-Kreislauf-Krankheiten und ist spezialisiert auf Herzrhythmusstörungen. Das Einsetzen von Defibrillator-Implantaten gilt hier seit Jahren als Routineeingriff, entsprechend reich ist die Erfahrung.
«Der Eingriff selber ändert sich bei den neuen Implantaten nicht», sagt Yakupoglu. Der Defibrillator, ein Gerät von wenigen Zentimetern mit Batterie, wird auf der linken Seite der Brust unter die Haut implantiert; die Elektrode, die damit verbunden ist, wird über die Schlüsselbeinvene ins Herz eingelegt. Die Operation dauert durchschnittlich eineinhalb Stunden, während des Eingriffs bekommen die Patienten Medikamente für einen leichten Schlaf. Noch während des Eingriffs werden die Messwerte laufend überprüft. Nach einer Nacht im Spital finden weitere Kontrollen statt, zum Beispiel, ob die Elektrode richtig arbeitet. Ungefähr zwei Wochen dauert es, bis die Wunde verheilt ist; und vier, bis man wieder wie gewohnt arbeiten oder Sport treiben kann. Danach ist im besten Fall zehn Jahre lang kein Eingriff mehr nötig – so lange hält die Batterie.
Eine Affinität zu Smartphones ist von Vorteil
Die erste Implantation des neuen Defibrillators bei einem Patienten um die Fünfzig sei komplikationsfrei verlaufen, so Yakupoglu. Eine gewisse Affinität zu Smartphones erachtet er als Vorteil, ansonsten sei es grundsätzlich für alle geeignet. «Es gibt immer wieder Leute, die Störungen mit anderen elektronischen Geräten im Alltag befürchten, doch das ist nicht der Fall.»
Auch andere Nebenwirkungen seien nicht zu befürchten, abgesehen von jenen Risiken, die jede Operation berge. Der Voruntersuchung komme grösste Aufmerksamkeit zu, versichert der Leitende Arzt: «Es ist zwar ein kleiner Eingriff, doch die Nähe zum Herzen verlangt eine sorgfältige Abklärung.» Wie sich der Defibrillator mit Smartphone-Verknüpfung nun in der Praxis bewährt – darauf ist Yakupoglu genauso gespannt wie die Menschen, die ihr Herz bald quasi im Handy tragen.
Andreas Winter
«Der Patient hat jederzeit Zugriff auf wichtige Daten»
Herr Dr. Yakupoglu, gibt es Erfahrungen aus anderen Ländern, wie sich der Defibrillator und die App in der Praxis bewähren?
Ja. In einer 2021 publizierten Studie aus 20 Zentren in den USA, Grossbritannien, Frankreich und Italien zeigte sich eine sehr hohe Übertragungsrate von über 92 Prozent, während die Übertragungsrate bei üblichen Geräten um 8 bis 38 Prozent (bei manueller Bedienung) tiefer war. Patienten berichteten insbesondere über ein höheres Sicherheitsgefühl und waren mit der App zufrieden. Ebenso hat der Patient jederzeit Zugriff auf wichtige Daten wie den Batteriestatus oder das eigene Aktivitätslevel. Er kann zudem ein Symptom-Tagebuch führen, frühere Vitalparameter über die Zeit verfolgen oder elementare Informationen über das implantierte Gerät erhalten.
Erstaunlich ist für den Laien, wie lange die Batterie halten kann – bis zu zehn Jahre. Die Gefahr, dass sie plötzlich ausfällt, besteht nicht?
Eine durchaus berechtigte Frage. Nein, diese besteht nicht. Dank hochmoderner Batterietechnik haben diese Hightech-Geräte einen minimalen Energieverbrauch. Nichtsdestotrotz gehört die Abfrage des Batteriestatus zum integralen Bestandteil einer jeden ärztlichen Abfrage bei der Nachsorgeuntersuchung. Somit kann der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel entsprechend geplant werden.
Wie invasiv ist ein «Batteriewechsel» – wird wirklich nur die Batterie getauscht oder das ganze Gerät?
Sie besteht aus einer kleinen Operation, bei welcher das Hauptgehäuse, in welchem die Batterie versiegelt ist, ausgetauscht wird. Hierfür wird die alte Narbe aufgeschnitten und nach Anschluss an die zuvor implantierten Elektroden wieder zugenäht. Die Elektroden müssen dabei aufgrund einer meist weiterhin guten Funktion nicht gewechselt werden. (zt)