Der Luchs – der einsamste Jäger der Schweiz kommt jetzt gross im Kino
Das Reh äst vor dem Strunk. Es tut seine letzten Bisse. Wie aus dem Nichts überspringt ein Luchs das Holz und erlegt das Tier mit einem einzigen Biss.
Während der Luchs schon weiterzieht, die Drohne wieder spektakulär über dem jurassischen Wald und den Felsen kreist, fragt man sich noch immer: Wie hat er das geschafft? Nicht der Luchs, sondern Filmer und Regisseur Laurent Geslin. Die Antwort: mit Geduld, Zeit und vermutlich kalten Fingern.
Sieben Jahre lang ist der Neuenburger durch den Jura gestreift, hat Fotofallen aufgestellt, Fährten gesucht und hat dem Luchs im Schlafsack aufgelauert. Auf der Spur ist Geslin dem eurasischen Luchs seit zwölf Jahren. Er ist ein Rückkehrer: Ausgerottet Ende des 19. Jahrhunderts in ganz Westeuropa noch vor Bär und Wolf, im Jura in den 70er-Jahren mit slowakischen Luchspaaren wieder angesiedelt. Die Bestände wachsen, rund 250 Luchse durchstreifen in riesigen Revieren die Schweiz, 75 davon im Jura.
Unter den Raubtieren ist er der «Gute»
Sie sind so einsam unterwegs, dass diese Raubtiere in der aufgeheizten Diskussion um Wolf und Bär zuweilen vergessen gehen. Zwar findet Geslin eines Tages auch einen Luchs, der von einem Wilderer erlegt wurde. Doch der Luchs hat wenig menschliche Feinde. Dazu ist er auch zu unsichtbar.
Nur in der Paarungszeit «singt» das Männchen sehnsüchtig und lockt so ein Weibchen an. Laurent Geslin beobachtet nicht nur dieses Treffen, sondern sieht auch eines Tages, dass das Luchsweibchen schwanger ist. Nach Wochen findet er ihren Bau und filmt im Versteckten, wie drei Junge das erste Mal aus der Höhle tappen.
Am beeindruckendsten sind aber nicht diese zuckersüssen Aufnahmen, sondern dass einem bewusst wird: Das ist kein Tierfilm aus menschenleeren Weiten anderswo, dieser Film zeigt ein Tierreich mitten in der Schweiz. Geslin bekam auch fünf junge Füchse vor die Linse, drollige Sperlingskauzbabys, Wiesel, Wanderfalken, sich balgende Gamskitze, Hasen, ein säugendes Reh und ein Haselhuhn mit seinen Küken.