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Der temperamentvolle Adler aus den Bergen

Trainer Josh Holden ist bei der HCD-Renaissance im Viertelfinal gegen Zug die Schlüsselfigur. 

Davos steht vor dem grössten Playoff-Triumph seit dem Rücktritt von Arno Del Curto am 27. November 2018: Noch ein Sieg und der Titan Zug ist gebodigt. Das hat etwas mit dem Erbe Arno Del Curtos zu tun. Die HCD-Renaissance ist ohne Erinnerungen an dessen Wirken nicht erklärbar.

Altbekannte Trainerkultur

Das alpine Reizklima in Davos oben hat nicht nur so manchem kurzatmigen Flachländer wohlgetan und Thomas Mann zu Weltliteratur inspiriert. Am Fusse der Zauberberge hat Arno Del Curto in mehr als 20 Jahren eine ganz besondere Führungskultur aufgebaut: Er konnte toben, als sei der Leibhaftige vom Jakobshorn herabgefahren und fand doch mit den Spielern immer wieder den Rank. Wenn sich bei einem Klub das Kabinenpersonal seit mehr als einer Generation an eigenwillige, bisweilen verbal rumpelnde Chefs gewöhnt hat – dann beim HCD. Christian Wohlwend hat diese Kultur auf seine Art und Weise weitergepflegt. Und nun also Josh Holden.

Der eingebürgerte Kanadier brachte es in unserer höchsten Liga als Spieler dreimal während einer Saison auf über 100 und einmal sogar über 200 Strafminuten. Er brachte eine prickelnde Mischung aus Mut, Härte, Talent und kompromisslosem Siegeswillen aufs Eis.

Im Sommer 2023 ist er als Trainer nach Davos geholt worden. Während des Spengler Cups hat unser staatstragendes Fernsehen im gleichen Jahr eine Kostprobe seines Temperamentes in alle Stuben übertragen: Die TV-Kameras hielten fest, wie Josh Holden seinen Stürmer Tomas Jurco auf der Spielerbank an den Schultern packt und anbrüllt. Bis nach Nordamerika schwappten die Diskussionen über die Legitimität dieser Aktion. Der HCD gewann Final und Spengler Cup.

Josh Holden mag ein Hitzkopf sein. Aber einer, der längst gelernt hat, seine Emotionen zu kontrollieren und gezielt so einzusetzen, dass sie wie Medizin wirken. Er hat sich unter dem bestmöglichen Lehrmeister auf seine Trainerkarriere vorbereitet: Bevor er die Herausforderung Cheftrainer in Davos angenommen hat, diente er fünf Jahre lang Zugs Cheftrainer Dan Tangnes als Assistent. Dan Tangnes und Josh Holden war ein Duo wie die Schöne und das Biest.

Es ist eine Ironie der helvetischen Hockeygeschichte, dass jetzt Josh Holden drauf und dran ist, seinem Lehrmeister einen ruhmvollen Abgang von der Bühne zu vermiesen. Und eine noch grössere, dass ausgerechnet die Zuger ihre liebe Mühe haben, die Emotionen zu kontrollieren – und nicht die Davoser: Zug ist mit 84 Strafminuten mit Abstand das «böseste» Team der Viertelfinals. Die robusten Davoser haben sich bisher mit 50 Minuten auf dem Sündenbänklein begnügt.

Playoffs sind die Fortsetzung des Hockeys mit anderen Mitteln. Deshalb spielt die Persönlichkeit des Trainers sehr wohl eine Rolle. Es hat eine gewisse Logik, dass die Zuger gegen Davos aus der Spur geraten sind: Dan Tangnes hat schon Ende November seine Rückkehr nach Schweden per Saisonende verkündet, Josh Holden hat einen Vertrag bis 2027. Ein freundlicher Chef, der geht, hat möglicherweise nicht mehr die gleiche Autorität wie ein strenger Chef, der bleibt. Mit etwas Boshaftigkeit und mit Einbezug der geographischen Lage dürfen wir sagen: Der Viertelfinal zwischen Zug und Davos ist auch das faszinierende Trainerduell einer lahmen Ente am See gegen einen Adler aus den Bergen. Und wer muss Federn lassen? Eben.

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