Ein Leben für die Blasmusik
«Nein, erblich vorbelastet bin ich nicht», sagt Erik Imhof lachend, das Musizieren habe in seiner Familie keine grosse Rolle gespielt. Im Leben des 66-Jährigen, der Mitte Jahr sein Amt als stellvertretender Leitender Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm endgültig abgeben wird, aber schon. Eben erst ist er – nach 32 Jahren – aus dem Vorstand der Musikgesellschaft Murgenthal (MGM) zurückgetreten, gar 51 Jahre gehört er dem Verein schon als Aktivmitglied an. Am nächsten Musiktag wird er dafür zum kantonalen Ehrenveteranen ernannt.
Nur die Zugposaune kam in Frage
Als junger Bursche spielte Imhof Klavier und interessierte sich schon bald mehr für Blasmusik. Dabei kam für ihn nur ein Instrument in Frage: Die Zugposaune. «Wieso, weiss ich eigentlich nicht genau», sagt Imhof, vielleicht habe ihn das Glissando fasziniert. Also die Möglichkeit, auf diesem Instrument einen Ton stufenlos rauf- oder runterziehen zu können.
Doch die Annäherung ans Wunschinstrument verlief eher stockend. Er solle zuerst bei Hans Gangwisch, einem gestandenen Musiker der MGM, in den Unterricht gehen und ausprobieren, welche Möglichkeiten es in einer Blasmusik überhaupt gebe, sei ihm in der Knabenmusik beschieden worden. «Da musste ich zuerst Trompete spielen, dann Es-Horn und schliesslich erhielt ich eine Ventilposaune, ein Instrument, das es heute gar nicht mehr gibt.» Unzufrieden sei er damit gewesen – heute habe er die Vermutung, dass ihm gar niemand hätte zeigen können, wie man auf einer Zugposaune spiele, weil niemand dieses Instrument unterrichten konnte. Schliesslich schafften seine Eltern ein Mietinstrument an und er brachte sich das Spielen im Selbststudium bei. «Man kann alles lernen, wenn man will», blickt er auf diese Zeit zurück.
So durfte Imhof nach rund drei Jahren in der Knabenmusik – heute würde man von einer Jugendmusik sprechen, hatte es doch damals auch Mädchen dabei – in die MGM eintreten. «Am Anfang bin ich einfach ‹geschwommen› – es ging alles zu schnell für mich», erinnert sich Imhof lachend. Es habe etwa ein Jahr gebraucht, bis er die Stücke gänzlich mitspielen konnte. «Aber richtig spielen gelernt habe ich erst während meines Jus-Studiums an der Uni Bern», sagt Imhof, als er stundenweise Musikunterricht bei einem Posaunisten nehmen konnte.
Junge sind heute viel besser ausgebildet
«Jugendliche, die heute einer Musikgesellschaft beitreten, sind musikalisch viel weiter als wir es vor 50 Jahren waren», betont Imhof. Die bessere musikalische Ausbildung ist dabei in erster Linie den Musikschulen mit ihren professionellen Lehrkräften zu verdanken. Davon profitieren auch die Musikgesellschaften, die heute grösstenteils auch von professionellen Musikern dirigiert werden.
Imhof windet insbesondere Lydia Stöckli, der Lehrperson für Blasmusikinstrumente an der Murgenthaler Musikschule, ein Kränzchen. «Die Zusammenarbeit mit ihr funktioniert hervorragend», betont er. Ein besonderes Highlight sei diesbezüglich das jährlich stattfindende gemeinsame Adventskonzert von Musikschule und Musikgesellschaft. Dort spielen Musikschule und Musikgesellschaft seit einigen Jahren ein bis zwei gemeinsame Stücke. «Das fetzt ganz besonders», sagt Imhof.
