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Gesundheitsdirektor Gallati: «Das Gesetz zum elektronischen Patientendossier ist ein Fehlschlag»

Bei einem Auftritt am Parteitag der FDP räumt Regierungsrat Jean-Pierre Gallati ein, dass bisher nur 1000 Aargauerinnen und Aargauer ihre medizinischen Daten digital erfassen liessen. Und er sieht noch weitere Probleme.

Mitte Dezember 2020 hat der Aargauer Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati im Kantonsspital Baden das erste elektronische Patientendossier (EPD) der Schweiz eröffnet. Dies zeige, dass der Aargau in Sachen Digitalisierung im Gesundheitswesen zu den führenden Kantonen der Schweiz zähle, liess sich Gallati damals zitieren. Weiter hielt er fest: «Das EPD trägt wesentlich dazu bei, die Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen weiter zu steigern.»

Zudem könne das Dossier, in dem Patienten, Ärztinnen und Gesundheitsinstitutionen digital medizinische Dokumente und Daten ablegen können, zu Verbesserungen der Behandlung führen. «Insgesamt fördert es die Wahrnehmung der Eigenverantwortung in der Bevölkerung und dient der präventiven Vermeidung von unnötigen Untersuchungen und Behandlungen», erklärte Gesundheitsdirektor Gallati damals.

Ab Mai 2021 konnten interessierte Aargauerinnen und Aargauer in der Hauptpost in Aarau ein Patientendossier eröffnen. Nicolai Lütschg, Geschäftsführer der Stammgemeinschaft eHealth Aargau, sprach damals von einem Meilenstein für das Schweizer Gesundheitswesen. Bürgerinnen und Bürger erhielten die Kontrolle über Informationen zu ihrer Gesundheit. Allerdings waren vor anderthalb Jahren erst zwölf Gesundheitsinstitutionen im Aargau an das Dossier-System angeschlossen.

Ärztepräsident: «Bisher nur eine PDF-Sammlung»

Mitte August 2021 sagte Jürg Lareida, der Präsident der Aargauer Hausärzte: «Grundsätzlich unterstütze ich die Idee des elektronischen Patientendossiers.» Wenn die medizinischen Daten digital verfügbar seien und einfach bearbeitet werden könnten, sei das sicher ein Fortschritt. Lareida schränkte aber ein, in der aktuellen Form helfe das EPD wenig. «Derzeit ist es nur eine Sammlung von PDF-Dokumenten, zum Beispiel gescannte Krankengeschichten, das bringt nicht viel», kritisierte der Aargauer Ärztepräsident.

Dennoch entschieden sich die Hausärzte dafür, das EPD zu unterstützen. Ab Mitte August 2021 bis Ende 2022 übernimmt der Verband alle Kosten, die eine Praxis für einen Beitritt zum eHealth-Trägerverein zahlen muss. «Das ist ein wichtiger Durchbruch», sagte Geschäftsführer Lütschg und zeigte sich optimistisch, dass sich das Dossier durchsetzen werde.

Gallati: «1000 Dossiers bei mehr als 700’000 Einwohnern im Aargau»

In der Gesundheitspolitischen Gesamtplanung des Kantons, die Gallati kürzlich präsentierte, wird das Dossier als «wichtiger Schritt in der Digitalisierung» bezeichnet. Am Parteitag der Freisinnigen in Muri, wo Gallati mit FDP-Gesundheitspolitiker Tobias Hottiger diskutierte, brachte Parteipräsidentin Sabina Freiermuth das Thema EPD zur Sprache. Hottiger sagte, es sei unabdingbar, im Gesundheitswesen mit der Digitalisierung vorwärts zu machen. Rückmeldungen aus der Praxis zeigten aber, dass die Eröffnung des EPD immer noch sehr kompliziert sei.

Gallati sagte, heute gebe es im Aargau bei mehr als 700’000 Einwohnern nur rund 1000 solche Dossiers. Er kritisierte, das nationale Gesetz zum Dossier sei ein Fehlschlag, weil die Teilnahme freiwillig sei und die Patienten entscheiden könnten, welche Daten gespeichert würden. «Ich möchte kein Arzt sein, der eine Krankengeschichte beurteilen muss und nicht weiss, was darin fehlt», sagte Gallati.

Auch nach acht Jahren – so lange läuft das Projekt schon – funktioniere das EPD noch nicht. Es gebe aber Hoffnung, so Gallati, dann das Gesetz auf Bundesebene solle geändert werden. Einerseits betreffe diese die Finanzierung, andererseits den Inhalt des Dossiers. Bis in rund fünf Jahren sollten die Änderungen vollzogen sein, sagte der Gesundheitsdirektor.