Die schlechte Nachricht: Sie gehen. Die gute Nachricht: Die «Linde» bleibt.
Bernadette Kuhn Orlando und ihr Mann Matteo sitzen an einem der Tische in ihrem Landgasthof in Mühlethal und blicken einander an. «Ja, die ‹Linde› – sie war unsere Stube und unser Leben», sagt sie. Er nickt zustimmend.
Am 28. September ist für die beiden Schluss. Nach fast 29 Jahren. In der «Linde» geht damit eine Ära zu Ende. Unzählige Gäste werden das Wirtepaar vermissen – und das Paar die Gäste.
Zu Ende geht auch eine Familientradition, die am 29. Juli 1949 ihren Anfang nahm. An diesem Sommertag zog die Familie Kuhn-Stöckli nach Mühlethal, um in der «Linde» einzuziehen, die sie gekauft hatte. Gut 20 Jahre später, am 1. Oktober 1970, übernahmen Josef und Anna Kuhn-Schenker das beliebte Ausflugsrestaurant. Nach einem weiteren Vierteljahrhundert – Anfang Januar 1996 – kam mit der jüngsten Tochter Bernadette Kuhn Orlando und Matteo Orlando die dritte Generation ans Ruder.
Die 140 Aussenplätze sind begehrt
Die beiden haben der «Linde» seither zu ihrem Ruf verholfen, den diese weit über die Region hinaus geniesst. «Wir haben immer etwas gemacht und sind nie stehengeblieben», sagt Bernadette Kuhn im Gespräch mit dem ZT. Zuletzt während der Pandemie: Weil der Ansturm auf die Gartenplätze kaum zu bewältigen war, eröffneten die beiden eine zweite Terrasse mit 45 Plätzen – sie ist noch heute in Betrieb. Damit verfügt die «Linde» zu den 200 Innen- über 140 Aussenplätze – an sonnigen, warmen Tagen bleibt allerdings kein Stuhl leer.
Dass das Paar den Gasthof über so viele Jahre mit grossem Erfolg betreiben konnte, hat mehrere Gründe. Erstens sind die beiden «Chrampfer». «Als wir den Betrieb übernommen haben, wussten wir, was auf uns zukommt», sagt die Wirtin. Während 23 Jahren war die «Linde» an sechs Tagen die Woche geöffnet (heute jeweils montags und dienstags geschlossen). «Wir waren also immer sechs Tage da; und am freien Tag gab es auch noch dieses und jenes zu tun.» Ferien gab es zweimal im Jahr: zwei Wochen im Februar, zwei Wochen im August.
Zweitens stand und steht das Paar selbst in der Küche – wie schon die vorherige Generation. «Das verlieh dem Betrieb die notwendige Konstanz», sagt Matteo Orlando. «Wir hatten nie Probleme mit dem Wechsel von Köchen.»
Und drittens das Personal: «Ohne die vielen guten und langjährigen Mitarbeitenden wäre der Erfolg, den wir hatten, nicht möglich gewesen», sagt Bernadette Kuhn. 22 Köpfe zählt die Crew aktuell, das Wirtepaar eingeschlossen.
Genug und gute Leute zu finden, ist auch für die «Linde» kein einfaches Unterfangen. In der Pandemie haben sich viele Angestellte aus dem Gastgewerbe verabschiedet. Als die beiden den Betrieb übernahmen, konnten sie die Leute noch auswählen, wenn freie Jobs zu vergeben waren. Heute sind sie froh, wenn sich überhaupt Bewerber melden. «Leute zu finden, ist das absolut grösste Problem», sagt Bernadette Kuhn.
Und Leute werden sie die nächsten Monate besonders gut gebrauchen können. Seit sich herumgesprochen hat, dass sie im September aufhören, sei der Ansturm noch grösser geworden. «Viele Gäste wollen unbedingt noch kommen, solange wir da sind. Wir sind mittags und abends fast immer besetzt, an Wochenenden sowieso», sagt Matteo Orlando.
Geschätzt werde vor allem, dass die Küche auch nachmittags offen sei; man kann also auch bei einem späten Mittagessen gemütlich sitzenbleiben.
Sie gehen, die «Linde» bleibt
Etwas wehmütig blicken sie dem letzten Sommer schon entgegen, räumen beide ein. Aber es gibt auch einen erfreulichen Aspekt. «Wir hätten den Gasthof problemlos an Investoren verkaufen können, die Wohnungen realisiert hätten», sagt Bernadette Kuhn. «Das wollten wir aber nicht. Wir wollten, dass es auf der ‹Linde› weitergeht.»
Lange blieb die Suche nach einem Nachfolger erfolglos. Schliesslich klappte es dann doch. Öffentlich darüber sprechen können die beiden noch nicht. «Wir haben aber ein sehr gutes Gefühl», sagt Matteo Orlando. «Wir werden dem Nachfolger beratend zur Seite stehen, falls nötig. Aber sonst ziehen wir uns zurück.»
Pläne wie andere Paare in diesem Alter – sie ist 61, er 62 Jahre alt – haben die beiden nicht. «Nicht mehr zu wirten, wird uns am Anfang seltsam vorkommen», sagt sie. Er nickt uns sagt: «Ja, das stimmt. Lassen wir es auf uns zukommen.»