Ein Aarburger Fachmann für 15 verschiedene Jobs kämpft um den Schweizermeistertitel
Freitagnachmittag. Feierabend im Aarburger Werkhof. Maschinen und Geräte sind verstaut, es ist alles sauber und aufgeräumt. Während die meisten seiner Arbeitskollegen bereits den Gang ins Wochenende angetreten haben, ist der 19-jährige Noah Böhlen immer noch auf Platz. Ein Interviewtermin steht an. Denn trotz seines jugendlichen Alters hat der Aarburger in seinem Berufsleben bereits Aussergewöhnliches erreicht. Er gehört zu den besten acht Fachleuten Betriebsunterhalt, Richtung Werkdienst, und darf deshalb an den SwissSkills, die vom 7. bis 11. September auf dem BernExpo-Gelände durchgeführt werden, um den Schweizermeistertitel in seinem Beruf kämpfen. Für den Wettkampf qualifiziert hat er sich mit einem starken Lehrabschluss im Sommer 2021, als er sein Qualifikationsverfahren mit der Note 5,2 abschloss.
Schulmüdigkeit animierte zu einem praktischen Beruf
Nach der obligatorischen Schulzeit sei er vor allem eines gewesen: «Schulmüde», sagt Böhlen lächelnd. Entsprechend schaute er sich in seiner Berufswahl nach einem handwerklich-praktischen Beruf um, wobei die Suche in seinem Fall nicht lange dauerte. «Ich habe eine Woche im Aarburger Werkhof Bau geschnuppert – und es hat sofort gepasst», sagt er. Natürlich habe er sich auch ein wenig von seinem zwei Jahre älteren Bruder inspirieren lassen, der die gleiche «Stifti» beim gleichen Arbeitgeber absolvierte. Dort sei er in ein «super Team» gekommen, wie er betont, und habe mit dem inzwischen pensionierten Leiter Werkhof Bau, Oskar Blättler, und dessen Stellvertreter Marcel Soder zwei tolle Ausbildner erhalten. Und die Ausbildner einen ebenso tollen Lernenden, wie Soder betont: «Noah war ein interessierter, aufgeweckter, ruhiger, freundlicher und aufgestellter Lernender, über den ich nichts Negatives sagen kann. Ein Musterlehrling.» Ein Urteil, dem sich auch Lars Bolliger, Leiter Bau Planung Umwelt, anschliesst: «Schön finde ich bei Noah, dass er wirklich Freude an handwerklicher und körperlicher Arbeit draussen hat, vielfältige Talente mitbringt und auch schulisch die erforderlichen Leistungen gebracht hat.»
Das Beispiel von Böhlen zeige auch, dass die Gemeinde ein guter Ausbildungsbetrieb sei, bei dem man sich ein umfassendes Wissen erwerben könne.
An seinem Beruf schätzt Böhlen in erster Linie die enorm grosse Bandbreite an Tätigkeiten und damit verbunden die Abwechslung in der täglichen Arbeit. «Kein Tag ist wie der andere», betont er. Mal müssen – wie an diesem Freitag – Stände für die Brocante aufgestellt werden, mal ist der Fachmann Betriebsunterhalt mit dem Strassenunterhalt beschäftigt, mal müssen Sträucher, Hecken oder Bäume gepflegt oder geschnitten werden, in der kalten Jahreszeit gehört auch der Winterdienst zu den Aufgaben. «Als Fachmann Betriebsunterhalt hat man einen Job, in den das Wissen von 14 bis 15 verschiedenen Berufen hineinfliesst», erläutert Soder; das sei das Schwierige und Interessante zugleich an ihrer Arbeit. «In meinem Beruf ist man zugleich ein wenig Gärtner, ein wenig Landwirt, ein wenig Strassenbauer, ein wenig Heizungs- oder Sanitärmonteur, ein wenig Maler, ein wenig Schreiner, ein wenig Recyclist oder auch ein wenig Gebäudereiniger», sagt Böhlen.
Gerade diese Vielfalt ist mit ein Grund, dass der Schweizerische Fachverband Betriebsunterhalt SFB die Ausbildung neu strukturiert hat. Neben den seit längerem bestehenden Schwerpunkten Richtung Werkdienst, beziehungsweise Hausdienst, gibt es neu auch eine Ausbildung, die den Schwerpunkt auf Sportanlagen legt. Ein Fachmann Betriebsunterhalt Richtung Sportanlagen arbeitet dann dort, wo andere ihre Freizeit verbringen: Sportzentrum, Schwimmbad, Wellness- und Fitnesscenter, Freizeitanlage, Eishalle.
Zwei Trainingsweekends als Vorbereitung
Doch zurück zu den SwissSkills und Noah Böhlen. Noch weiss er nicht, welche Aufgabe ihm im Wettkampf gestellt wird. «Wir erhalten einen Plan, nach dem wir arbeiten müssen und das dazu notwendige Werkzeug und Material», sagt er. Es könnte zum Beispiel sein, dass er eine Rabatte pflästern und diese bepflanzen müsse. Immerhin: Als Vorbereitung auf das grosse Finale konnten die acht Teilnehmenden – zwei Frauen und sechs Männer – an zwei je zweitägigen Trainingseinheiten teilnehmen. Unter Zeitdruck mussten dort etwa Gartenplatten gelegt oder ein Gartentor repariert werden. «Eine sehr gute Erfahrung», meint der junge Aarburger, weil man dort auch sehen konnte, wie die anderen arbeiten – und von den Experten viele gute Tipps weitergegeben wurden. Zudem sei die Kollegialität unter den Teilnehmenden sehr gut gewesen, obwohl sie dann im Wettkampf Konkurrenten sein werden.
Und das Ziel? Es wäre natürlich schön, möglichst weit nach vorne zu kommen, sagt Böhlen, der am 7. September im Einsatz stehen wird. Wenn es nicht klappen sollte, so habe er immerhin wertvolle Erfahrungen sammeln können, meint er. Und weitere tolle Erfahrungen möchte er am liebsten im Aarburger Werkhof sammeln, bei dem er nach der Rekrutenschule und einer Töffreise mit seinen beiden Brüdern ans Nordkap temporär wieder eingestellt wurde, um krankheitsbedingte Absenzen zu überbrücken. «Es arbeiten einige ‹alte Hasen› hier, von denen ich noch viel lernen kann», betont er. Und in fernerer Zukunft würde er sicher eine Vorarbeiter-Ausbildung anstreben.
Die grössten SwissSkills der Geschichte
An den SwissSkills 2022 werden aber nicht nur die Schweizer Meisterschaften der besten Nachwuchs-Berufsleute ausgetragen. Die SwissSkills sind ebenso eine Berufsmesse, geben doch auf dem 100 000 Quadratmeter grossen BernExpo-Areal rund 1150 junge Berufsfachleute einen Einblick in ihre 150 verschiedenen Berufe. In 85 der 150 Berufe kämpfen Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger sowie Lernende um die Schweizer Meistertitel. Damit sind die diesjährigen Wettkämpfe die bisher grössten in der Geschichte der SwissSkills.