Sie sind hier: Home > Energie > Gegen die Stromlücke: Bund will mit den Reservekraftwerken verhandeln

Gegen die Stromlücke: Bund will mit den Reservekraftwerken verhandeln

Um die drohende Stromknappheit abzuwenden, macht der Bundesrat nun Abstriche beim Umweltschutz. Er will, dass mit Betreibern von Öl-Kraftwerken verhandelt wird.

Jetzt wirds schmutzig. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom Mittwoch grünes Licht für Verhandlungen mit den Anbietern von Reservekraftwerken gegeben. Die Energie daraus soll «ergänzend zur Wasserkraftreserve bereits im kommenden Spätwinter zur Bewältigung von ausserordentlichen Knappheitssituationen bereitstehen», heisst es in der Mitteilung.

Dabei muss ein Betrieb «möglichst» auch mit Öl funktionieren. Dieser Betrieb ist zwar klimaschädlicher als Gas, weil bei der Verbrennung mehr CO2 entsteht, dafür sollte im Winter genügend Öl verfügbar sein – was beim Gas aufgrund der Abhängigkeit von Russland ungewiss ist.

Um welche Kraftwerke es sich bei den Verhandlungen genau handelt, schreiben das Bundesamt für Energie (BFE) und das Bundesamt für Wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) in ihrer Mitteilung nicht. Man habe mit den Kantonen und einer Vielzahl von Betreibern «umfangreiche Abklärungen» getroffen. Bereits am Wochenende war aber publik geworden, dass der Bund das Kraftwerk von Ansaldo in Birr sondiert hat. Dieses ist exakt für so eine Nutzung geeignet.

Wenn der Strom knapp wird und es zu einer Mangellage kommt, kann der Bund in mehreren Stufen lenkend eingreifen.

1. Sparappelle: In einem ersten Schritt würde der Bund die Bevölkerung zum freiwilligen Stromsparen aufrufen.

2. Verbote: Hält die Mangellage trotz Sparappellen an, kann der Bundesrat den Betrieb von «nicht zwingend benötigten Geräten und Anlagen» wie beispielsweise Rolltreppen, Leuchtreklamen oder Saunen einschränken oder verbieten.

3. Kontingentierungen: Reicht auch Stufe 2 nicht aus, kann der Bundesrat den Strom für rund 30’000 Grossverbraucher kontingentieren.

4. Netzabschaltungen: Als Ultima Ratio könnte es für alle Verbraucher mehrere Stunden zu Netzabschaltungen kommen.

Grenzwerte müssen angehoben werden

Jene sehr ausstossintensiven Kraftwerke kämen zum Einsatz, wenn «der Strommarkt vorübergehend nicht in der Lage ist, die Nachfrage zu decken.» Insgesamt haben die Abklärungen ein Potenzial von insgesamt über 300 Megawatt Leistung für den Einsatz im Spätwinter eruiert. Das entspräche rund 80 Prozent der Leistung des abgeschalteten KKW Mühleberg. Der Einsatz der Reservekraftwerke soll per Verordnung erfolgen. Diese solle «spätestens Mitte Februar 2023 in Kraft treten und später von einer Regelung im Gesetz abgelöst werden».

Für den Betrieb von solchen Öl-Kraftwerken sollen die Grenzwerte der Luftreinhalteverordnung und allenfalls der Lärmschutzverordnung zwischen Februar 2023 und Mai 2023 «temporär aufgehoben» werden. Das sei nötig, «falls diese Anlagen im Falle einer kritischen Stromsituation länger als 50 Stunden pro Jahr laufen sollten». Neben dem Einsatz der Reservekraftwerke soll auch der Einsatz von 300 Notstromaggregate mit einer Gesamtleistung von rund 280 Megawatt geprüft werden. Dies sei aber komplex: «Die Eigentümer müssten der Nutzung als Reservekraftwerke zustimmen, auch sind noch Fragen zur Logistik zu klären (Abruf, Brennstoffbeschaffung, Vergütung).» (mg)