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Ein Gesetz für den Ausnahmefall: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Amtsenthebungs-Initiative

Am 15. Mai wird im Aargau über die Amtsenthebungs-Initiative abgestimmt. Acht Fragen und Antworten zum Volksbegehren.

Was will die Amtsenthebungs-Initiative?

Die Initiative verlangt, dass auf kantonaler Ebene für Mitglieder von Behörden eine gesetzliche Regelung für eine Amtsenthebung und eine Amtseinstellung geschaffen wird. Eine solche gibt es bisher für Regierungsrat und Parlament nicht: Ein gewähltes Behördenmitglied kann grundsätzlich während seiner Amtszeit nicht des Amtes enthoben werden. Verletzt ein Behördenmitglied während seiner Amtszeit die Pflichten seines Amts in schwerwiegender Weise, so hat das kaum direkte Konsequenzen.

Heute können im Aargau bereits Mitglieder kommunaler Behörden gemahnt, bei schwerem Pflichtversäumnis auch entlassen werden. Ebenso bei Strafuntersuchungen wegen eines schweren Vergehens oder Verbrechens im Amt.

Könnten mit Annahme der Amtsenthebungs-Initiative Regierungsräte entlassen werden?

Ja, aus triftigen Gründen. Geplant ist die Möglichkeit der Amtsenthebung auf die höchsten politischen Exekutivämter auszudehnen, das wäre der Regierungsrat. Unter gewissen Voraussetzungen soll auch die Amtsenthebung für Parlamentsmitglieder möglich werden. Das Anliegen würde auf Gesetzesstufe umgesetzt, der Grosse Rat müsste das Gesetz entsprechend anpassen.

Noch ist nicht definiert, welche Gründe eine Amtsenthebung zur Folge haben könnten. Auch auf welche Behörden das Gesetz angewendet wird, ist nicht abschliessend geklärt. Zudem müsste das Verfahren geregelt werden. Wird die Initiative angenommen, startet der Prozess mit einer Vernehmlassung.

Warum wurde die Initiative lanciert?

In anderen Kantonen existieren bereits Regelungen zur Amtsenthebung. Auch im Aargau könne die Situation jederzeit eintreten, dass man eine solche Regelung braucht, sagen die Initiantinnen und Initianten. «Agieren ist aus meiner Sicht besser als reagieren», sagt Bernhard Guhl, alt Nationalrat (BDP) und Kopf der Initiative.

Müsste ein Regierungsmitglied straffällig werden, damit das Gesetz greift?

Nein. Ein Behördenmitglied, das sich einer Straftat schuldig macht, wäre zwar betroffen, genauso aber ein Regierungsratsmitglied, das seine Amtspflichten vorsätzlich oder schwerwiegend verletzt. Das war beim ehemaligen Genfer Staatsrat Pierre Maudet der Fall – dieser war mit ein Grund, warum im Aargau die Initiative lanciert worden ist.

Die Initianten führen aber auch medizinische Gründe für eine Amtsenthebung an: Kann ein Behördenmitglied sein Amt aufgrund schwerwiegender gesundheitlicher Probleme nicht mehr ausüben und auch keine persönliche Rücktrittserklärung abgeben, weil es beispielsweise im Koma liegt, käme das Gesetz ebenfalls zur Anwendung.

Solche Fälle sind äusserst selten. Braucht es dafür extra ein Gesetz?

Spontan ein entsprechendes Gesetz einzuführen, wenn es dann gebraucht wird, ist nicht möglich. Vorausschauende Rechtsetzung sei wichtig, betonen die Initiantinnen und Initianten. Regierung und weitere Behörden müssten stets handlungsfähig bleiben, argumentieren sie. Fällt ein Mitglied aus, soll es ersetzt werden können, bevor die entsprechende Legislatur zu Ende ist. «Der Regierungsrat ist eine Kollegialbehörde. Sie besteht aus fünf Personen und es ist wichtig, dass alle ihren Beitrag leisten», sagt Bernhard Guhl.

Wer sind die Initiantinnen und Initianten?

Die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) hat die Initiative Anfang 2019 lanciert. Die Partei hat inzwischen mit der CVP zu Die Mitte fusioniert.

Wie verlief die Debatte im Grossen Rat?

Die Mehrheit des Grossen Rats spricht sich für die Amtsenthebungs-Initiative aus, er hat sie mit 95 Ja- zu 30 Nein-Stimmen im November 2021 dem Volk zur Annahme empfohlen. Geschlossen hinter der Initiative standen die Fraktionen von Die Mitte und SP. Mit grosser Mehrheit stimmten auch SVP, Grüne und GLP zu.

Am meisten Gegenstimmen kamen von der FDP. Nur ein freisinniges Grossratsmitglied wollte die Initiative, 19 stimmten dagegen. Die Gegnerinnen und Gegner argumentieren, die Möglichkeit der Nichtwiederwahl durch das Volk genüge, der Souverän solle an der Wahlurne das letzte Wort haben. Durch Annahme der Initiative würde also das demokratische System geschwächt.

Was will der Regierungsrat?

Regierungsrat und Grosser Rat empfehlen die Initiative. Eine Regelung, die in schwerwiegenden Fällen eine Amtsenthebung oder Amtseinstellung ermöglicht, sei nachvollziehbar und wünschenswert, auch wenn Situationen mit grobem Fehlverhalten von Amtsträgerinnen und Amtsträgern selten seien. Weiter sei die Ergänzung der bereits bestehenden Amtsenthebungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene auch auf Parlamente und Regierungsrat sinnvoll, so der Regierungsrat.