«Die perfekte Idee im perfekten Moment»: Wie dieser Pionier die Forstbranche revolutioniert
Vor drei Jahren hat David Henzmann mit seiner Firma Siabit die Software ForstControl entwickelt. Sie ermöglicht den Forstbetrieben, die in der digitalen Entwicklung gegenüber anderen Branchen noch etwas hinterherhinkten, eine wirtschaftliche Sicht auf ihr Unternehmen und eine effiziente Organisation. Einzelne Bereiche wie Leistungserfassung, Auftragsabwicklung, Karten, Maschinenverwaltung, Auswertung, Abrechnungen und vieles mehr können dadurch digital erledigt werden.
Henzmann verspricht eine Zeitersparnis von rund 80 Prozent. Genauso wichtig sind die Kosten. «Das höchste Gut eines Forstbetriebs ist das Holz», weiss Henzmann. Die App ermögliche es, Aufwand und Ertrag zu errechnen. Neben der Holzernte und dem Holzverkauf haben Forstbetriebe auch öffentliche Aufgaben wie die Pflege der Infrastruktur (Feuerstellen, Bänkli), welche nur Kosten verursacht. Man müsse diese aber genau kennen, um die Kontrolle zu haben und entsprechend budgetieren zu können, so der Unternehmer.
Die App beinhaltet verschiedene Tools, die man kaufen kann. Am häufigsten werde die Betriebsführung gekauft, aber auch die Notfallorganisation sei beliebt. Diese hilft, im Fall eines medizinischen Problems oder eines Unfalls möglichst schnell und strukturiert handeln zu können. Die App zeigt unter anderem, wo das nächste Spital liegt, wo ein Heli landen könnte und wo man überhaupt gerade ist – «denn GPS nützt im Wald nicht viel», weiss der Erfinder aus eigener Erfahrung. Mehrere Tools seiner App funktionieren auch ohne Empfang.
Stadtforstamt Baden nutzt die App ebenfalls
Mittlerweile hat ForstControl über 10’000 Nutzerinnen und Nutzer und ist nach eigener Aussage Marktführerin in der Schweiz – «und das ganz ohne Werbung», freut sich der 33-Jährige. Auf seinen Tiktok- und Instagram-Kanälen gibt der gebürtige Bözberger seinen rund 35’000 Followern regelmässig Tipps und Tricks im Wald. Denn Henzmann weiss genau, wovon er spricht: Er ist selber gelernter Forstwart und hat über 10 Jahre auf dem Beruf gearbeitet, bevor er 2017 voll auf seine Werbeagentur Avarel Studios gesetzt hat.
Zahlreiche Forstbetriebe der Region nutzen ForstControl, darunter das Stadtforstamt Baden. Für Stadtoberförster Georg von Graefe eine lohnende Investition: «Unsere Mitarbeiter haben ihre Stunden früher von Hand notiert, und die Zahlen wurden dann vom Sekretariat in eine Tabelle übertragen. Dank der App können die Forstmitarbeiter nun alles im Wald auf dem Handy erledigen, nach Projekt geordnet. Alles ist effizienter und genauer. Wir haben den Überblick.»
Baden nutzt ForstControl schon seit über zwei Jahren. «Wir waren relativ früh dabei, weil ein innovativer, guter Forstwart und Unternehmer dahinter steckt», so Georg von Graefe. Dass dieser auch noch aus der Region kommt, ist ein weiterer Vorteil: «So haben wir einen direkten Draht zum Entwickler und es nicht irgendeine anonyme Firma in den USA», findet der Stadtoberförster.
Henzmann ist in der Region kein Unbekannter. Er hat mittlerweile fünf Unternehmen, ist aktives Mitglied der Feuerwehr Baden und im Kommando des Zivilschutzes Brugg.
Ziel ist eine Version 3.0
Die Finanzierung von ForstControl hat der gut vernetzte Gebenstorfer in einer ersten Runde mit strategischen Investoren – darunter einigen Business Angels – gesichert. Da kam eine halbe Million Franken zusammen. In einer zweiten Runde können Interessierte nun Anteile an der Plattform kaufen. Bis jetzt seien 187 Investoren eingestiegen und bald 300’000 Franken gesammelt worden, so Henzmann. Schon ab 40 Franken kann man Teilhaberin oder Teilhaber werden.
Das zeige, wie begehrt das Produkt sei, freut sich der junge Unternehmer. Dass er auf dem richtigen Weg ist, hat ihm ein Marktforschungs-Projekt Ende 2022 bestätigt, das er im Rahmen seines MBA-Masterstudiengangs an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) als Bachelor-Thesis durchführte: «98 Prozent der Befragten empfahlen in einer Umfrage ForstControl weiter. Es ist das perfekte Produkt in einem perfekten Moment.»
Mit dem Geld aus dem jüngsten Crowdinvestment – Ziel sind 400’000 Franken bis Ende Jahr – will er eine Version 3.0 entwickeln sowie Marketing und Vertrieb im ganzen deutschsprachigen Raum ausbauen. Er selber hat Anfang 2023 13 Prozent von Siabit für eine halbe Million Franken verkauft. «Ich bleibe aber immer noch mit fast 80 Prozent Inhaber der Firma», so Henzmann.
Tipp eines erfahrenen Försters als Lebensmotto
Die Avarel Studios, die er als 19-Jähriger kurz nach seiner Forstwart-Ausbildung in Würenlingen gegründet hatte, hat er mittlerweile in andere Hände übergeben. Seit Februar 2021 ist die Firma im Gewerbegebiet Geelig, im Attikageschoss über dem Coop, beheimatet. «Damals waren wir mit knapp 15 Angestellten umgezogen und hatten während Corona den Mut, antizyklisch zu investieren. Nun sind wir über 30 Mitarbeitende.»
In seinem vollbepackten Alltag hilft David Henzmann ein Rat, den ihm einst ein erfahrener Förster während der Lehre beim gemeinsamen Arbeiten im Wald gegeben hatte: «Eins nach dem anderen. Man kann sowieso nie überall gleichzeitig sein. Das hilft mir bis heute in vielen Situationen.»
Mit dem Wald ist der 33-Jährige bis heute eng verbunden. So wird David Henzmann Anfang Jahr einmal mehr zwei bis drei Wochen einen Maschinisten vertreten, der einen WK absolvieren muss. «Das macht mir Spass, und ich kann so den Draht zur Branche behalten.»