«Eine Maut am Gotthard bringt schlichtweg nichts»
In Zofingen kennt man ihn als Lokalpolitiker – auf dem nationalen Parkett weibelt André Kirchhofer für die Interessen des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbandes Astag, bei dem er als Vizedirektor unter anderem für das Dossier Public Affairs zuständig ist. Der Verkehrsexperte war diese Woche Gast im zt Talk.
«Als ich diese Push-Meldung bekam, wusste ich: ‹Jetzt geht es los›», sagt er über den Erdrutsch zwischen Lostallo und Mesocco, der am 5. Juli einen Teil der A13 zerstörte. «Im Grundsatz kann man sagen: Das Krisenmanagement, das das Bundesamt für Strassen einleitete, war hervorragend. Etwas vom Wichtigsten in einem solchen Fall ist ein international koordiniertes Verkehrsmanagement, damit der Schwerverkehr möglichst gar nicht durch die Schweiz, sondern über Österreich oder Frankreich fährt.»
Was sagt Kirchhofer zur Forderung nach einer Maut am Gotthard, wo es auch unter der Woche zu langen Staus kommt? «Die Meinung des Verbandes, aber auch meine persönliche Meinung ist sehr klar: Nein. Es braucht keine Maut. Es wäre erstens eine Ungleichbehandlung des Tessins; die Gotthard-Strecke ist die einzige Verbindung in den Südkanton, die während des ganzen Jahres problemlos befahren werden kann. Wenn wir hier die Kosten erhöhen, wäre das nicht solidarisch. Zweitens: Verkehr reagiert nicht sehr stark auf Preisänderungen, selbst wenn 20, 30 oder 40 Franken für eine Durchfahrt fällig würden. Der Verkehr wird nicht weniger. Es bringt also schlichtweg nichts, wenn man eine Maut einführen würde.» Die Schweiz habe 1848 entschieden, dass sie von den Binnenzöllen wegkommen wolle. «Verkehr und Mobilität sind Voraussetzungen, dass ein Land prosperieren kann. Wenn man am Gotthard eine Maut einführen würde, muss man sich fragen: Was passiert an Orten, die ebenso stark, wenn nicht stärker belastet sind? Vor dem Gubrist zum Beispiel? Soll man dort auch eine Maut einführen? Wenn wir das in unserem kleinen Land überall machen, dann würde das eine Zusatzbelastung für unsere Wirtschaft, das Gewerbe und die Bevölkerung bedeuten. Deshalb kommt eine Maut für unseren Verband absolut nicht in Frage.»
Als Astag-Vizedirektor weibelt er für den Ausbau der A1, über den im November an der Urne abgestimmt wird. Die Planung des Nationalstrassennetzes stamme aus den 50er- und 60er-Jahren. Seither seien Wirtschaft und Bevölkerung massiv gewachsen – und damit der Bedarf an Mobilität. Das Angebot reiche auf gewissen neuralgischen Strecken nicht mehr. «Es gibt Handlungsbedarf.» Verkehr auf längeren Strecken sollte immer auf dem Nationalstrassennetz fliessen: «So kann man vermeiden, dass er in die Dörfer und Städte ausweicht, wo man ihn nicht haben will, weil beispielsweise die Schulweg-Sicherheit gefährdet ist.»
Gibt es Möglichkeiten, die Staus auf den Autobahnen kurz- bis mittelfristig zu begrenzen? Eine Massnahme, die wirke, sei ein optimiertes Verkehrsmanagement – beispielsweise mit flexiblen Geschwindigkeiten, wie es heute schon praktiziert wird. «Bei 80 km/h hat eine Autobahn nachweislich die höchste Kapazität», so Kirchhofer. Geplant ist, das System mit flexiblen Geschwindigkeiten auf einer Länge von 1700 Kilometern einzuführen. «Eine zweite Massnahme ist die Umnutzung von Pannenstreifen; im Raum Bern hat man damit positive Erfahrungen gemacht.» Das am stärksten wachsende Segment sei im übrigen der Freizeitverkehr; «Mobilität also, die die man nicht zwingend braucht. Aus Verbandssicht muss ich sagen: Kein einziger Transportunternehmer fährt aus Vergnügen in der Gegend herum. Wenn man das Verkehrsproblem lösen wollte, müsste man im Freizeitverkehr ansetzen.»