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Die USA liefern hochmoderne «Patriot»-Raketen in die Ukraine – können sie zum Game Changer werden?

Die Bitten der ukrainischen Regierung werden erhöht: Die USA liefern eine Einheit des Flugabwehrsystems Patriot nach Kiew, damit sich das Land besser gegen Attacken mit russischen Raketen wehren kann. Gegen iranische Drohnen wird es aber nicht zum Einsatz kommen.

Die offizielle Bestätigung durch das Weisse Haus steht noch aus. Die Entscheidung aber scheint, zumindest im Grundsatz, getroffen: Washington gibt dem Drängen der Regierung in Kiew nach und liefert zunächst eine Einheit des Flugabwehrsystems Patriot in die Ukraine, wie amerikanische Medien übereinstimmend berichten.

Das Patriot-System, eine bodengestützte Waffe, die in Europa während des Zweiten Golfkriegs zu Beginn der Neunzigerjahre eine gewisse Bekanntheit erreichte, könnte die anhaltenden Angriffe durch russische Marschflugkörper und ballistische Raketen neutralisieren.

Ausbildung wird einige Monate dauern

Von einem «Game Changer», der den weiteren Verlauf des Krieges in der Ukraine auf den Kopf stellen könnte, will der renommierte Sicherheitsexperte Mark Cancian aber dennoch nicht sprechen. Zum einen werde es sicherlich einige Monate dauern, bis das mobile Patriot-System – das sich aktuell höchstwahrscheinlich im Besitz der US-Landstreitkräfte befindet, aber in Europa stationiert ist – in die Ukraine verlegt und fachgerecht bedient werden könne, sagt Cancian im Gespräch mit «CH Media».

Normalerweise dauere die Ausbildung auf dem System 40 Wochen. «Das kann sicherlich schneller gehen», sagt Cancian, der für die Denkfabrik CSIS in Washington arbeitet. Aber ganz verzichten auf eine Ausbildung könnten die Ukrainer nicht.

Wichtiger aber ist: Gegen die Drohnen iranischer Bauart, mit denen Russlands Streitkräfte seit Wochen gezielt zivile Infrastruktur in der Ukraine attackieren, werden die Patriot-Raketen nicht zum Einsatz kommen. Der Grund: Die hohen Kosten.

Eine einzige Flugabwehrrakete des Patriot-Systems ist einige Millionen Dollar wert, während die Kamikazedrohnen, die Russland einsetzt, höchstens 50’000 Dollar kosten, rechnet Cancian vor. Selbst Washington kann es sich deshalb nicht leisten, mit Patriot-Raketen auf unbemannte Flugkörper zu schiessen (die ukrainische Luftabwehr schoss allein am Mittwoch mehr als ein Dutzend Shahed-Drohnen iranischer Bauart ab, wie die Regierung in Kiew bekannt gab).

«Teil des Landes wird vor einem Teil der Bedrohung beschützt»

Der amerikanische Sicherheitsexperte Cancian geht davon aus, dass die Patriot-Einheit im Grossraum Kiew stationiert wird. Dadurch werde zumindest «ein Teil des Landes vor einem Teil der Bedrohung beschützt», sagt Cancian. Die Lieferung des Systems habe zudem einen hohen «symbolischen Stellenwert», betont er. Schliesslich habe die Regierung des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski die westlichen Verbündeten schon lange darum gebeten, leistungsfähigere Flugabwehrsysteme zu liefern.

Das Patriot-System besteht, grob gesagt, aus drei Komponenten. Der wichtigste Bestandteil ist das Radar, über das die Lenkwaffe gesteuert werden kann. Das Startgerät wiederum – das in der modernen Variante mit bis zu 16 Lenkflugkörpern geladen werden kann – ist mobil. Hergestellt wird das System durch den Rüstungsmulti Raytheon Technologies, während die Lenkflugkörper aus der Produktion von Lockheed Martin stammen.

Auch die Schweiz will Patriot-Einheiten einsetzen

Das System steht derzeit in 17 Ländern im Einsatz, wie auf der Internetseite von Raytheon nachzulesen ist. In den vergangenen sieben Jahren wurden angeblich mehr als 150 ballistische Raketen mit Hilfe von Patriot-Raketen abgeschossen. Im Zuge der Beschaffung des Kampfjets F-35 wird das System bald auch in der Schweiz stationiert. Das Verteidigungsdepartement VBS will fünf Einheiten beschaffen; das entsprechende Budget beläuft sich auf zwei Milliarden Franken.