Der grüne Friedrich: Wie CDU-Chef Merz zur neuen Merkel wird
Wäre Deutschland Amerika, würde die Karriere des Friedrich Merz womöglich irgendwann zum Filmstoff werden: Ein Mann wird abserviert, ja gedemütigt; zwei Jahrzehnte geht er durch die Wüste, um schliesslich sein Land zu retten. In höchster Not besinnt man sich auf den Alten, so wie einst auf Winston Churchill oder Konrad Adenauer.
So oder ähnlich dürften es – überspitzt ausgedrückt – Merz’ Anhänger sehen. Die Hoffnung, die sie in ihn setzten, und die ihm 2022 die Wahl zum Chef der deutschen Christdemokraten ermöglichte, beruhte darauf, dass er das personifizierte Gegenteil der Langzeit-Kanzlerin Angela Merkel zu sein schien: ein prinzipienfester Konservativer.
Dass dieses Bild nie einem Realitätstest unterzogen wurde, weil Merz sich während der Merkel-Jahre auf die Rolle eines Geschäftsmannes zurückgezogen hatte, machte den Mythos umso wirkmächtiger: Der Entscheid zwischen Prinzipientreue und Parteidisziplin blieb Merz erspart.
Seit die Unionsparteien ihn zum Kanzlerkandidaten gekürt haben, hat die Realpolitik den 69-Jährigen eingeholt. Will Merz die Macht erringen, wird er Koalitionspartner brauchen. Die AfD fällt dabei aufgrund geltender politischer Tabus aus.Die FDP könnte pulverisiert werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Union mit eher linken Partnern zusammentun muss, ist also gross.
Dieser Realität scheint Merz sich bereits jetzt anpassen zu wollen: Hatte er die Grünen nach seiner Wahl zum CDU-Chef noch zum «Hauptgegner» erklärt, sagt er nun, er könne sich deren Kanzlerkandidaten Robert Habeck weiterhin als Wirtschaftsminister vorstellen.
Auch sonst scheint Merz darauf bedacht zu sein, ja nicht mehr anzuecken: Dass er männliche Jugendliche mit arabischem Migrationshintergrund «kleine Paschas» nennen würde, wie er es vor zwei Jahren tat, erscheint heute unvorstellbar. Und als der FDP-Chef Christian Lindner kürzlich Elon Musk und Javier Milei lobte, gab sich Merz «völlig entsetzt».
Wer von all dem überrascht ist, ist naiv: Dass Merz mit den Grünen koalieren wird, falls er sie als Mehrheitsbeschaffer braucht, müsste jedem klar sein, der nicht erst seit gestern politische Vorgänge beobachtet. Markus Söder, der bayrische Ministerpräsident und CSU-Chef, der Merz nun für seine Avancen an die Adresse der Grünen kritisiert, wäre mindestens so wendig, wenn er die Ökopartei brauchte.
Nun agiert Merz wie einer, der vor allem keine Fehler machen will. Seine Popularitätswerte sind rückläufig. Dass er Kanzler wird, ist nach wie vor wahrscheinlich, zu deutlich führt die Union. Doch eine konservative Heldengeschichte dürfte eine Merz-Kanzlerschaft nicht werden. So wird in Deutschland vieles bleiben, wie es ist. Eine gute Nachricht ist das nicht.