Gastro, Automech, Banken, Bauarbeiter: Wer im Aargau 2022 mehr Lohn bekommt – und wer leer ausgeht
Seit bald zwei Jahren hält uns das Virus in Atem. Die Wirtschaft wurde zuerst einmal in den Lockdown versetzt. Gewisse Branchen boomten danach, andere darben noch immer. Das weltweite Logistiksystem ist aus den Fugen geraten. Lieferengpässe, explodierende Kosten, ewige Wartezeiten – es gibt kaum eine Branche, die nicht unter den Folgen der Pandemie leidet. Und wer muss es ausbaden?
Die Unternehmen, letztlich die Mitarbeitenden, die unter erschwerten Bedingungen Lösungen finden müssen. Aber werden diese für die zusätzliche Müh’ auch entgeltet? Kriegen sie trotz Krise eine Lohnerhöhung? Oder müssen sie wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage darauf verzichten?
Gastrobranche: Mindestlöhne steigen
Beginnen wir bei einer der am härtesten getroffenen Branchen der Viruskrise: dem Gastgewerbe. Lockdown, dauernd ändernde Regeln, wieder Lockdown – es war ein hartes Jahr für die Gastronomie, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer.
Wer jetzt aber denkt, dass Servicefachangestellte oder Köchinnen leer ausgehen, der irrt. Per 1. Januar steigen die Mindestlöhne durchschnittlich um 0,2 Prozent. So wird zum Beispiel der Mindestlohn eines Kochs direkt ab Lehre von 4203 auf 4212 Franken angehoben. Das ist kein Riesensprung, aber man sei nun halt mal eine Tieflohnbranche, so Bruno Lustenberger, Präsident von Gastroaargau.
Warum aber erhöht man auch in der Krise die Löhne? Das liege auch daran, dass man zwar lange jährlich die Löhne verhandelte, sich 2019 aber dazu entschloss, das Lohnwachstum gleich für drei Jahre festzulegen. Das liege auch daran, dass die Arbeitgeberverbände Hotellerie und Gastrosuisse ein sehr gutes Einvernehmen mit der Gewerkschaft (Hotel & Gastro Union) pflegten. So spanne man zum Beispiel auch im Bereich Ausbildung zusammen. Zudem sagt Gastro-Präsident Lustenberger überzeugt:
«Ich bin selbst seit über 30 Jahren Mitglied in der Gewerkschaft.»
Schreiner: Darüber können sich die Handwerker freuen
Auch die Schreiner dürfen sich freuen. Zwar gab es dieses Jahr keine Lohnverhandlungen zwischen dem Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) sowie den beiden Gewerkschaften Unia und Syna. Aber das aus dem einfachen Grund, weil sich diese Parteien vor einem Jahr nicht auf einen Gesamtarbeitsvertrag einigen konnten.
Das ist jetzt gelungen, weil man nicht mehr über arbeitsrechtliche Inhalte (u. a. Löhne) und vorgezogenen Rente zusammen verhandelte. Auch ohne Lohnverhandlungen sieht der ab 1. Januar gültige Übergangs-GAV vor, dass der Mindestlohn für einen Schreiner direkt ab Lehre von 4165 auf 4207 (+1%) steigt. Im kommenden Herbst sind dann per GAV wieder reguläre Lohnverhandlungen vorgesehen, wie VSSM-Geschäftsleitungsmitglied Patrik Ettlin sagt.
Coop und Migros: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Good News auch für Coop-Angestellten: Insgesamt wird die Lohnsumme der rund 37 000 Angestellten um 0,8 Prozent erhöht. Der Mindestlohn für ungelernte Arbeitskräfte wird um 100 Franken auf 4100 Franken angehoben und sämtliche Löhne unter 4400 Franken werden um 40 Franken (+1 Prozent) erhöht. Ziel war es, dass insbesondere die Mitarbeitenden im Tieflohnsegment von der Lohnerhöhung profitieren.
Auch die Migros erhöht den Mindestlohn für Ungelernte von 4000 Franken per 1. Januar 2022 auf 4100 Franken. Die Gesamtlohnsumme soll bis zu einem Prozent ansteigen. Gelernte verdienen bis Ende März 2023 mindestens 4200 bis 4500 Franken. Auf eine generelle Lohnerhöhung aber verzichtet der orange Riese zum Leidwesen der Unia.
Auto, Elektro, Sanitär & Co.: Die meisten dürfen sich freuen
Generelle Lohnerhöhungen gibt es im Aargau zum Beispiel für das Autogewerbe (plus 60 Franken), national auch für die Plattenleger (40 Franken) und die Ziegelindustrie (50 Franken). Die Gesamtlohnsumme wird beim Metallbau (+1 Prozent) erhöht, bei der Franke AG gar um 1,5 Prozent. Wer und ob jemand eine Lohnerhöhung kriegt, wird individuell festgelegt.
Höhere Löhne gibt es auch für die Haustechnikbranche (Heizung, Lüftung, Sanitär, Spengler). Dort sieht der Gesamtarbeitsvertrag vor, dass sämtliche dem GAV unterstellten Mitarbeitenden ab 2022 pro Monat 60 Franken mehr verdienen. Dafür bleibt der Mindestlohn unverändert (für einen Installateur mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis beträgt er direkt nach der Lehre 4100 Franken).
