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Stromimporte im Winter: Ständerat möchte Abhängigkeit verringern

Die Schweiz soll im Winter weniger abhängig von importiertem Strom werden. Der Ständerat möchte massiv mehr erneuerbare Energie zubauen. Dafür ist er aber nicht bereit, den  Umweltschutz zu opfern.

Die Energiekrise elektrisiert und lähmt die Politik zugleich. Das zeigte sich am Donnerstag einmal mehr im Ständerat. Auf dem Tisch lag das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Darüber hatte die kleine Kammer bereits vor einer Woche ihre Beratungen aufgenommen und diese am Donnerstag fortgesetzt.

Auch nach über 12 Stunden Redezeit bleibt das Dilemma der Politik: Wie stark soll der Ausbau erneuerbarer Energien auf Kosten von Natur- und Umweltschutz gehen? Die Kommission hatte darauf eine simple Antwort: Solarenergie bauen, koste es, was es wolle. Die radikale Forderung, den Umweltschutz faktisch auszuhebeln, hatte bereits letzte Woche Schiffbruch erlitten.

Ein Déjà-vu dürften manche Ratsmitglieder am Donnerstag gehabt haben. Ausgangspunkt war der Vorschlag des Bundesrates, zwei Terawattstunden (TWh) Strom zuzubauen, um die Stromlücke im Winter langfristig zu schliessen. Dadurch soll die Schweiz sich weiterhin 22 Tage selbst mit Strom versorgen können.

Ständerat treibt Stromzubau voran

Der Kommission des Ständerates genügte das nicht. Sie nahm erneut den Zweihänder raus und brachte erneut eine radikale Idee aufs Tapet. Der Bau neuer Anlagen sollte anderen nationalen Interessen wie etwa dem Umweltschutz vorgehen. Vorausgesetzt, die Schweiz muss in zwei aufeinanderfolgenden Winterhalbjahren netto mehr als 5 TWh Strom importieren.

Der Mehrheit stiess der Vorschlag sauer auf. Roberto Zanetti (SP/SO) kritisierte, den Umwelt- und Naturschutz über Bord zu werfen, sei inkonsequent und verfassungsrechtlich bedenklich. Benedikt Würth (Mitte/SG) widersprach: «Ich bin verfassungstreu.» Denkbar sei, dass sich das Volk über eine allfällige Verfassungsänderung äussern könne.

Vorlage nicht an die Wand fahren

Deutliche Worte wählte Bundesrätin Simonetta Sommaruga. «Wenn Sie diese Vorlage nicht an die Wand fahren wollen, dann braucht es eine differenzierte Lösung.» Erst letzte Woche habe der Ständerat diesen Kahlschlag gegenüber allen umweltrechtlichen Bestimmungen abgelehnt – «und jetzt kommen Sie mit der Keule». Die Energieministerin kritisierte auch, der Richtwert von 5TWh habe «sehr viel Zufälliges».

Das überzeugte am Ende auch die Mehrheit. Sie sprach sich für einen Ausbau um 6 TWh bis 2040 aus. Zudem möchte sie die Voraussetzungen schaffen, um die 15 definierten Projekte des Runden Tisches umzusetzen. «Es muss rasch geschehen», betonte Jakob Stark (SVP/TG). Der Entscheid fiel mit 24 zu 21 Stimmen.

Ambitionierte Ziele

Unbestritten war der Winterzuschlag, der vor allem grossen Speicherkraftwerken zugutekommt. Geht es nach dem Bundesrat werden bei Stromkonsumenten maximal 0,2 Rappen zusätzlich pro Kilowattstunde fällig. Eine strategische Energiereserve soll garantieren, dass Strom gegen Ende Winter verfügbar ist.

Keine Subventionen möchte der Ständerat für sogenannte Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen vorsehen. Die Kommission hatte vorgeschlagen, gasbetriebene Anlagen mit einem Investitionsbeitrag von 60 Prozent zu fördern.

Um den Ausbau zu forcieren, hatte der Ständerat letzte Woche deutlich höhere Zielwerte für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien ins Gesetz geschrieben. Bis 2035 müssen es – ausgenommen ist die Wasserkraft – 35 Terawattstunden sein, bis 2050 mindestens deren 45. Der Bundesrat hatte 17 Terawattstunden bis 2035 vorgeschlagen und 39 bis 2050. Der Ständerat hiess das Gesetz am Ende ohne Gegenstimme gut. Nun geht die Vorlage an den Nationalrat.