Doch einfach so finden Musikschülerinnen und Musikschüler den Weg in die Musikgesellschaft nicht. «Einfach warten, bringt nichts», sagt Imhof, «man muss die Leute ansprechen». Denn jede «Musig», eigentlich jeder Dorfverein, kämpfe doch mit denselben Problemen: Der Nachwuchs fehlt, die Mitgliederzahl ist zu klein. Die MGM habe aktuell mit 27 Aktiven eine ansprechende Grösse, 30 bis 35 Mitglieder wären ideal. Aber es gebe Problemregister. «Die Holzbläser fehlen, wir haben für eine Harmoniemusik eigentlich zu wenig Klarinetten, Querflöten und Saxophone im Korps», führt Imhof aus. Und dass die «Musig» nur ein Tenorhorn habe, sei ein Klumpenrisiko. «Fällt das Tenorhorn aus, ist es fertig mit Spielen.» Eine Situation, die dank einsatzbereiten Aushilfen glücklicherweise noch nie eingetreten ist.
Besonders drastisch war die Situation vor etwa zehn Jahren, als der Bestand auf rund 20 Mitglieder sank. Damals wurde ein Projekt – «Ein Dorf macht Blasmusik» – umgesetzt, auf das Imhof heute noch stolz ist. «Es wurde eine Liste mit rund 60 in Murgenthal wohnhaften Leuten zusammengestellt, von denen wir wussten, dass sie irgendwo, irgendwann ein Blasmusik-Instrument gespielt hatten.» Diese Leute wurden angeschrieben und anschliessend persönlich besucht. «Wir haben alle angefragt, ob sie einmal – ohne jede Verpflichtung – an einem Jahreskonzert mitspielen würden.» Das Echo sei damals überwältigend gewesen, sagt Imhof heute noch begeistert. Etwa 20 der Angefragten haben mitgespielt und 6 sind anschliessend dem Verein beigetreten. «Davon zehren wir heute noch», ist er sich sicher.
Wichtig für ein funktionierendes Dorfleben
«Erntedankfest, Waldgottesdienst, Bundesfeier, Jahreskonzert, Adventsfeier, das Abholen von Vereinen nach kantonalen oder eidgenössischen Festen – was wäre ein Dorf ohne seine ‹Musig›?», fragt Imhof rhetorisch, um die Antwort dann gleich selbst zu geben: «Das Dorfleben würde nicht funktionieren.» Die Anerkennung für die vielfältigen Leistungen der Musikgesellschaft seitens der Gemeinde ist da. «Ja, wir werden von der Gemeinde grosszügig unterstützt», bestätigt Imhof.
Und jedem Mitglied gebe die «Musig» unheimlich viel zurück, betont Imhof. «Der gesellschaftliche Aspekt ist vielleicht sogar wichtiger als der musikalische», sagt er. Gerade in Murgenthal, wo zwar regelmässig Musiktage und -feste besucht werden, aber nicht um jeden Preis Spitzenplätze angestrebt werden.
Ein Wunschtraum und das 150-Jahr-Jubiläum im Visier
So hofft Imhof, dass die Musikgesellschaft noch lange weiterbestehen möge. Auch er selber möchte einige Zeit weiterspielen, denn noch immer ist ihm die Lust am Musizieren nicht vergangen. Obwohl er nicht nur 50 Jahre in der Musikgesellschaft von Murgenthal, sondern auch mehr als 20 Jahre in jener von St. Urban mitspielte. Und immer wieder in Aarburg, Bannwil, Starrkirch-Wil und St. Urban aushalf.
Ein nächstes Ziel hat er jedenfalls schon vor Augen. Beim 150-Jahr-Jubiläum 2028 möchte Imhof auf jeden Fall noch mitspielen. «Wenn es die Gesundheit erlaubt – das weiss man ja nie.» Er habe seine Nachfolger bei seinem Abschied aus dem Vorstand jedenfalls darauf hingewiesen, dass man mit der Organisation eines Jubiläumsfests zwei bis drei Jahre vorher beginnen müsste. Das wäre dann das dritte Jubiläum – nach 100 und 125 Jahren – welches Imhof aktiv miterleben dürfte. Dann würde noch ein Wunsch in der reichen musikalischen Karriere von Erik Imhof offenbleiben: Einmal einen Musiktag in Murgenthal zu erleben. Vielleicht gerade 2028?