Nachdem es 2020 für die Elektrobranche eine generelle Lohnerhöhung von 100 Franken und zusätzlichen 0,1 Prozent Teuerungsausgleich gab und auf Anfang 2021 die Mindestlöhne angepasst wurden (ein Elektromonteur ohne Berufserfahrung verdiente zuvor 4475 und seither 4500 Franken), gibt es nun eine generelle Lohnerhöhung von 0,9 Prozent (Teuerungsausgleich) sowie eine zusätzliche Erhöhung der Gesamtlohnsumme von 0,6 Prozent.
Das heisst, jeder Monteur verdient sicher 0,9 bleibt mehr, ob er darüber hinaus eine Lohnerhöhung erhält und wie hoch diese allenfalls ist, ist dem Arbeitgeber überlassen. Letzterer muss die Lohnsumme insgesamt einfach um 1,5 Prozent erhöhen.
Baubranche: Warum die Arbeiter wieder leer ausgehen
Nicht einigen konnten sich die Vertreter des Baumeisterverbandes mit den Gewerkschaften. Zwar hat der Landesmantelvertrag noch bis Ende nächstes Jahr Bestand – er muss im Verlauf des kommenden Jahres neu verhandelt werden –, aber bezüglich Lohnerhöhungen konnten sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter weder 2020 noch 2021 einigen. Davor wurde der Basislohn zwei Jahre in Folge um jeweils 80 Franken pro Monat angehoben. Jetzt gibt’s zum zweiten Mal in Folge eine Nullrunde.
Die Baumeister trügen damit eine Mitschuld am Fachkräftemangel, findet die Unia. Pascal Johner, Geschäftsführer des Baumeisterverbands Aargau, sagt:
«Es geht uns nicht darum, die Löhne zu drücken, sondern wir wollen wegkommen vom Giesskannenprinzip. Gute Leistung soll besser entlöhnt und nicht einfach allen mehr gegeben werden.»
Im Übrigen seien die Löhne in der Branche sicherlich gut, ein Hilfsarbeiter ohne Berufsabschluss verdiene im Aargau mindestens 4637 Franken pro Monat und ein Baufacharbeiter mit dreijähriger Ausbildung kriegt direkt nach Lehrabschluss einen Mindestlohn von 4924 Franken.
Grossbanken winken mit 1,2 % mehr, AKB entscheidet erst
Die Banken haben keinen GAV, sondern eine Vereinbarung über die Angestelltenbedingungen der Bankangestellten. Auf Nachfrage heisst es bei Credit Suisse, Raiffeisen und UBS unisono: Die Gesamtlohnsumme werde schweizweit – und damit auch im Aargau – um 1,2 Prozent angehoben. Lohnerhöhungen werden aber individuell und leistungsbezogen gewährt.
Der Bankrat der AKB diskutiert die Löhne erst heute, weshalb es vorgängig keine Stellungnahme gab. Der Mindestlohn für eine Fachkraft mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis beträgt in der Bankenbranche rund 4307 Franken (56’000 Franken pro Jahr, inklusive 13. Monatslohn).
Pharmabranche: Löhne werden individuell angepasst
Keine Gesamtarbeitsverträge gibt es in der boomenden Pharmabranche. Auf Anfrage aber teilt etwa die Roche mit, die Gesamtlohnsumme der rund 14’500 Mitarbeitenden per 1. April 2022 um 1,25 Prozent erhöht würde. Ob respektive wie viel mehr Lohn ein einzelner Mitarbeitender erhält, hängt von seiner Vorgesetzten ab. In Summe jedoch steigen die Löhne um maximal 1,25 Prozent.
Bei der Novartis sollten die Lohnverhandlungen demnächst abgeschlossen sein, spruchreif ist derzeit allerdings noch nichts.
Bei Siegfried in Zofingen werden die Löhne erst zu Beginn des kommenden Jahres ausgehandelt, wie Kommunikationschefin Monica Anton sagt. Man habe einen firmeneigenen GAV mit der Unia abgeschlossen. Mindestlöhne sind darin nicht vorgesehen.
Aargauer Staatsangestellte: insgesamt plus 0,5 Prozent
Die Staatsangestellten mussten sich vor einem Jahr mit einer Nullrunde abfinden. 2022 gehen die Löhne im Kanton Aargau generell um 0,5 Prozent nach oben; es entscheidet sich auf individueller Ebene, ob respektive wer eine Lohnerhöhung erhält. Die SP hätte mehr gefordert (1%), die SVP wollte eine erneute Nullrunde, die Regierung entschied sich für den Mittelweg.
Eine kurze Schlussbemerkung: Mehr Lohn bedeutet nicht automatisch mehr Kaufkraft. Die meisten Prognosen gehen für die Schweiz für das ablaufende Jahr von einer Inflation von zirka 0,5 Prozent aus. Sofern sich Ihr Lohn also nicht um mindestens so viel erhöht, verdienen Sie vielleicht auf dem Papier mehr, faktisch aber können Sie sich weniger leisten.