Der Rikner Stefan Wälchli bringt sogar eine Kuh in die Luft
Einen Himmel voller Ballone würde sich Stefan Wälchli wohl zum Geburtstag wünschen. Es dauert noch einige Zeit, bis der Rikner seinen 53. Geburtstag feiern darf. Den Wunsch erfüllt er sich zu einem speziellen Jubiläum gleich selber. Denn es sind genau 30 Jahre vergangen, seit Wälchli die Pilotenausbildung zum Ballonfahrer absolviert hat. Gefeiert wird das am 30. Juni mit einem Ballon-Meeting auf dem Flugplatz in Bleienbach, unweit von Langenthal. «Mehr als 30 Ballone werden dort sein und gemeinsam in die Luft steigen», sagt er. Wenn das Wetter mitspielt.
«Bei schönem Wetter bin ich vergeben», sagt Wälchli und lacht. Vergeben an seine grosse Leidenschaft, das Ballonfahren. Schon am Morgen, als das Gespräch stattfand, war Wälchli in der Luft, gestartet auf dem Hornusserplatz in Mättenwil, gelandet in Bleienbach. Trotz des schönen Wetters, das herrscht: Die abendliche Fahrt hat der Rikner Ballonpilot bereits abgesagt. Die Flugwetter-App sagt Regen voraus. Mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn Prozent – aber es kann jederzeit und überall im Mittelland einen Platzregen geben. «Wenn die Sonne scheint und kaum ein Wölkchen am Himmel zu sehen ist, nehmen Passagiere solche Absagen manchmal ungläubig zur Kenntnis», sagt Wälchli.
Ob das angesagte Gewitter auch wirklich kommt, ist für Wälchli nicht relevant. «Sicherheit geht in jedem Fall vor», betont er. Denn es ist nicht nur der Regen, der Ballonfahrern zu schaffen macht. «Mit dem Regen geht meist auch eine grössere Abkühlung einher, was wiederum zu Turbulenzen in der Luft führen kann», erklärt er.
Schon in seiner Kindheit haben Wälchli Heissluftballone am Himmel fasziniert. Inspiriert wurde er vom Vater, der während Jahrzehnten ebenfalls passionierter Ballonfahrer war. 1994, mit 23 Jahren, hat er die Pilotenausbildung absolviert. Nach der Prüfung war er erst mit dem damaligen Perry-Center-Direktor Edy Witprächtiger am Himmel unterwegs, 1995 wurde ihm sein erster eigener Ballon gesponsert. «Es war damals aus beruflichen Gründen aber eine sehr beschränkte Fahrtätigkeit», sagt er rückblickend.
2003 stellte Wälchli seine Fahrtätigkeit vorübergehend sogar ganz ein. Job, Familie und das anspruchsvolle Hobby brachte er nicht mehr unter einen Hut und entschied sich, das scheinbar «kleinste Übel», das Ballonfahren, aufzugeben.
«Heute würde man wahrscheinlich von einem Burnout sprechen, doch damals kannte man diesen Begriff noch gar nicht», sagt er. Doch er habe bald gemerkt, dass der stressige und kräftezehrende Job und nicht das Ballonfahren das Problem gewesen sei. Dank eines verständnisvollen Arbeitgebers erhielt er innerhalb der Firma einen neuen Job angeboten – mit vielen Freiheiten und Zeit zum Ballonfahren.
Von da an ging es bergauf. Die eher beschränkte Fahrtätigkeit aus den Anfängen wurde sukzessive gesteigert. Heute steigt Wälchli rund 100-mal jährlich mit einem seiner 9 Ballone auf. 1828 Fahrten hat er bis heute in sein Logbuch eingetragen, etwa 3150 Stunden war er in der Luft, rund 7000 Passagiere hat er transportiert und dabei rund 40 000 Kilometer am Himmel zurückgelegt.
