Die mit dem Wolf tanzen: 20 Kunstschaffende haben sich auf die Fährte von Caspar Wolf begeben
Wer war eigentlich Caspar Wolf? In welcher Schweiz hat er gelebt? In einer anderen als sie es heute ist, das jedenfalls wird durch das Ausstellungs- und Forschungsprojekt Grand Tour Caspar Wolf offensichtlich. Die Gletscherzungen, wie der Frühromantiker Wolf sie malte, sind kleiner geworden oder fast ganz verschwunden. Die Bergseen, in seinen Gemälden noch kleine Flecken, sind heute von hohen Mauern zu grossen Gewässern aufgestaut.
Rund 20 Künstlerinnen und Künstler haben sich während zwei Jahren auf die Fährten von Caspar Wolf (1735–1783) begeben – zum Teil ganz wörtlich verstanden. Wolf, im Selbstporträt mit keck befiedertem Hut unterwegs, trug, ja schleppte seine Leinwände und sein Malwerkzeug hoch ins Berner Oberland. Er malte «plein air», liess sich also als Freilichtmaler mitten in den imposanten Panoramen nieder, die er festhalten wollte: Die zerklüfteten Klippen, Felsen, Schluchten und Höhlen. Als einer der ersten Romantiker hinterlässt er uns kein Dokumentarstück der Schweiz, sondern den ergriffenen Eindruck einer majestätischen Landschaft, der wir inzwischen schamlos und unwiderruflich auf den Leib gerückt sind.
20 Kunstschaffende spiegeln Caspar Wolf
An dieselben Orte haben sich nun einige der beteiligten Kunstschaffenden begeben, haben versucht dieselbe Perspektive, denselben Ausschnitt zu wählen – um dennoch etwas ganz Eigenes daraus zu machen. Die Publikation zur Ausstellung «Grand Tour Caspar Wolf» stellt die Bildpaare gegenüber. Hier Caspar Wolfs Teufelsbrücke (Pontis diaboli, 1785), dort ein Foto des Zürcher Künstlers Georg Aerni, wo inzwischen zwei Brücken über das Tal führen. Wo Wolf einst noch den scheinbar ewigen Rhonegletscher vorfand (1778), lässt die Aargauer Künstlerin Andrina Jörg 250 Jahre später futuristische Blumen – «Wolfsgewächse» – aus einer sumpfigen Landschaft wachsen. Und die Aareschlucht, von Wolf 1785 in Öl gemalt, wird bei Brigitt Bürgi zur medialen Installation.
Der Zeigefinger bleibt zum Glück unten
Die Arbeiten sind eine Einladung, durch die Kunst über die Natur und das, was der Mensch in ihr und mit ihr macht, nachzudenken. Sie sind keine Lehrstücke und keine Mahnungen, eher forschende Erkundungen. In der Publikation zur Ausstellung geben kurze Essays Denkanstösse zur Caspar Wolf’schen Geschichte, zu Naturbilder und zum Gleichgewicht der Umwelt. Auch ohne den erhobenem Zeigefinger wird in dieser Zusammenstellung die Dringlichkeit deutlich, hinzusehen und eben: «sichtbar zu machen», wie Peter Fischer, Kurator des Projekts, die Devise von Paul Klee zitiert.
Die Ausstellung selbst läuft nur noch kurze Zeit, die Ergebnisse des zweijährigen Projekts bleiben in gedruckter Form und auf einer digitalen Plattform darüber hinaus erhalten.