Der Countdown läuft: EU auf Embargo-Kurs für russisches Öl – was das für Europa und die Schweiz bedeutet
Wann kommt der Importstopp für russisches Öl?
Noch diese Woche wird die EU-Kommission ihr 6. Sanktionspaket gegen Russland vorstellen. Es soll auch ein Embargo auf Ölimporte enthalten. Allerdings dürfte dieses nicht sofort, sondern erst nach einer Übergangsfrist bis Ende Jahr gelten. Statt einem Embargo handelt sich also eher um einen Countdown. Möglich macht es der Positionswechsel von Deutschland: Nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck im Eiltempo die Abhängigkeit von russischem Öl von 35 auf zwölf Prozent gesenkt hat, sei Deutschland nun bereit für einen Stopp.
Warum braucht es Übergangsfristen?
Das hat auch praktische Gründe: Öl ist nicht gleich Öl und die Raffinerien in Europa müssen vom russischen Rohöl aus Sibirien auf anders zusammengesetztes Rohöl umgestellt werden. Ausserdem gibt es logistische Herausforderungen: Das russische Öl kommt mehrheitlich über festverlegte Pipelines nach Europa wie die «Druschba»-Röhre. Nun müssen die Raffinerien alternativ über Häfen, Lastwagen und Tankzüge versorgt werden. Das braucht Zeit. Die grosse Raffinerie in Schwedt im deutschen Brandenburg gehört zum Beispiel dem russischen Ölkonzern Rosneft und hängt direkt an der Druschba-Pipeline. Sie alternativ zu versorgen, wird schwierig. Andere Länder wie Ungarn hängen prozentual noch stärker am russischen Tropf.
Wer ist gegen das Öl-Embargo?
Ungarn hat angekündigt, ein Energie-Embargo nicht mitzutragen und droht mit einem Veto. Auch die Slowakei hat wegen ihrer grossen Abhängigkeit von Russland Bedenken. Um diese Länder an Bord zu holen, könnten ihnen längere Übergangsfristen oder sogar Ausnahmen angeboten werden. Als Bremser gelten auch Italien, Spanien und Griechenland. Sie fürchten höhere Kosten und möchten statt einem Embargo lieber Preisobergrenzen.
Werden Konsumenten nun noch mehr bezahlen müssen?
Ja. Beobachter rechnen mit einem Preisschock, nicht nur in Europa, sondern weltweit. Sowohl Benzin und Diesel, aber auch Heizöl und Kerosin würden teurer werden. Mancherorts könnte es zu Versorgungsproblemen kommen. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte unabhängig vom Öl-Embargo bereits vor einigen Tagen ein 30 Milliarden-Hilfspaket für Familien und Geringverdienende an. Die wenigsten EU-Länder verfügen aber über solche Cash-Reserven wie Berlin. Das Brüsseler Wirtschaftsforschungs-Institut Bruegel bringt bereits die Möglichkeit von tageweisen Fahrverboten oder der Senkung des Tempolimits ins Spiel, wie zu Zeiten der Ölkrise in den 1970er Jahre.
Was sind die Auswirkungen auf die Schweiz?
Die Versorgung mit Erdöl ist nicht gefährdet. Direkt aus Russland bezieht die Schweiz kein Rohöl, auch via andere Länder kommt nur ein kleiner Teil aus Russland. Nichtsdestotrotz würden auch in der Schweiz die Preise für Benzin, Diesel und Heizöl ansteigen.
Wird sich Putin davon beeindrucken lassen?
Ölverkäufe machen rund 35 Prozent des russischen Staatshaushalts aus und rund zwei Drittel davon geht nach Europa. Dass Russland sein Öl einfach in anderen Weltregionen loswerden könnte, ist schwierig: Pipelines müssten erst gebaut werden und die Infrastruktur für den Verkauf mittels grosser Tankschiffe ist begrenzt. Experten weisen aber auch darauf hin, dass die weltweite Preissteigerung dazu führen könnte, dass Russland zwar weniger Öl verkauft, aber viel mehr daran verdient. Es wäre ein perverser Effekt des Embargos. Sogar die US-Finanzministerin Janet Yellen warnte wegen der möglichen Verwerfungen auf dem Weltmarkt vor einem überhasteten Öl-Ausstieg Europas.
Kommt nun auch das Gas-Embargo?
Ein Gas-Embargo ist noch schwieriger umzusetzen als ein Öl-Embargo. Im Gegensatz zum Öl ist der weltweite Gasmarkt weniger liquide und es gibt in Europa auch nicht genug Andockstationen für Flüssiggas-Schiffe aus den USA. Trotzdem will die EU auch aus dem russischen Gas aussteigen. Bis Ende Jahr soll die Abhängigkeit um zwei Drittel reduziert sein. Deutschland will bis Mitte 2024 ganz von russischem Erdgas loskommen. Möglich ist aber auch, dass Russlands Präsident Wladimir Putin schon vorher von sich aus den Gashahn zudreht, wie er es mit Polen und Bulgarien gemacht hat.