Der regionale Museumstag ermöglicht eine spannende Reise in die Vergangenheit
Zeitenwende. Als das Kraftwerk Ruppoldingen 1896 seinen Betrieb aufnahm, sollte das weitreichende Auswirkungen auf Lebens- und Arbeitswelt der Bewohnerinnen und Bewohner im Wiggertal haben. Wo einst Kerzen, Gas- und Petrollampen spärliches Licht spendeten, brachten elektrische Glühbirnen plötzlich Helligkeit und Komfort in die Wohnungen. Die technologische Revolution macht die Nacht zum Tag und eröffnete bislang ungeahnte Möglichkeiten für Arbeit und Freizeit.
Dieser Thematik widmen sich die drei Museen von Aarburg, Oftringen und Rothrist am regionalen Museumstag vom Sonntag, 26. Mai. Sie laden gemeinsam zu einer spannenden Entdeckungsreise in die Vergangenheit ein, der sie sich mit unterschiedlichen Thematiken annähern. «Vom Wasser zum Strom» heisst die Sonderausstellung im Heimatmuseum Aarburg, die neben der Baugeschichte des Kraftwerks Ruppoldingen in erster Linie die Auswirkungen der Elektrifizierung auf die Arbeitswelt beleuchtet. «Wie der Strom in die Oftringer Haushaltungen kam» heisst die selbsterklärende Thematik der Sonderausstellung im Ortsmuseum Oftringen. Zeitlich vor der Elektrifizierung einzuordnen ist die Ausstellung im Heimatmuseum Rothrist, die sich der «Mechanisierung im 19. und 20. Jahrhundert» widmet. In der Remise kann man auf drei Etagen entdecken, welche Maschinen das Arbeiten erleichterten, als noch kein Strom verfügbar war.
Vom Elektrizitätswerk Olten-Aarburg zur Alpiq
Bau und Betrieb des Kraftwerks Ruppoldingen waren 1894 Gründungszweck des Elektrizitätswerks (EW) Olten-Aarburg. Die Gründung war auf private Initiative in beiden Städten vorangetrieben worden. Damit liegen die Anfänge des heute international agierenden Energiekonzerns Alpiq, der aus mehreren Zusammenschlüssen entstand – 1936 aus der Fusion der EW Olten-Aarburg und der Officine Elettriche Ticinesi zur Atel, 2009 aus dem Zusammenschluss der Atel und der EOS (Energie Ouest Suisse) zur Alpiq –, auch im Aarestädtchen. Die Sonderausstellung dokumentiert nicht nur die Baugeschichte des Kraftwerks, welches 1896 seinen Betrieb aufnahm, sondern beleuchtet anhand von Fotografien, Plänen, kurzen Texten und weiteren Exponaten die Anfänge der Aarburger Industriegeschichte. Dokumentiert werden etwa das Sägewerk Lüscher und die Spinnerei/Weberei Grossmann, die spätere «Wäbi».
Weil das alte Kraftwerk schon bald nach seiner Inbetriebnahme an Kapazitätsgrenzen stiess, wurde 1904 auf dem Born ein Pumpspeicherkraftwerk errichtet, das bis 1954 in Betrieb blieb. Zum Speicherbecken auf dem Born führte eine Wartungstreppe für die Druckleitungen. Sie zerfiel im Lauf der Zeit, bis sie vom Aarburger Herbert Scheidegger 1986 als «Tuusigerstägli» wieder instand gestellt wurde.
Ein besonderes Highlight geht um 11 Uhr im ehemaligen Maschinenhaus des Kraftwerks Ruppoldingen (heute Niederöst AG, Boningerstrasse 23, Olten) über die Bühne. Dort spricht mit Renato Tami ein ausgewiesener Energieexperte zum Thema «Kraftwerke Ruppoldingen – eine Spurensuche». Der Referent ist unter anderem ehemaliger Geschäftsführer der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) und Vizepräsident der IG Solalpine.
