Der Bruch, der eigentlich gar keiner ist
Ein Leistenbruch entsteht durch eine Schwachstelle oder Lücke in der Bauchwand, durch die das Bauchfell und/oder innere Organe nach aussen gedrückt werden können. Dies kann zu einer sichtbaren Vorwölbung in der Leistengegend führen und Schmerzen verursachen. Anders als es der Name vermuten lässt, handelt es sich beim Leistenbruch aber nicht um einen Knochenbruch.
«Bei einem Leistenbruch wird Bauchgewebe durch eine Lücke oder Schwachstelle in der Bauchwand eingeklemmt», erklärt Dr. med. Thomas Philip Alexander Sattler, Oberarzt Viszeralchirurgie im KSA. Aus medizinischer Sicht ist der Begriff «Bruch» daher nicht zutreffend, es handelt sich vielmehr um eine Hernie. «Eine Hernie zeichnet sich aus durch das Hervortreten von Gewebe oder Organen aus ihrer normalen anatomischen Position», sagt der Arzt. Bei einer Leistenhernie tritt Gewebe durch eine Schwachstelle in der Bauchwand in den Leistenkanal aus.
Männer wesentlich häufiger betroffen als Frauen
Mehr als jeder vierte Mann erkrankt im Laufe seines Lebens an einer Leistenhernie, die gehäuft im Kindesalter sowie bei Männern über 65 Jahren auftritt. Im Vergleich dazu haben Frauen eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit eine Leistenhernie zu entwickeln. Dies ist auf anatomische Unterschiede in Bezug auf den Leistenkanal zwischen den Geschlechtern zurückzuführen.
Weitere Faktoren, die zur Entstehung eines Leistenbruchs beitragen können, sind eine entsprechende familiäre Veranlagung, Rauchen, schwere Lungenerkrankungen sowie eine insbesondere im Alter zunehmende Bindegewebsschwäche. Es besteht jedoch kein Zusammenhang mit übermässiger körperlicher Aktivität.
Die Diagnose einer Leistenhernie erfolgt durch eine gründliche körperliche Untersuchung durch eine Spezialistin oder einen Spezialisten (Allgemein- oder Viszeralchirurg/in). Eine beidseitige Untersuchung ist dabei unerlässlich, da bei jedem zehnten Patienten sowohl links- als auch rechtsseitig eine Hernie nachgewiesen werden kann. Bei Patientinnen und Patienten, die über 55 Jahre alt sind und erstmals eine Leistenhernie haben, sollte zusätzlich eine Darmspiegelung zum Ausschluss einer bösartigen Darmerkrankung durchgeführt werden.
«Nicht jeder Leistenbruch erfordert einen sofortigen chirurgischen Eingriff», erklärt Dr. Sattler. Während bei Frauen eine Operation aufgrund des erhöhten Komplikationsrisikos meist notwendig ist, ist bei Männern eine differenzierte Betrachtung erforderlich. «Verursacht der Bruch keine oder nur geringe Beschwerden, kann unter strenger individueller Risikoabwägung und ausführlicher Aufklärung ein abwartendes Verhalten gerechtfertigt sein», so der Arzt.
Therapeutisch wird eine Anpassung des Lebensstils empfohlen, um zusätzlichen Druck auf die Bauchwand zu vermeiden. Dazu gehören Gewichtsmanagement, Vermeidung von schwerem Heben und die Behandlung von Faktoren wie chronischem Husten.
Wenn eine OP unumgänglich wird
Reichen konservative Massnahmen nicht aus oder verursacht die Leistenhernie Beschwerden, ist eine operative Therapie unumgänglich. Die häufigsten Gründe für eine Operation sind lokale Beschwerden mit ziehenden Schmerzen im Leisten- oder Genitalbereich, ein Fremdkörpergefühl oder eine störende Vorwölbung. «Ausserdem berichten viele Patientinnen und Patienten über eine deutliche Einschränkung bei körperlicher Arbeit mit Anspannung der Bauchmuskulatur oder bei sportlicher Betätigung, was die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität beeinträchtigt», sagt Dr. Sattler.
Wichtig ist, dass mögliche Komplikationen der Erkrankung nicht vernachlässigt werden. So kann es bei Anspannung der Bauchdecke, beispielsweise durch Husten, zu einer Einklemmung des Bruchsackinhalts kommen, was äusserst schmerzhaft sein kann. Ist dabei der Darm betroffen, kann es zu einem Darmverschluss oder durch Abschnürung der versorgenden Gefässe zu einer Minderdurchblutung («Strangulation») bis zum Absterben des betroffenen Darmabschnitts kommen. Dies erfordert eine umgehende notfallmässige operative Versorgung, da Lebensgefahr besteht.
Erneutes Auftreten der Hernie verhindern
Die meisten Leistenhernieoperationen werden ambulant durchgeführt. Die Planung der Operation erfordert ein ausführliches ärztliches Gespräch. Dabei werden die Beschwerden, die persönlichen Erwartungen und die Lebensqualität der Patientin oder des Patienten besprochen. «Bei beidseitigen Leistenbrüchen oder bei Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten ist in der Regel ein stationärer Aufenthalt von einer Nacht erforderlich», so der Arzt.
Prinzipiell kann ein Leistenbruch offen oder minimalinvasiv operiert werden. Zu den minimalinvasiven Verfahren zählen die Laparoskopie und die roboter-assistierte Operation, die in spezialisierten Zentren wie im Kantonsspital Aarau durchgeführt wird. Allen Verfahren gemeinsam ist die Einlage eines Kunststoffnetzes, das nach aktueller Studienlage die Wahrscheinlichkeit für ein erneutes Auftreten deutlich reduziert.
«Selbst bei älteren Patientinnen und Patienten ist eine Leistenbruchoperation möglich – und zwar unter lokaler Betäubung. Eine Vollnarkose ist nicht notwendig», erklärt Dr. Sattler.
Die Phase nach der Operation ist entscheidend für den Erfolg der Behandlung von Leistenbrüchen. Eine sorgfältige Nachsorge und Rehabilitation tragen dazu bei, mögliche Komplikationen zu minimieren und die Genesung zu beschleunigen. Nach der Operation wird eine körperliche Schonung für etwa zwei Wochen empfohlen. Dabei sollte schweres Heben und Tragen vermieden werden.