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Ein Kopf voller Ideen: David Fuhrer erweckt seine Objekte zum Leben

In Glashütten hat sich der Kunstschaffende David Fuhrer mit seinen Objekten ein eigenes Universum erschaffen.

Ein unscheinbarer Holzsockel. Darauf ein geschwärzter hölzerner Blumentopf, aus dem sich die golden glänzenden Blütenblätter einer geschlossenen Blüte strecken. Langsam dreht David Fuhrer an der Metallkurbel – wie von Zauberhand gesteuert, beginnt sich die Blume zu öffnen. Dann streben feingliedrige Staubblätter aus dem Innern der Blume in die Höhe. «Mein bisher letztes Objekt», sagt Fuhrer, der in Glashütten lebende Kunstschaffende. «Eine Blume, die ich meiner jüngsten Tochter zu ihrem 18. Geburtstag geschenkt habe», sagt er. Sie liebe Blumen über alles. Dann dreht Fuhrer erneut an der Kurbel, die Staubblätter verschwinden wieder im Innern, die Blüte schliesst sich.

«Ich arbeite momentan viel mit mechanischen Antrieben, die ich mit gestalterischen Elementen verbinde», erklärt der 49-jährige Fuhrer sein aktuelles Schaffen. Ein Schaffen, das sich im Lauf der Zeit immer wieder gewandelt hat. «Ich mache nie lange das Gleiche», betont Fuhrer, diese Lebendigkeit wolle und könne er sich auch erhalten, weil er nicht vom Kunstbetrieb abhängig sei.

«Flower», das Geburtstagsgeschenk an die jüngste Tochter.
Bilder: zvg

Ein Universum, das kaum Grenzen kennt

Denn Fuhrer ist nicht nur Objektkünstler, sondern in einem Teilpensum an der Zofinger Oberstufe auch als Werk- und Gestaltungslehrer tätig. Doch der Weg dahin verlief alles andere als geradlinig. Zeichnen, malen, plastisches Gestalten und ein ausgeprägtes mechanisches Verständnis haben den Objektkünstler seit seiner Kindheit begleitet. «Das Talent ist mir von meinen Eltern, die als Heilsarmee-Offiziere in der halben Deutschschweiz tätig waren, in die Wiege gelegt worden», ist sich Fuhrer sicher. In ihrer Tätigkeit als Gemeinde­leiter und Pfarrer liessen sie ihre drei Kinder an zahlreichen Jugendprogrammen teilhaben, welche sie leiteten. Die Mutter habe viele handwerkliche und kreative Talente gehabt, der Vater habe geschnitzt, meist Kühe oder Steinböcke. «Sie haben in einer überschaubaren Welt gelebt», meint Fuhrer, der sich mit seinen Objekten ein eigenes Universum erarbeitet hat, das kaum Grenzen kennt.

Der «Töfflibueb» wurde nach einer Lehre zuerst Motorradmechaniker, doch richtig glücklich gemacht hat ihn dieser Beruf nicht. Ihm habe das Kreative und das Menschliche gefehlt, erste Gedanken über einen Berufswechsel seien schon früh aufgekommen. Ein schwerer Motorradunfall schleuderte den Motorradmechaniker kurz nach seiner Lehrzeit aus der erlernten Berufstätigkeit. «Neun Stunden stehen pro Tag, das ging nicht mehr», hält Fuhrer fest, ein Jobwechsel habe sich aufgedrängt. Rückblickend sei der Unfall auch eine Chance gewesen, sich ganz neu zu orientieren. «Ich weiss auch nicht, ob ich den Bruch ohne den Unfall so radikal vollzogen hätte», sagt er.