Internationaler Museumstag
Die Museen der Schweiz feiern im Mai den Internationalen Museumstag, welcher seit 1978 alljährlich durchgeführt wird. Bei freiem Eintritt soll die Vielfalt der Museumslandschaft gezeigt werden. Im Kanton Aargau öffnen am 26. Mai 66 Museen ihre Türen. Neben Aarburg, Oftringen und Rothrist sind im Bezirk weitere Museen offen. Unter dem Thema «Begegnung und Erinnerung» präsentiert das Museum Brittnau Kirchenbücher samt Stammbaum der Familie Kunz. Im Classic Car Museum Safenwil lässt «Kulturgut auf vier Rädern» die Herzen höher schlagen. Im Kunsthaus Zofingen wird ein Workshop «Drucken mit Pflanzen» angeboten, im Museum Zofingen ein Erkundungsspiel für die ganze Familie. (tf)
Nach der Inbetriebnahme des Kraftwerks Ruppoldingen haben die Städte Aarburg, Olten und Zofingen rasch damit begonnen, die notwendige Elektrizitätsinfrastruktur bereitzustellen. «In Oftringen hat das etwas länger gedauert», sagt Mathias Baumann, Präsident der Museumskommission, der zusammen mit Ernst Roth und Beat Hubeli massgeblich für die Erarbeitung der Sonderausstellung verantwortlich war. 1904 wurde auf private Initiative eine «Beleuchtungs-Commission» gegründet, erst 1915 erfolgte die Gründung der Elektrizitätsversorgung Oftringen (EVO). Historische Pläne zeigen, wie weit 1928 die Errichtung der Infrastruktur im Dorf bereits vorangeschritten war. «Die erste Trafostation wurde im Bereich Kreuzstrasse – hinter dem ‹Gelben Haus› – errichtet», weiss Baumann. Von ihr, die zuletzt noch als Hühnerstall genutzt wurde und heute nicht mehr besteht, sind in der Ausstellung Fotos zu sehen.
Aufgespürt haben die Ausstellungsmacher auch ein altes Regulativ von 1926. Dort kann man nachlesen, dass es drei verschiedene Stromtarife gab. Wer Strom für Beleuchtungszwecke bezog, musste für diesen vier Mal mehr berappen als für Strom, der zum Beispiel fürs Kochen oder Bügeln verwendet wurde. Um Missbräuche zu verhindern, hatten die beiden Stecker ein anderes Steckdosenbild. «Fürs Licht konnten wahrscheinlich höhere Preise angesetzt werden, weil die Vorteile gegenüber Petrollampen und Kerzen offensichtlicher waren als etwa beim Kochen mit dem Holzkochherd, der gleichzeitig auch Wärme lieferte», vermutet Baumann.
Ein rund zwölfminütiger Film und unzählige historische Ausstellungsgegenstände – elektrische Geräte oder Werkzeuge, die früher beim Leitungsbau verwendet wurden – sorgen für viel Abwechslung auf dem informativen Rundgang. Strassenmusik der Musikschule Oftringen, Outdoor-Spiele für Kinder sowie Brätzeli backen mit Grosis Brätzelieisen sorgen für zusätzliche Unterhaltung.
Auch die Mechanisierung veränderte Arbeitswelt
Einer etwas anderen Thematik widmet sich das Heimatmuseum Rothrist. «Wir benutzen die Gelegenheit, den Besuchenden während des Museumstags wieder einmal unsere wunderbare Remise zu zeigen», sagt Museumsleiterin Gabriela Rüegger. Gleichzeitig kann auch die Sonderausstellung «Kreative RothristerInnen» im Heimatmuseum besichtigt werden. In der Remise lautet das Thema «Mechanisierung im 19. und 20. Jahrhundert». Die vielfältige Ausstellung zeigt in erster Linie die Veränderungen in der Landwirtschaft und in der handwerklichen Arbeitswelt. «Diese führten zwar zu höherer Produktivität, aber auch zum Verlust von traditionellen Arbeitsplätzen», sagt Thomas Oschwald, Mitglied des Museums-Kernteams, indem menschliche Arbeitskraft durch Maschinen ersetzt oder unterstützt worden sei.
Besonders imposant ist eine vier Meter breite Klee-Sämaschine, besichtigt werden können aber auch der sogenannte «Aargauer Pflug» oder ein Pflug aus der Zeit der Anbauschlacht im Zweiten Weltkrieg. Weitere Themen sind dem Holzgewerbe (Wagnerei, Forst, Zimmerei, Schreinerei, Drechslerei) gewidmet, aber auch Imkerei, Fischerei oder Flachsverarbeitung werden thematisiert. Besuchende können sich in der Remise auf einen kommentierten Rundgang begeben, indem sie sich die «Musivus-App» aufs Handy laden und im Museum den QR-Code «Feld + Wiese» scannen.
Shuttle-Bus verkehrt zwischen den drei Museen
Besucherinnen und Besuchern wird empfohlen, den Shuttle-Bus zu benützen, der im Takt zwischen den drei Museen verkehrt. Der Shuttle führt Interessierte auch zum Referat von Renato Tami ins ehemalige Maschinenhaus des Kraftwerks Ruppoldingen – dort sind Parkmöglichkeiten äusserst beschränkt.
Und natürlich kann man sich auch verpflegen. Im Heimatmuseum Rothrist ist die Kafistube mit Kuchen offen, draussen stillen Chäsbrätel den Hunger. Und in Oftringen werden Bratwürste vom Grill angeboten.
Regionaler Museumstag in Aarburg, Oftringen und Rothrist, Sonntag, 26. Mai, 10 bis 16 Uhr.