Der weite Weg zu einem Friedensgipfel: China lässt Cassis hängen
Die Ankündigung liess aufhorchen: Im Beisein des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski gab Bundespräsidentin Viola Amherd Anfang Januar bekannt, die Schweiz sei bereit, einen hochkarätigen Friedensgipfel zu organisieren. Seither laufen die diplomatischen Drähte heiss. An vorderster Front weibelt Aussenminister Ignazio Cassis bei anderen Staaten für eine Teilnahme an der geplanten Ukraine-Konferenz.
Diese Woche möchte Cassis gleich vier Länder ins Boot holen. Auf seiner Asienreise besucht er Indien, China, Südkorea und die Philippinen. Der Bundesrat ist unter Zugzwang. Die bisherigen Bemühungen für einen breit abgestützten Gipfel sind im Sand verlaufen. Abgesagt hat bereits Russland – auch weil das Land die Schweiz nicht mehr als neutral betrachtet. Sie würde nur die ukrainische Position in Betracht ziehen. Und selbst bei wohlgesinnten Staaten ist die Skepsis gross. Es besteht die Gefahr, dass am Gipfel nur Alliierte der Ukraine teilnehmen.
Vor diesem Hintergrund war die viertägige Asien-Reise mit Spannung erwartet worden. Am Mittwoch folgte die Ernüchterung. Cassis’ chinesischer Amtskollege Wang Yi und der Vizepräsident Han Zheng liessen sich keine Antwort entlocken, ob ihre Regierung am Gipfel teilnehmen werde. China habe sich offen gezeigt, eine Friedenslösung in der Ukraine zu unterstützen, sagte Cassis vor den Medien in Peking. Dafür müsse jedoch Russland zwingend am Tisch sitzen.
Genau das war eigentlich die Absicht gewesen: Macht China mit, könnte auch Russland eher zu einer Teilnahme bereit sein. In der Ukraine-Frage kommt dem Milliardenreich eine Schlüsselrolle zu. Das Land pflegt enge Kontakte zu Russland. So bezeichnet Chinas Präsident Xi Jinping Wladimir Putin als «alten Freund». Auch hat die Grossmacht bei den Ländern des globalen Südens viel Einfluss. Ausdruck davon ist, dass China die dominierende Macht innerhalb der Brics-Staaten ist, zu der Brasilien, Russland, Indien und Südafrika zählen.
Es ist nicht der erste Dämpfer im Friedensprozess. Im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos hatten Diplomaten Anfang Januar auf ein Treffen des ukrainischen Präsidenten mit Chinas Premier Li Qiang hingearbeitet – vergeblich. Damals erklärte Selenski vor den Medien, die Ukraine wolle China einbeziehen, weil es eine wichtige Rolle in der Welt spiele.
Mit leeren Händen war Cassis auch von der ersten Station abgereist. In der indischen Hauptstadt Neu-Delhi hatte er am Montag seinen Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar zu einem Arbeitsbesuch getroffen. Auch Indien habe Offenheit signalisiert für einen Friedensprozess, sagte Cassis vor den Medien in Peking. Doch bei diesem vagen Versprechen blieb es.
Trotz dieser Rückschläge gab sich Cassis kämpferisch. Wer den Anfang nicht wage, komme nie ans Ziel. Auf Nachfrage erklärte er, es sei noch zu früh, um einen Termin für den Gipfel zu nennen. Das hatte die Schweiz von Beginn an vermieden. Es bleibt also etwas Zeit. Klar ist indes: Je länger sich die Vorbereitungen hinziehen, desto unrealistischer wird ein Friedensgipfel unter Einbezug beider Seiten.