Über den Wolken verliert alles andere an Bedeutung
All den eindrücklichen Zahlen zum Trotz. Seine grosse Leidenschaft hat Wälchli nie zum Beruf gemacht, obwohl er vor 15 Jahren mit der Ballonpilot GmbH seine eigene Firma gegründet hat. «Ich wollte mir nie den Druck auferlegen, bei kritischem Wetter aus finanziellen Gründen mit zahlenden Passagieren in die Luft gehen zu müssen», sagt Wälchli, der als Berufsspezialist Marketing bei einem grossen Detailhändler in Basel arbeitet. Gerade in der Zeit der Pandemie habe sich dieser Entscheid als richtig erwiesen.
Noch heute steht die Freude am Ballonfahren im Vordergrund. «Es ist einfach schön und ruhig in der Luft – und alles andere verliert da oben völlig an Bedeutung», sagt er. Toll sei auch, dass jede Fahrt vollkommen anders sei. «Ich kann zehnmal am gleichen Ort starten, lande aber jedes Mal an einem anderen Ort.» Dorthin, wo der Wind ihn eben trägt. Wobei jede Fahrt wieder von Grund auf neu geplant werden müsse. «Es ist letztlich der Mix aus Genuss und Herausforderung, den ich am Ballonfahren so liebe», sagt Wälchli; und natürlich auch, dass er mit einer Ballonfahrt seine Passagiere glücklich machen könne. In etwa 15 Ländern ist der Rikner bereits Ballon gefahren. Nach wie vor ist er aber am liebsten in der Schweiz unterwegs. «Die Landschaft hier mit ihren wunderbaren Bergen, Tälern und Seen ist unvergleichlich schön», findet er.
Mit seinen neun Ballonen erregt Wälchli viel Aufsehen. «Insbesondere mit dem wohl bekanntesten Ballon der Schweiz – dem Handy-Ballon», sagt er und schmunzelt. Dieser macht in der Form einer Flasche Werbung für das bekannte Spülmittel. «Es ist ein Ballon, der herausfordernd zu fahren ist», sagt Wälchli, weil dieser aufgrund der schlanken Form und der Höhe von knapp 40 Metern zum Schwanken neige und auch schneller auskühle als ein runder Ballon.
Am 1. August 2022 brachte er sogar eine Kuh zum Fliegen, seinen Selbstbau-Ballon «HB-QUU Blüemli». Zusammen mit seinem Ballonfahrerfreund Benjamin Senn realisierte er diesen Traum in rund 600-stündiger Arbeit, wobei 3600 Einzelteile mit 32 Kilometer Faden zusammengenäht wurden, so dass schliesslich die Kuh Blüemli entstand. Sie ist dem Maskottchen nachgebildet, welches Wälchli auf all seinen Fahrten begleitet und das ihm einst einer seiner Söhne geschenkt hat. Als Gedankenstütze, seine Entscheidungen immer so zu fällen, dass er gesund nach Hause zurückkehre. Mit guter Wirkung – denn Wälchli hat bisher nie einen gravierenden Unfall gehabt. «Vielleicht mal einen Schaden an der Hülle oder mal ein umgekippter Korb, aber das gehört halt dazu.»
Auf 1828 Fahrten erlebte er viele Highlights
Bei 1828 Fahrten ist es natürlich schwierig, die allerschönsten Fahrten herauszupicken. Wälchli überlegt einige Zeit und sagt schliesslich: «Die Alpenüberquerungen, die mich von der Schweiz aus bis nach Italien geführt haben, gehören sicher dazu.» Und dann erwähnt er auch die 15-stündige Nonstop-Fahrt, die bei Sonnenuntergang am Murtensee startete und am nächsten Morgen bei München zu Ende ging. «Das war ein gewaltiges Erlebnis, in aller Ruhe durch die Nacht zu fahren und doch überall Lichter zu sehen», schwärmt er. All das sei natürlich nur möglich dank einer liebevollen und verständnisvollen Frau, die das aufwendige Hobby mitträgt, sowie eines treuen Teams, das Wälchli überallhin begleitet, beim Aufstellen des Ballons mithilft und ihn am Landeort wieder abholt. Die Freunde teilen die Leidenschaft und zusammen erleben sie viele Abenteuer, sehen viel von der Welt und haben eine gute Zeit.