
Nach 1:6-Klatsche gegen die ZSC Lions: Kann der HC Davos im nächsten Halbfinal-Spiel reagieren?
Die Hoffnung auf den ersten Titel seit exakt zehn Jahren, auf den ersten Final ohne Arno Del Curto war berechtigt. Der HC Davos rollte in nur vier Spielen über Zug hinweg und fordert nun im Halbfinal die ZSC Lions. Die Davoser haben sieben der letzten acht Direktbegegnungen gegen die Zürcher gewonnen. Final, wir kommen! Oder doch nicht?
Die ZSC Lions überrollten am Samstag den HCD im ersten Halbfinal gleich mit 6:1. Zeitweise brausten sie über ihren Gegner hinweg, als sei der Leibhaftige vom Uetliberg herabgefahren. 50:35 Torschüsse. Zuletzt hatte der HCD in Zürich am 30. Oktober 2020 sechs Treffer kassiert. Aber lediglich 3:6 verloren. Eine Niederlage im ersten Spiel einer Playoff-Serie kann zwar korrigiert werden. Aber die bange Frage hat ihre Berechtigung: Ist die Playoff-Party für den HCD schon vorbei?
Nein, noch nicht. Der Optimist findet gute Gründe, zu sagen: 1:6 verloren – na und? Weil es in dieser ersten Partie noch zu viele «könnte», «hätte» und «wäre» gibt, die für den HCD sprechen.

Bild: Patrick B. Kraemer/Keystone
Zuversicht trotz missglücktem Start
Es war nämlich keine so einseitige Angelegenheit, wie das Resultat vermuten lässt. Der HCD hatte mit 35 Torschüssen durchaus dagegengehalten. Kloten vermochte im Viertelfinal den ZSC-Goalie maximal 27-mal zu prüfen.
Es gibt in der Beurteilung der Partie genug «könnte», «hätte» und «wäre», die Grund zur Zuversicht geben. ZSC-Trainer Marco Bayer räumte ein, dass seine Mannschaft im wilden Hin und Her des ersten Drittels mit drei Toren «hätte»in Rückstand geraten können. Und dann «wäre»das Spiel womöglich ganz anders verlaufen. Es «könnte» sein, dass die Zürcher bei mehreren Gegentreffern in der Startphase nicht zu ihrem schwungvollen, dynamischen und zeitweise begeisternden Spiel gefunden hätten, das schliesslich in der vielleicht besten Partie dieser Saison gipfeln sollte.

Bild: Claudio Thoma/freshfocus
Die Zürcher sind sich bewusst, dass es nicht einfach so weitergehen wird. Marco Bayer erwartet, dass die Davoser am Dienstag «kommen werden wie die Feuerwehr».
Die Zuversicht ist beim HCD jedenfalls durch diesen missglückten Auftakt nicht zerzaust worden. Trainer Josh Holden suchte keine Ausreden und beklagte sich nicht. Er sah die Ursache in den Mängeln des eigenen Spiels, das nicht der HCD-DNA entsprochen habe. «Wir sind zu wenig gelaufen, wir waren zu wenig unter der Haut der Gegenspieler.» Und trotzdem war der HCD zu 35 Abschlussversuchen gekommen. Nur in einem Spiel im Viertelfinal gegen Zug waren es noch mehr gewesen (43).

Bild: Claudio Thoma/freshfocus
So robust wie kein anderes Team
Ein 1:6 vermag weder den Trainer noch seine Spieler zu erschüttern. Die Davoser sind mental robust wie kaum ein anderes NL-Team. Dafür gibt es ein gutes Beispiel aus der Qualifikation: Im Herbst folgte vier Tage nach einem kläglichen 0:7 in Langnau ein 6:2 in Zug.
Was dem HCD zum Verhängnis werden kann, ist die vierte Linie der ZSC Lions. Marco Bayer hat sie als «Energie-Linie» gerühmt. Es heisst ja oft, die Mannschaft mit der besten vierten Linie werde Meister. Aber der ZSC-Bandengeneral muss erst noch den Mut finden, seine Worte vollumfänglich in die Tat umzusetzen und konsequent mit vier Linien Dampf zu machen und so das HCD-Tempospiel zu neutralisieren.
Nach wie vor ist die Differenz zwischen den Stars und den zu Recht hochgelobten Mitläufern bemerkenswert: Selbst wenn wir gut drei Minuten Powerplay-Zeit berücksichtigen, dann hatten Denis Malgin (19:36 Minuten) und Sven Andrighetto (19:12) denn doch im Vergleich zu den belobigten Mitläufern der vierten Linie – Joel Henry (8:26 Min.), Nicolas Baechler (11:26), Chris Baltisberger (10:05) – eigentlich zu viel Eiszeit. Zumal die Entscheidung bereits im ersten Drittel gefallen war.
Drei Youngster in der vierten Linie
Mit Tino Kessler, Enzo Corvi und Yannick Frehner fehlen beim HCD für den Rest der Saison verletzungsbedingt drei Stürmer, die auch bei jedem anderen NL-Team einen Stammplatz hätten. Enzo Corvi ist sogar einer der besten Mittelstürmer der Liga mit Schweizer Pass. Die Folge dieser Absenzen: Josh Holden setzte in Zürich zeitweise nur noch zehn Stürmer ein. Seine vierte Linie bildeten Beni Waidacher (18), Rico Gredig (20) und Julian Parré (22).

Bild: Ennio Leanza/Keystone
Die drei haben diese Saison zusammen 4 Tore beigesteuert, und für Beni Waidacher war es erst die vierte Partie mit dem HCD. Die ZSC Lions haben fraglos die viel bessere 4. Linie und damit beste Voraussetzungen, das HCD-Tempo auszuhalten.
Laufen, Tempo, Dynamik und Energie machen die DNA des HCD-Spiels aus. Noch ist der HCD nicht verloren. Am Ende wird es auf die Frage hinauslaufen, ob die Davoser genug Personal und Energie haben, um den ZSC Lions davonzulaufen. Nach dem Motto: So weit die Füsse tragen …