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Gezerre ums Misstrauensvotum: Wieso es Kanzler Scholz schon diese Woche an den Kragen gehen könnte

Nach dem Aus der Ampel-Regierung ist in Berlin Feuer unter dem Dach. Die drängendste Frage lautet: Wann kommen die Neuwahlen? Dass die Opposition diese schnellstmöglich will, ist nur die halbe Wahrheit.

Wie geht es nun nach dem Aus der Ampel in Deutschland weiter? Die wenigsten wissen das im Moment. Immerhin, der von Kanzler Olaf Scholz gefeuerte Finanzminister Christian Lindner (FDP) und seine Frau Franca Lehfeldt haben ein neues Jobangebot. Sie sollen ins Trash-TV, ins «Sommerhaus der Stars» von RTL. «Im Sommerhaus ist immer ein Platz für euch frei. Bei uns steht die Ampel immer auf grün», heisst es auf der Instagram-Seite der Show.

Annehmen wird Lindner das Angebot wohl nicht. Denn das ist nur einer der zahlreichen Kalauer, die nach dem Ende der Koalition durchs Netz schwirren – ganz im Stile von: «Wenn eine Ampel ausfällt, gilt Rechtsvortritt» und «Lindner ist Deutschlands frechster Arbeitsloser».

Im Raum steht noch eine weitere, politisch weit ernsthaftere Offerte, und zwar diejenige von CDU-Chef Friedrich Merz an Kanzler Scholz. Die Union könne sich durchaus vorstellen, die rot-grüne Minderheitsregierung bei einigen Gesetzesvorhaben zu unterstützen.

So will Scholz noch vor den fälligen Neuwahlen den von Linder und ihm versprochenen Ausgleich der kalten Progression, die Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus oder die Umsetzung des gemeinsamen Europäischen Asylsystems vom Bundestag beschliessen lassen.

Scholz zeigt sich gesprächsbereit, aber ohne konkrete Aussage

«Darüber können wir sprechen, sobald Olaf Scholz im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage gestellt hat», sagt Merz in einem Interview mit dem «Stern». Er hat auch schon einen konkreten Terminvorschlag für Scholz: «Seine Regierungserklärung am Mittwoch wäre dafür eine gute Gelegenheit.» Scholz wird sich am Mittwoch erstmals nach dem Ampel-Aus im Bundestag äussern; danach sind zwei Stunden Aussprache angesetzt.

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder reist extra aus München an, um auch im Bundestag Gehör zu finden. Als Mitglied des Bunderats hat er das Recht, dort zu sprechen. Scholz hat zunächst den 15. Januar 2025 als Termin für die Vertrauensfrage im Bundestag angekündigt, Neuwahlen würden dann im März stattfinden.

Doch er wird von Union, FDP, AfD, Linken und dem Bündnis von Sahra Wagenknecht (BSW) gedrängt, die entscheidende Frage früher zu stellen. Zwar hat sich Scholz am Rande des EU-Gipfels in Budapest gesprächsbereit gezeigt. Konkrete Aussagen hat er aber noch keine gemacht.

Nur noch die Grünen, für die Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck als Kanzlerkandidat ins Rennen steigen wird, waren bisher auf seiner Seite. Doch nun sagt deren scheidender Parteichef Omid Nouripour: «Wir Grünen könnten auch gut mit einem früheren Termin leben. Wir haben unsere Arbeit gemacht, sind auf alles vorbereitet.»

Warnungen vor zu frühem Wahltermin

Merz hätte natürlich auch die Möglichkeit, mit einem konstruktiven Misstrauensvotum im Bundestag Olaf Scholz sofort zu stürzen. Ein solches war 1982 im Spiel: Damals lief die FDP, die mit der SPD in einer sozialliberalen Koalition unter Führung von Helmut Schmidt sass, zu CDU-Mann Helmut Kohl über, dieser wurde Kanzler.

Allerdings bräuchte Merz, um Erfolg zu haben, nebst Stimmen der Grünen und Liberalen, auch noch jene der AfD. Und auf diese will er nicht angewiesen sein, das hat er klargemacht. Ausserdem: Selbst wenn Scholz stürzen würde, eine stabile Mehrheit zum Regieren hätte «Kanzler Merz» ebenso wenig wie jetzt der SPD-Regierungschef.

Warnungen vor einem frühen Wahltermin kommen von Bundeswahlleiterin Ruth Brand. Sie sagt, es sei «eine grosse Herausforderung in der heutigen Zeit, wirklich das Papier zu beschaffen und die Druckaufträge durchzuführen» – womit sie die Union auf die Palme brachte. Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, betonte, Scholz müsse es unterlassen, «Behördenleiter für parteipolitische Spielchen zu instrumentalisieren».

Auch die deutsche Papierindustrie mischte sich ein. «Wir haben Papier, die deutsche Papierindustrie ist leistungsfähig», betonte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes «Die Papierindustrie», Alexander von Reibnitz im ZDF. Auf die Frage, ob rechtzeitig geliefert werden könne, sagte er: «Klare Antwort: Ja.»

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