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Diabetes ist nicht nur Schicksal

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Beim Diabetes-Typ 2 steht die Eigenverantwortung an erster Stelle. Denn das Ausmass der Insulinresistenz ist vor allem durch das Körpergewicht bedingt.

Rund 500 000 Menschen in der Schweiz leiden an Diabetes, im Volksmund auch «Zuckerkrankheit» genannt – Tendenz steigend. Bei über 90 Prozent lautet die Diagnose Diabetes mellitus Typ 2, landläufig als «Altersdiabetes» bezeichnet. Auch wenn eine genetische Disposition nicht von der Hand zu weisen ist, für die Ausprägung der Krankheit sind die Betroffenen mitverantwortlich, betont Dr. med. Annic Baumgartner, Oberärztin für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus; Co-Leiterin Kompetenzzentrum Ernährung, Essstörung und Adipositas (KEEA) der KSA Gruppe.

Diabetes ist eine Störung des Blutzuckerstoffwechsels: Der Körper produziert zu wenig Insulin oder aber er produziert viel, kann es aber nicht effizient nutzen, um die Glukose aus dem Blut zu den Zellen zu transportieren. Die Folge: Der Blutzuckerspiegel ist permanent erhöht.

Das Kompetenzzentrum Ernährung, Essstörung und Adipositas (KEEA) der KSA Gruppe

Das KEEA ist ein umfassendes interdisziplinäres Kompetenzzentrum für alle gesundheitlichen Probleme, die mit der Ernährung zusammenhängen. Es wurde im Oktober 2022 gegründet und berät Personen mit Übergewicht, von der Ernährungsberatung bis hin zur Adipositas-Chirurgie, und begleitet Betroffene mit Essstörungen wie Magersucht und Bulimie. Im Bereich der Ernährungsmedizin gehen unsere Expertinnen und Experten auf Fehl- oder Mangelernährung ein.Das standortübergreifende KEEA vereint die exzellenten medizinischen Kompetenzen des Kantonsspitals Aarau und des Spitals Zofingen unter einem Dach. Dank der engen Zusammenarbeit von unterschiedlichen Fachbereichen erhalten Betroffene die auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmte Therapie.
Weitere Informationen sind erhältlich unter der Adresse ksa.ch/keea

Diabetes bleibt häufig unentdeckt

«Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen drei Formen von Diabetes», erklärt Annic Baumgartner. «Beim Typ 1, dem autoimmun bedingten Diabetes, produziert der Körper kein oder zu wenig Insulin, weil die entsprechenden Zellen der Bauchspeicheldrüse vom eigenen Immunsystem zerstört worden sind. Typ 2 liegt vor, wenn der Körper eine Insulinresistenz entwickelt hat und das Insulin nicht effektiv wirken kann – meist ausgelöst durch einen zu hohen Körperfettanteil.»

Und weiter: «Unter Typ 3 verstehen wir den sogenannten pankreatopriven Diabetes, bei dem die Funktion der Bauchspeicheldrüse beispielsweise durch eine Entzündung eingeschränkt ist oder das Bauchspeicheldrüse entfernt worden ist.»

Doch wie bemerkt man Diabetes? Die typischen Symptome sind starker Durst und übermässiges Wasserlassen, oft einhergehend mit Gewichtsverlust. Seltener sind Müdigkeit, Konzentrations- oder Sehstörungen die Leitsymptome.

Da die Symptome beim Diabetes-Typ 2 nicht immer ausgeprägt sind, bleibt die Krankheit oft jahrelang unentdeckt. Wer genetisch vorbelastet ist, sollte sich daher präventiv untersuchen lassen. Meist wird Diabetes über die Bestimmung des Langzeitblutzuckerwerts HbA1c diagnostiziert.

«Erkrankten Personen raten wir ausserdem, jährlich Augen, Nieren und Füsse kontrollieren zu lassen», so die Ärztin. Denn diese sind besonders von der diabetesbedingten Verkalkung der kleinen Gefässe (Atherosklerose) betroffen. Im schlimmsten Fall kann die Erkrankung eine Erblindung, eine Nierentransplantation oder eine Fussamputation zur Folge haben.

Sprechstunden und Beratung

Auf der Abteilung Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus am Kantonsspital Aar­au und Spital Zofingen bietet ein interdisziplinäres Team aus Ärztinnen und Ärzten, Diabetesberaterinnen und Ernährungsberatern eine umfassende Abklärung, Behandlung und Betreuung von Personen mit Diabetes an. In der Diabetes-Sprechstunde werden Ursachen und mögliche Therapieoptionen abgeklärt. Dies beinhaltet Typ 1 und Typ 2 Diabetes und andere Störungen der Insulinwirkung und des Blutzuckers.
Infos zur Diabetes-Sprechstunde 

Veränderung des Lebensstils reicht oft aus

Während bei der Behandlung der Diabetes-Typen 1 und 3 die Verabreichung von Insulin unabdingbar ist, steht beim Diabetes-Typ 2 die Eigenverantwortung an erster Stelle. Denn das Ausmass der Insulinresistenz ist vor allem durch das Körpergewicht bedingt.