Künstlerische Tätigkeit und Unterricht beflügeln sich

Nach diversen Praktika im schulischen und sozialen Bereich hat sich David Fuhrer an der Kunstgewerbeschule Zürich zum Werk- und Gestaltungslehrer ausbilden lassen. Schon während der Ausbildung unterrichtete er unter anderem an der Oberstufe Oftringen technisches Werken – «mit Freude und Begeisterung», wie er selber sagt. Der Umgang mit Jugendlichen sei spannend und auch anregend. «Meine künstlerische Tätigkeit und der Unterricht beflügeln sich gegenseitig», betont er. Und beide Tätigkeiten würden ihm ermöglichen, seine Vielseitigkeit auszuleben. Gerade im Fach «Projekt und Recherchen», in dem die Jugendlichen eigene Projekte umsetzen müssten, könne er sie gut unterstützen. «Das kann dann auch mal ganz lustig zu- und hergehen in der Schule», sagt Fuhrer.

Der Humor, das ist durchaus auch eine Kategorie, die Fuhrer in seinem Schaffen nicht fremd ist. Immer wieder sind so «Spassgeräte» entstanden. Da gibt es etwa einen Rollator, der über einen «Töffmotor» ganz schön Tempo aufnehmen kann. Oder einen Einkaufswagen, in dem ein Beifahrer Platz nehmen kann, während das Gefährt über einen Raupenantrieb in Fahrt gesetzt wird. Oder eine Maschine, die unablässig Seifenblasen ausstösst. Um Ideen scheint der Objektkünstler aus dem Murgenthaler Dorfteil Glashütten jedenfalls nie verlegen.

Mechanische Antriebe mit filigranen Gestängen bewegen die Objekte.

Während seiner gut 30 Jahre andauernden künstlerischen Arbeit hat Fuhrer eine unglaubliche Vielfalt an den Tag gelegt. «In all den Jahren habe ich mich in vielen Bereichen ausgelebt», bestätigt er. Es sind immer wieder andere Materialien gewesen, die er be- und verarbeitet hat: Papier, Stein, Stahl, Draht, Blech, Holz. Wunderbar filigrane Objekte wie etwa die Luftschiffe entstanden in ebenso vollendeter Form wie Skulpturen oder Eisenplastiken.

Kunst kommt bekanntlich von Können – Fuhrer ist einer, der es definitiv kann. Als Künstler ist er stolz auf sein Handwerk. «Ich habe eine Werkstatt, kein Atelier», betont er sinngemäss, manchmal stehe dort auch ein profaner «Töffmotor», an dem er «schrübele».

In jüngerer Zeit hat es ihm Messing besonders angetan. «Messing hat einen edlen Touch», sagt Fuhrer, deshalb stünden bei diesen Arbeiten Design und Ästhetik ganz stark im Vordergrund. Golden glänzende Zahnräder greifen ineinander und treiben Ketten an, die ihrerseits verschiedene Gestänge in Bewegung setzen. Mann und Frau bewegen sich aufeinander zu, ein Messingmantel legt sich schützend um sie, als sich die beiden küssen und umarmen. Die Zahnräder bleiben in Bewegung, die beiden Küssenden lösen sich wieder voneinander.

Detail aus «Der Kuss» – inspiriert von Gustav Klimts Gemälde.

Ein weiteres Objekt, bei dem Form und Inhalt perfekt aufeinander abgestimmt sind. «Der Kuss» – als Vorlage diente das Gemälde von Gustav Klimt – heisst das Werk von David Fuhrer, das ihm sichtlich ans Herz gewachsen ist. «Ich habe es am letztjährigen Kunstmarkt gezeigt und hätte es mehrmals verkaufen können, aber es gehört einfach hierhin», sagt er in seinem Wohnzimmer.

Sehr gutes Vorstellungsvermögen

Rund 200 Stunden hat Fuhrer am «Kuss» gearbeitet. «Das ist eigentlich wenig», findet er, wenn man die komplexe Mechanik des Werks in Betracht ziehe. Und nur möglich, weil er über ein sehr gutes Vorstellungsvermögen verfüge, meint er weiter. Meist genügen ihm ein paar wenige Skizzen, um ein Werk umzusetzen. Dafür könne es umso länger dauern, bis er ein Werk in seinem Kopf entworfen und umgesetzt habe. «Ich bin häufig lange schwanger mit einem Thema, das vielleicht lange in mir geschlummert hat. Irgendwann muss das raus», sagt er.