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Die Ukrainer wollen Panzer – und Steinmeier verspricht ihnen Städtepartnerschaften 

Am Wochenanfang hat der deutsche Bundespräsident Kiew besucht, am Ende hält er eine Grundsatzrede zum Ukrainekrieg, in der er nochmals seine Fehler der Vergangenheit bedauert. Doch Kampfpanzer liefert Deutschland weiterhin nicht.

Das politische Berlin durchlebte eine ruhige Woche, doch für den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier dürfte es eine der Aufregenderen seiner Amtszeit gewesen sein: Zunächst, am Dienstag reiste er nach Kiew, wo er den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski traf; im Städtchen Korjukiwka, das noch vor kurzem russisch besetzt war, musste er in einen Luftschutzbunker ausweichen.

Damit schaffte es Steinmeier im dritten Anlauf endlich in die Ukraine: Vor einem halben Jahr hatte sich Kiew einen Besuch des deutschen Bundespräsidenten verbeten; seine russlandfreundliche Politik als Kanzleramtsminister unter Gerhard Schröder (1999 bis 2005) und als Aussenminister unter Angela Merkel (2013 bis 2017),hatte ihn in Kiew zeitweise zur unerwünschten Person gemacht.

Letzte Woche hatte er selbst eine geplante Visite wegen Sicherheitsbedenken abgesagt, was ihm auch deshalb Kritik eintrug,weil der Schweizer Bundespräsident Ignazio Cassis am selben Tag in die ukrainische Hauptstadt reiste.

Seine öffentliche Gewissenserforschung ist auch die seines Landes

Steinmeier ist der Letzte aus dem engeren Umfeld Schröders, der noch ein hohes Amt innehat. Vereinzelt wurde seit dem russischen Einmarsch sogar sein Rücktritt gefordert, und wer ihn bei seinen Auftritten der letzten Wochen und Monate beobachtete, konnte manchmal fast meinen, hier habe einer ein Kreuz zu tragen.

So verkörpert der Bundespräsident wie kein Zweiter die Osteuropa-Politik seines Landes, mit all ihren Fehlern und mehr oder weniger zaghaften Versuchen, es nun doch noch richtig zu machen. Steinmeiers öffentliche Gewissenserforschung, die er seit dem russischen Überfall betreibt, ist auch jene der Bundesrepublik.

Beim dritten Anlauf kamen sie zusammen: die Präsidenten Steinmeier und Selenski am Dienstag in Kiew. 
Sergey Dolzhenko / EPA

Die Frage, ob die praktischen Konsequenzen, die Deutschland aus seinen Fehlern zieht, ausreichend sind, ist allerdings weiterhin umstritten. Dabei steht vor allem die Frage der Waffenlieferungen im Mittelpunkt: Deutsche Panzerfäuste, Flugabwehrraketen oder Panzerhaubitzen werden mittlerweile an die Ukraine geliefert; schweres Gerät wie der Schützenpanzer Marder oder der Kampfpanzer Leopard 2 nach wie vor nicht.

Auch Steinmeier mochte in dieser Hinsicht nichts versprechen; dass er den Einwohnern von Korjukiwka stattdessen das Angebot einer Städtepartnerschaft aus dem Schwarzwaldort Waldkirch überbrachte, wirkte vor diesem Hintergrund zwar rührend, aber auch ein wenig naiv.

Auch andere Nato-Länder lieferten keine Kampfpanzer, rechtfertigt sich Berlin, während die Ukrainer erklären, bei der Rückeroberung russisch besetzter Gebiete wären diese beiden Panzertypen besonders hilfreich. Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard kann Deutschland derzeit nicht exportieren, weil die Schweiz als Herstellerland dies nicht zulässt.Dieser Tage scheint wieder Bewegung in die Angelegenheit zu kommen.

Für Steinmeier hielt die Woche noch eine weitere Bewährungsprobe bereit: Am Freitag äusserte er sich in seinem Berliner Amtssitz zum Ukrainekrieg und dessen Auswirkungen. Eine «grosse Rede» erwarteten deutsche Kommentatoren von ihm, vielleicht dachten sie dabei auch an eine Art Befreiungsschlag. Doch Steinmeier ist kein grosser Redner; im kollektiven Gedächtnis hinterliess bisher keine seiner Ansprachen Spuren.

Wieder einmal war er reichlich spät dran

Daran vermochte er wohl auch dieses Mal nichts zu ändern. Von «der tiefsten Krise seit der Wiedervereinigung» und einem «Epochenbruch» redete Steinmeier und von «härteren, rauen Jahren». Dies hatten auch andere schon so ähnlich gesagt, sodass man sich fragen konnte, ob der Bundespräsident nicht schon wieder reichlich spät dran war.

Insgesamt war es eine Ansprache, die mehr von den Sorgen und Nöten der Deutschen handelte als vom Leid der Ukrainer. Steinmeier beschwor den gesellschaftlichen Zusammenhalt, er redete von der «Gaspreisbremse» und von den Opfern, die alle nun bringen müssten.

Wie aus der Zeit gefallen wirkte er, als er sagte, «niemand, auch kein Bundespräsident», könne «in dieser zutiefst unsicheren Zeit alle Sorgen nehmen». Das Staatsoberhaupt, das dem Volk Orientierung gibt – mit einem solch altväterlichen Amtsverständnis dürfte Steinmeier auch im obrigkeitsgläubigen Deutschland zunehmend einsam dastehen. Daran, dass viele Bürger von einem Bundespräsidenten weniger erwarten als auch schon, ist er wohl selbst nicht ganz unschuldig.