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«Der Schächer am Kreuz»

Gedanken zu Karfreitag von Pfarrer Matthias Schüürmann aus Reitnau.

Der Name „Karfreitag“ kommt vom althochdeutschen „kara“ = Trauer, Wehklage; so wird der Tag bei uns oft als etwas Ernsthaftes und Bedrückendes wahrgenommen. Doch in anderen Sprachen hat dieser Freitag einen fröhlicheren Klang: Im Holländischen: „Goede Vrijdag“, im Englischen: „Good Friday“ = der gute Freitag. Ja, es ist ein guter Freitag, weil Jesus Christus da die Erlösung vollbrachte, als er sein Leben für uns am Kreuz gab. Deshalb dürfen wir ewiges Leben haben!

Eine bekannte biblische Gestalt vom Karfreitagsgeschehen ist der „Schächer am Kreuz“, der neben Jesus hingerichtet wurde (Lukas 23, 32-43). Seine letzten Worte wurden berühmt: „Herr, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst!»

Die letzten Worte vor dem Sterben – das wird beachtet! Alexander der Grosse soll gesagt haben: «Es gibt keine anderen Welten mehr zu erobern!» J.W.Goethe starb mit den Worten: „Mehr Licht, mehr Licht!“  William Carey sagte: „Wenn ich gegangen bin, dann redet weniger von William Carey, aber mehr vom Heiland von William Carey.“ Dietrich Bonnhoeffer’s letzte Worte: «Das ist das Ende. Für mich der Beginn des Lebens.» Jesus Christus, dessen Sterben am Kreuz im Mittelpunkt von Karfreitag steht, starb mit den Worten: „Es ist vollbracht!“ Die letzten Worte, die von Jesus zum Schächer gesprochen wurden, waren: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“

Wir wissen nicht viel über die beiden „Schächer am Kreuz“ (wie sie in der Lutherbibel genannt werden), die neben Jesus gekreuzigt wurden. Welche Missetaten sie begangen haben, ist nicht bekannt. Das griechische Wort legt nahe, dass sie Raubmörder waren. Nun hängen sie links und rechts neben Jesus, so dicht, dass sie mit ihm und miteinander kommunizieren können. Die Kreuzigung war ein äusserst brutaler Vorgang und wurde von den Römern als Abschreckung gegen Terroristen eingesetzt: Grosse Nägel wurden durch die Handgelenke gehämmert, beide Knie seitwärts gedrückt und beide Fussgelenke mit einem grossen Nagel ans Holz gehämmert. Der Kreuzigungstod war ein Erstickungstod, weil die Gehängten am Schluss keine Luft mehr holen konnten. Solange sie sich mit den Füssen nach oben drücken konnten, solange dauerte der Todeskampf… Um diesen Todeskampf zu verkürzen (im Falle des beginnenden Sabbats) wurden den Gekreuzigten die Beine gebro-chen, damit sie sich nicht mehr nach oben drücken konnten… Wahrlich, ein grauenhafter, qualvoller Tod.

ist Pfarrer bei der reformierten Kirchgemeinde Reitnau-Attelwil-Wiliberg
Bild: zvg

Das war keine Plauderstunde, die diese drei Gekreuzigten dort auf der Schädelstätte Golgatha (nahe bei Jerusalem) zusammen hatten, sondern Zeit der höchsten Agonie: Jedes Wort zum Reden brauchte ungeheure Kraftanstrengung. Aber wie unterschiedlich reagieren die zwei Verbrecher auf den mit ihnen zusammen leidenden Jesus. Der eine Missetäter spottet über Jesus, der andere bittet um Jesu Erbarmen. Er hat erkannt, dass Jesus göttliche Autorität hat. Jesus hatte gesagt: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun…! In seinem Todeskampf findet Jesus Kraft, um sich um diesen einzelnen Menschen zu küm-mern: Wahrlich ich sage Dir: Heute wirst Du mit mir im Paradies sein! Welch eine Zusage! Dieser Missetäter bekommt am Ende seines dunklen Lebens die Verheissung des ewigen Lebens! Der dunkelste Moment am Kreuz darf für ihn zum hellsten Licht in seinem Leben werden. Er darf bei Jesus die ewige Rettung finden!

Richard, ein junger Mann, ein Schächer von heute, hatte in seiner Jugendzeit viel Mist gebaut: Gelogen, gestohlen, im Alkoholrausch seine Mutter geschlagen, aus Rebellion die Scheune angezündet… Die Eltern waren schier verzweifelt, und warnten ihn, dass er so noch im Gefängnis landen würde. Und tatsächlich kam es so: Bei einer Schlägerei in einer Bar traktierte Richard, vom Alkohol benebelt, einen Gegner so schwer, dass dieser das Augenlicht verlor. Er landete für 6 Jahre im Gefängnis. In dieser Zeit hatte er viel Zeit, über sein verpfuschtes Leben nachzudenken. Er kehrte in sich und bat Gott um Vergebung. Er wollte sein Leben ordnen. Er bat den Mann, der blind geworden war, um Vergebung. Seinen Eltern konnte er aus Scham jedoch nichts sagen. Kurz vor seiner Entlassung aus dem Gefängnis schrieb er ihnen einen Brief, und bat sie um Vergebung für seine Rebellion und Gemeinheit. Er würde verstehen, wenn sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten. Falls er aber doch zu ihnen nach Hause zurückkehren durfte, so sollten sie einen weissen Streifen am Baum vor dem Hause hängen als Zeichen: Du darfst nach Hause kommen! Du bist willkommen! Aus dem Bus würde er sehen, ob der Streifen hing, und sonst würde er weiterfahren. Der Tag seiner Entlassung kam, und mit Herzklopfen wartete er, bis der Bus an seinem elterlichen Haus vorbeikommen würde. Würde er wieder nach Hause dürfen und nochmals neu beginnen?! Als sie in die Strasse kamen, sah man bereits von weitem nicht nur einen weissen Streifen, sondern einen ganzen weissen Baum, der mit Bettlaken voll gehängt war: Das war für Richard ein deutliches Zeichen: Meine Eltern haben mir vergeben – ich darf nach Hause kommen!

Nicht immer haben wir den Mut, auch vor Menschen zu unserer Verfehlung zu stehen und um Vergebung zu bitten. Aber wenn Gott uns freispricht, was haben wir dann noch zu befürchten?!