Ein tiefes Zeichen der Solidarität: Statt Krimioper bringt IG Opera zwei Theateraufführungen auf die Bühne
Im Oktober 2020 war die Welt für die IG Opera zumindest noch halbwegs in Ordnung. Die ersten drei der sechs geplanten Aufführungen der Krimioper «Mord auf der MS Opera» konnten im Zofinger Kulturlokal Palass noch über die Bühne gehen. Dann kam das bundesrätliche Aus für alle Kulturveranstaltungen, eine erste Verschiebung der Aufführungen auf Frühling 2021 scheiterte. Eine weitere Verschiebung war auf den März 2022 vorgesehen gewesen. Doch bereits Ende Januar 2022 kam das definitive Aus für das Projekt, die MS Opera lief aufs Corona-Riff. «Das hat unheimlich weh getan», sagt Anna Merz, die Zofinger Pianistin und Chorleiterin, welche bei der Krimioper die musikalische Leitung innehatte. Doch schliesslich habe die Vernunft über den Wunsch nach einer Fortsetzung gesiegt. «Wir haben 18 Leute im Chor – und da braucht es jede und jeden», führt Merz aus. Angesichts der aktuellen Infektionszahlen sei es abzusehen gewesen, dass immer wieder Leute fehlen würden. Es wäre wohl zu einer nicht abschätzbaren Nicht-Proberei gekommen, doch das gesamte Ensemble hätte – nach 1½ Jahren Pause – eine lange und intensive Probezeit gebraucht.
Ein Logbuch als Trostpflaster
Besonders schmerzhaft empfindet Merz, dass keine Videoaufzeichnung als Erinnerung an die Krimioper vorhanden ist. «Ein professioneller Videodreh wäre just für die vierte Aufführung vorgesehen gewesen», sagt sie. Eine Erinnerung, die sie sich nun in Form eines Logbuchs erarbeitet hat. Zusammengestellt aus persönlichen Aufzeichnungen von ihr und weiteren Crewmitgliedern, Auszügen aus dem Mailverkehr sowie Fotos und Zeichnungen. Das habe ihr nochmals vor Augen geführt, wie schwierig der Umgang mit Corona gewesen sei, aber auch wie engagiert alle Beteiligten am gleichen Strick gezogen hätten und die stets wechselnden Corona-Massnahmen mitgetragen hätten. «Es war ein grossartiger Spirit in der Crew», sagt sie dankbar.
Dankbar sind Anna und Heinz Merz auch den Sponsoren, die ihnen in der schwierigen Zeit die Stange gehalten haben. Nicht wenige Zuschauer hätten sogar auf die Rückerstattung der bereits bezahlten Ticketkosten für die ausgefallenen Vorführungen verzichtet. Und weil seitens des Bundes sogar eine Entschädigung für die ausgefallenen Vorstellungen erstattet wurde, endete die aufwendige Produktion auch nicht mit einem finanziellen Fiasko. Es blieb sogar eine schwarze Zahl unter dem Strich übrig. Ein Betrag, den die IG Opera nun in zwei aussergewöhnliche Aufführungen im Palass investiert. «Das sind wir nur schon unseren treuen Sponsoren schuldig», finden Anna und Heinz Merz. Die beiden wollen damit aber auch ein tiefes Zeichen der Solidarität gegenüber Kulturschaffenden setzen, die während der Coronakrise ihre Existenzgrundlage verloren. «Wir bringen zwei Produktionen nach Zofingen, die während der Coronakrise erarbeitet wurden», betonen sie. Beide Produktionen – «ume marti ume» am 25./26. März sowie «Hätte hätte Fahrradkette» am 29./30. April – seien bestes Musiktheater. «Und genau dafür steht ja die IG Opera auch», betont deren Präsident Heinz Merz.
In «ume marti ume» rollen die vier Multitalente Ruedi Häusermann, Marco Käppeli, Claude Meier und Herwig Ursin einen klanglichen Teppich aus für die Texte des Berner Theologen, Schriftstellers und Philosophen Kurt Marti. «So viel Fantasie, so viel musikalische Experimentierlust erlebt man selten», betont Anna Merz. Die oft recht jazzigen Improvisationen führen, ausgehend von Häusermanns UME-Lieder-Kollektion, zu den Ausgangspunkten von Martis Landschaftsbegehungen. «Es tönt alles – und zwischendurch kommt auch ein schönes altes Berner Lied vor, das man aber heraushören muss», freut sich Heinz Merz auf den lautmalerischen Spaziergang durchs «Bärner Högerland».
«Wenn das Wörtchen ‹wenn› nicht wär …»
Zu einem Wiedersehen und -hören mit dem «Rossini» aus der IG-Opera-Produktion von 2018, dem Bariton Niklaus Kost, kommt es am 29. und 30. April. Kost tritt zusammen mit seiner Schwägerin, der Schauspielerin Mona Petri, und seinem Schwiegervater, dem Pianisten und Komponisten Daniel Fueter, mit dem Programm «Hätte hätte Fahrradkette» im Palass auf. Versprochen wird ein literarisch-musikalischer Abend, der ganz im Zeichen des Konjunktivs stehen soll. Verbunden mit einer höflichen Einladung ans Publikum, sich auf Gedankenspiele einzulassen, die in Theaterszenen, Gedichten, Songs und Liedern, Anekdoten und Monologen präsentiert werden. «Ein Stück, das alles vereint – klassischen Liedgesang, Chansons, Unterhaltungsmusik», wie Anna Merz bewundernd feststellt und das auch extrem vielfältig sei. Niklaus Kost spielt auch Kontrabass, Mona Petri singt auch, Daniel Fueter schauspielere auch.
Die Zukunft der IG Opera ist offen
Und wie geht es nach den beiden Aufführungen mit der IG Opera weiter? «Eigentlich wollten wir nach der vierten grossen Eigenproduktion – CSI Opera, Rossini, Mensch Mozart und Mord auf der MS Opera – aufhören», sagt Anna Merz. Wer genau hinhört, spürt, dass ein Hintertürchen offen ist. «Wir sind beide eigentlich pensioniert», führt Heinz Merz weiter aus, «und wissen nicht, ob wir nochmals die Kraft für ein so grosses Projekt aufbringen.» Denn der Arbeitsaufwand sei jeweils enorm. Die Suche nach einem Skript, das mit einer professionellen Regisseurin angepasst werde. Die Auswahl der Musik, die neu arrangiert werde. Es sei jeweils ein «Riesen-Chrampf», die Musik von einer Orchesterbesetzung auf die vierköpfige «Opera»-Orcherstergrösse «runterzuschreiben», sagt Heinz Merz.
Wie auch immer es weitergehe, sie beide würden sich auf jeden Fall für eine gute Lösung einsetzen. Damit es für die IG Opera weitergehe – und auch die Zukunft des Palass gesichert sei, wo die IG Opera einen Drittel der Trägerschaft darstelle.