Der Esel geht immer voran
Zapfenstreich und Kinderfest, da denke ich in Vierteln, Achteln und Triolen oder anders gesagt: Es trommelt in meinem Oberstübchen. Die Kadettentambouren waren so etwas wie meine Lebensschule, fürs richtige Militär hats leider nicht gereicht und im Zivilschutz war der Bedarf an Hofnarren bereits gedeckt. Die Hauptbeschäftigung der Tambouren, speziell am Kinderfest, besteht darin, ununterbrochen die Ordonnanzmärsche zwei bis acht runterzuklopfen. Und das im Gleichschritt! Das ist nicht ganz so einfach, wie man denken könnte, denn zwanzig Tambouren in Aktion können schnell wie ein chaotischer Haufen aussehen – und auch so tönen. Darum heisst es stets: ausrichten nach links! Und ja nicht das Tempo anziehen beim Marschieren! Und das Allerwichtigste: Zur Uniform werden dunkle Halbschuhe getragen, und sonst gar nichts!
Die monotone Präzision des Trommelns gefiel mir prächtig, ich geriet richtiggehend in Trance darob und konnte mich freuen, wenn in den guten Momenten die ganze Truppe wirklich unisono ins gleiche Rohr feuerte. Mit den Jahren sicherte ich mir den Platz in der vordersten Reihe links, was praktisch war, weil dann niemand schneller marschieren durfte als ich (Stichwort: nach links ausrichten). Vor meinem letzten Kinderfest als Tambour war ich überzeugt: Ich werde Tambourmajor! Wie hätte ich ahnen können, dass mir die wichtigste Lektion der «Lebensschule Kadettentambouren» noch bevorstand?
Die Realität sah nämlich so aus: Der Vater eines gleichaltrigen Tambours, ein in der Region bekannter Unternehmer, spendete spontan eine neue Ordonnanztrommel. Und verschaffte dem Sohn des Tambourinstruktors eine Lehrstelle. Nun war klar, wer Tambourmajor werden würde. Zuhause weinte ich vor Wut über so viel Ungerechtigkeit. Als mein letzter Kinderfestumzug startete und der stolze Tambourmajor drei Schritte vor uns mit seinem schön verzierten Stock aus Messing und Holz in der rechten, die linke Hand an der Hüfte, «Tambouren! Vorwärts, Marsch!» schrie und losmarschierte, war ich plötzlich heilfroh, dass ich bei der Truppe stand, vorne links, mit zwei Stöcken in der Hand. Und einfach nur trommeln durfte.