Die EU sperrt russische Konten, Joe Biden knöpft sich die Oligarchen vor: So bestraft der Westen den Kremlchef
Hochumstritten war sie von Anfang an, doch die deutsche Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel weigerte sich beharrlich, die Gaspipeline Nord Stream 2 anzutasten. Mit dem Einmarsch russischer Truppen hat der Wind gedreht. Der neue Kanzler Olaf Scholz legte das Milliardenprojekt vorerst auf Eis. Auch die EU und die Vereinigten Staaten ziehen Konsequenzen aus der Aggression des Kremlchefs. Ein Überblick.
EU verhängt Einreiseverbote und sperrt russische Konten
Nach der Anerkennung der sogenannten «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk durch Russland und den russischen Einmarsch im Donbass hat die EU einstimmig und in Koordination mit den USA, Grossbritannien und Kanada Sanktionen beschlossen. «Unsere Massnahmen werden Russland schmerzen, und zwar fest», erklärte der Aussenbeauftragte Josep Borrell nach einem Sondertreffen der EU-Aussenminister in Paris.
27 russische Personen und Organisationen, welche in die völkerrechtwidrige Anerkennung der Separatistengebiete involviert waren, landen demnach auf der EU-Sanktionsliste. Sie werden mit Kontensperrungen und Einreiseverboten in die EU belegt. Dazu gehören russische Entscheidungsträger. Aber auch Banken, die mit dem russischen Militär verbandelt sind. Ebenfalls bestraft werden die 351 Mitglieder der russischen Nationalversammlung, die für den Anerkennungsbeschluss gestimmt haben. Präsident Wladimir Putin selbst gehört bislang nicht zu den Sanktionierten.
Wie nach der Krim-Annexion 2014 verbietet die EU europäischen Unternehmen sämtlichen Handel und Geschäftstätigkeiten in den Regionen Donezk und Luhansk. Ausserdem schränkt die EU Russlands Zugang zu den europäischen Finanzmärkten ein und begrenzt den Handel mit russischen Staatsanleihen. «Wir werden es Russland so schwer wir irgendwie möglich machen, seine aggressive Politik fortzuführen», sagte EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen.
Mit den jetzt beschlossenen Massnahmen packt die EU noch nicht die ganz grosse Sanktions-Keule aus, mit der sie in den vergangenen Wochen stets gedroht hat. Der Grund ist, dass man noch etwas an «Munition» aufsparen will, falls Präsident Wladimir Putin die Situation weiter eskaliert und in andere Teile der Ukraine einmarschiert. Dass das geschehen könnte, darüber macht man sich keine Illusionen: «Wir fürchten, dass es noch nicht zu Ende ist», so der Aussenbeauftragte Borrell. Für diesen Fall habe man die Möglichkeit, den Sanktionsdruck schnell zu erhöhen. Von der Leyen: «Die Europäische Union steht geschlossen und sie ist vorbereitet, zügig zu handeln».
Washington will Russland vom Kapitalmarkt abschneiden
In den Augen von Joe Biden gibt es «keine Rechtfertigung» für die Entscheidung, die sein russischer Amtskollege am Montag getroffen hatte. Was sich im Osten der Ukraine abspiele, sagte der amerikanische Präsident am Dienstag im Weissen Haus, sei «der Beginn der russischen Invasion». Und weil Wladimir Putin mit diesem Schritt klar gegen internationales Recht verstosse, mache er seine Drohung wahr und verhänge in Absprache mit den westlichen Alliierten «eine erste Tranche» von Sanktionen.
Betroffen von diesen ersten Massnahmen sind die staatliche Bank für Aussenwirtschaft (VEB) und das Finanzinstitut der Streitkräfte. Auch will die Regierung Biden den russischen Staat vom Kapitalmarkt abschneiden; dies soll verhindern, dass der Kreml neues Geld für die Finanzierung des Staatshaushaltes aufnehmen kann. Und schliesslich kündigte der amerikanische Präsident an, russische Oligarchen und ihre Familien zu bestrafen. Er nannte allerdings keine Namen.
Biden deutete an, dass er mit einem anhaltend aggressiven Vorgehen Putins rechne. Er reagierte sichtlich aufgebracht auf diese Provokation und sagte: «Was in Gottes Namen» gebe Putin das Recht, sich einfach über internationales Recht hinwegzusetzen. Biden sagte, er habe angeordnet, bereits in Europa stationierte amerikanische Truppen ins Baltikum zu verlegen. Dieser Schritt sei «defensiv», so der US-Präsident, aber ein weiterer Beleg dafür, dass Amerika bereit sei, das Territorium der Nato-Verbündeten zu verteidigen.
Deutscher Kanzler Scholz stoppt Nord Stream 2
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat das Genehmigungsverfahren für die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 gestoppt. Vorerst wird Deutschland die Pipeline nicht zertifizieren. «Und ohne diese Zertifizierung kann Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen», sagte Scholz. Der Kanzler hat das unter Leitung von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) stehende Bundeswirtschaftsministerium gebeten, die nötigen Schritte einzuleiten. Die Bundesregierung sieht die Versorgungssicherheit mit russischem Erdgas durch die neue Situation nicht mehr gegeben, die Sanktion gegen Nord Stream 2 soll zudem Putin empfindlich treffen.
In der Tat ist die Pipeline ein wichtiges Projekt für den Machthaber im Kreml. Nord Stream 2 sollte 55 Milliarden Kubikmeter russisches Gas pro Jahr an die deutsche Ostseeküste bei Lubmin liefern, parallel zu der bereits bestehenden Gas-Pipeline Nord Stream 1, die eine gleich hohe Kapazität hat. Das Gas sollte von der Küste bei St. Petersburg durch die bereits im Meeresboden verlegten 1200 Kilometer Rohre nach Deutschland und von dort weiter in die europäischen Staaten fliessen.