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«Die kurioseste Regierung, die Deutschland je besass»

1930er-Jahre: Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler deutscher Reichskanzler – das ZT berichtet eher kritisch und warnt zugleich vor Hitlers Machtgier.

«Hitler als Reichskanzler.» Mit diesen schlichten Worten betitelte das Zofinger Tagblatt am 31. Januar 1933 die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland. Im Artikel ist von der «kuriosesten Regierung, die Deutschland je besass» die Rede; aber auch, dass Hitler nun die Kanzlerschaft erhalte, nach der «er schon lange strebte». Nationalsozialisten, Deutschnationale und Stahlhelmer, alle dem rechten Parteienspektrum zuzuordnen, bildeten die neue Regierung, «die das ‹dritte Reich› aufrichten will», schrieb das ZT weiter. Der Redaktor steht Hitlers Machtübernahme eher kritisch gegenüber: «Der Chef der Regierung […] steht vor einer sehr schweren Aufgabe. Er wird gerade das lernen müssen, was er bisher am wenigsten kann: sich mit anderen vertragen und auf den Glauben an die Notwendigkeit seiner Alleinherrschaft zu verzichten.»

Dieser Text stammt aus der Sonderbeilage «150 Jahre Zofinger Tagblatt» vom 1. Februar 2023, in der jeweils ein Ereignis aus jedem Jahrzehnt seit der ersten Ausgabe des ZT vertieft betrachtet wird.

Es gebe auch noch besonnene Mitglieder dieser Regierung, nämlich den neuen Reichswehrminister; dieser General von Blomberg ist «ein Mann, der nicht beabsichtigt, Hitler oder [Vizekanzler] von Papen die Alleinherrschaft in die Hände zu spielen», schrieb das ZT. Dann wird der Redaktor mutiger, sieht die Demokratie in Deutschland in Gefahr: «Es wird für Republikaner in Deutschland nötig sein, […] die Grundelemente der Demokratie […] mit allen erdenklichen Mitteln gegen diese Regierung zu verteidigen.»

Das ZT fragte sich, ob mit der Machtübernahme die «revolutionäre Periode der Nationalsozialisten abgeschlossen sei». Die Partei sei ja auf «parlamentarischem Wege zur Beteiligung an der Reichsregierung gelangt» und deren Minister seien nun «auf die (von ihnen bisher so scharf bekämpfte) Reichsverfassung, die Weimarer, vom Reichspräsidenten vereidigt worden». Die Antwort auf die Frage gibt der Redaktor gleich selber: «Wir wissen es nicht.» Positiv findet er noch, dass eine reine Hitler-Regierung vermieden worden sei.

Doch der Machtwille Hitlers wurde massiv unterschätzt. Bereits am 1. Februar löste er den Reichstag auf und rief Neuwahlen für den 5. März aus; dies mit dem Ziel, das absolute Mehr im Parlament zu erhalten und damit die verhasste Weimarer Republik zu zerstören. Das ZT titelte am Tag nach den Wahlen (6. März): «Hitler am Ziel.»