«Diabetes ist nicht nur Schicksal», resümiert die Expertin. Das Ernährungs- und Bewegungsverhalten spiele eine entscheidende Rolle – sowohl präventiv als auch bei bereits erfolgter Diagnose. Die gute Nachricht: Betroffene können die Ausprägung der Krankheit positiv beeinflussen. Ein beachtlicher Teil aller Patientinnen und Patienten kommt dank eines kontrollierten Gewichts ohne medikamentöse Behandlung aus.

Die Ernährung sollte aus einer ausgewogenen, mediterranen Kost bestehen. Heisst: frische, unverarbeitete Lebensmittel, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreideprodukte mit hohem Faseranteil, hochwertige pflanzliche Fette und wenig Fleisch. Einfachen Kohlenhydraten sollten komplexe vorgezogen werden. Also lieber Vollkorn als Weissmehl. Generell seien Lebensmittel mit einem tiefen glykämischen Index besser – Lebensmittel also, die den Blutzuckerspiegel nicht zu sehr in die Höhe schnellen lassen. Auch bei Früchten sei daher Vorsicht geboten. «Gerade süsse, saftige Sorten wie Trauben oder Orangen erhöhen den Blutzuckerspiegel im Handumdrehen», gibt Annic Baumgartner zu bedenken. «Obst wird häufig zu viel Platz gegeben. Gemüse sollte klar dominieren.»

Alice Graf

«Wir betreuen deutlichmehr junge Patienten»

Dr. med. Annic Baumgartner, Oberärztin für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus; Co-Leiterin Kompetenzzentrum Ernährung, Essstörung und Adipositas (KEEA) der KSA Gruppe.
Bild: zvg

Frau Baumgartner, Diabetes hat auch eine genetische Komponente. Können Menschen mit einer genetischen Veranlagung durch einen entsprechenden Lebensstil den Ausbruch der Krankheit verhindern?

Auch bei Typ-2-Diabetesbetroffenen mit einer genetischen Veranlagung gibt es in jedem Fall Möglichkeiten, durch Veränderung des Ess- oder Bewegungsverhaltens den Schweregrad der Blutzuckerstörung massgeblich zu beeinflussen. Das könnte beispielsweise bedeuten, dass durch eine Gewichtsreduktion von zehn Prozent des Körpergewichtes eine Reduktion der Antidiabetika ermöglicht wird (Dosierung von Insulin oder Anzahl blutzuckersenkender Medikamente). Auch durch eine Reduktion der Kohlenhydratmengen pro Mahlzeit oder durch den Verzicht auf regelmässige kohlenhydratreiche Snacks oder Getränke kann die Anzahl der Medikamente oder die Insulindosierung positiv beeinflusst werden. Und nicht zuletzt verbessert Bewegung die Stoffwechselprozesse und die Blutzuckerkontrolle. Regelmässig Bewegung reduziert den Insulinbedarf massgeblich. Bei berufstätigen Diabetikerinnen und Diabetikern unter Insulintherapie wird beispielsweise an Tagen mit Büroarbeit deutlich mehr Insulin benötigt als an Tagen mit körperlicher Aktivität. Den gleichen Effekt hat je nach Intensität Gartenarbeit, Hausarbeit oder ein regelmässiger, rund 30-minütiger Spaziergang nach dem Essen.

Wie häufig sollen Menschen, die zu Diabetes tendieren, ihre Blutzuckerwerte überprüfen?

Bei einem entsprechenden Risikoprofil empfiehlt sich mindestens jährlich, beispielsweise im Rahmen eines hausärztlichen Checks, eine Bestimmung des Langzeitzuckers (HbA1c). Ansonsten sollte bei Auftreten von deutlich vermehrtem Durstgefühl und vermehrtem Wasserlassen gepaart mit einem Gewichtsverlust eine hausärztliche Vorstellung erfolgen.

Schon sehr junge Menschen erkranken an Diabetes. Stellen Sie hier eine zunehmende Tendenz fest?

Ja, wir betreuen deutlich mehr junge Patienten und Patientinnen mit Diabetes mellitus Typ 2. Dies ist insbesondere der Fall bei Patienten und Patientinnen mit deutlichem Übergewicht. Wir beobachten das aber auch bei Patienten mit Migrationshintergrund, beispielsweise aus afrikanischen Ländern. Die Veränderung der Lebensweise und des Essverhaltens haben bei diesen Menschen bereits bei geringerer Gewichtszunahme und für westliche Verhältnisse «normalem BMI» eine ungünstige Veränderung der Stoffwechselprozesse zur Folge und können zum frühen Auftreten von Diabetes mellitus Typ 2 führen. (zt)