Eine Gas-Turbine mischt den Westen auf – und Altkanzler Schröder macht mit
Aus der Sicht von Olaf Scholz ist die Sache ganz einfach: «Die Turbine ist da. Sie kann geliefert werden.» Aus der Sicht von Gerhard Schröder ist die Sache auch ganz einfach: «Siemens hat die gerade viel debattierte Turbine aus der Wartung in Kanada nach Mülheim an der Ruhr gebracht. Warum sie dort ist und nicht in Russland, verstehe ich nicht.»
Wie die Welt am Mittwochmorgen erfährt, hätte Schröder – der siebente deutsche Kanzler – vergangene Woche Wladimir Putin nach dem Grund fragen können. Während seines Aufenthalts in der russischen Metropole – «Ich mache hier ein paar Tage Urlaub» – traf er dann doch auch seinen Männerfreund und russischen Präsidenten zu einem Gespräch. Über das er wiederum der Illustrierten «Stern» berichtete.
Während die Republik mit den Erzählungen ihres Altkanzlers erwacht, beginnt für Scholz, den neunten und amtierenden, der Tag, an dem er in Mülheim neben der Turbine steht und sagt: «Es gibt sie wirklich, sie ist perfekt.» Und dass halt jetzt nur Gazprom endlich sagen müsse: «Bitte schickt sie los.» Laut Christian Bruch, dem Chef von Siemens Energy, tut die russische Staatsfirma das nicht.
Man kann durchaus auf die Idee kommen, dass Russland Scholz und den Deutschen auf der Nase herumtanzt. Peu à peu drosselt Moskau seit Wochen die Gas-Liefermenge – aktuell trödeln 20 Prozent dessen, was strömen könnte, durch die Pipeline Nord Stream 1 – und nennt als Grund die fehlende Turbine. Putin persönlich hat im Staatsfernsehen gestichelt, selbst wenn sie zurückkommen sollte von der Wartung in Kanada: Man wisse ja nicht, in welchem Zustand; vielleicht sei eine «Abschaltautomatik» eingebaut worden.
Schröder teilt nun mit, Putin versuche nicht etwa, Deutschland mit dem Gas zu erpressen. Er sagt: «Es gibt keine politische Ansage des Kreml, den Gasfluss zu drosseln.» Aber natürlich weiss auch er: Bei einem Mann, der einen Angriffskrieg eine «Spezialoperation» nennt, heisst das wenig bis nichts. Schröder ist das egal. Er sagt: «Die einfachste Lösung» sei – Nord Stream 2. Die «ist fertig», doziert er – und in Betrieb genommen «gäbe es kein Versorgungsproblem für die deutsche Industrie und die deutschen Haushalte». Ohne indes «muss man die Folgen tragen. Und die werden auch in Deutschland riesig sein».
Nicht bloss die Genossinnen und Genossen, die Schröder gerade wegen seiner Beziehungen zu Russland aus der SPD ausschliessen wollen, müssen diese Drohung für einen unfreundlichen Akt nehmen. Die Bundesregierung hat die Inbetriebnahme der Pipeline nach dem Beginn von Putins Krieg ausgeschlossen. Und Scholz hat versprochen, dass niemand mit den Folgen der explodierenden Gaspreise alleingelassen wird. Ohne dazu zu sagen, was genau das heisst. In den deutschen Baumärkten sind Heizlüfter, Holz und Kohle ausverkauft.
Schröder, übrigens, hat mit Putin auch über den Krieg geredet. «Die gute Nachricht», sagt er, «heisst: Der Kreml will eine Verhandlungslösung». Aber «Deutschland und die Bundesregierung» täten da «derzeit nicht genug, ist mein Eindruck».