Obwohl umstritten: Regierung präsentiert das kantonale Energiegesetz unverändert, der GLP-Präsident ist verärgert
Der Aargauer Regierungsrat legt dem Grossen Rat seinen Vorschlag für die Teilrevision des kantonalen Energiegesetzes vor. Herzstück sind die Bestimmungen rund um den Heizungsersatz: Der Einbau von Gas- und Ölheizungen soll weiter erlaubt bleiben. Nach einem Heizungsersatz müssen aber mindestens zehn Prozent des Energieverbrauchs des Hauses durch Erneuerbare gedeckt werden – etwa durch die Beimischung von Biogas. Anders gesagt: 90 Prozent dürfen weiterhin durch fossile Energieträger gedeckt werden.
Eine Pflicht für die Eigenstromproduktion, etwa durch Solarpanels, ist nicht vorgesehen. Nach neuem Gesetz müssten aber zentrale Elektroboiler innert 15 Jahren ersetzt werden. Hinzu kommen Bestimmungen für die Gebäudeautomation bei neuen Geschäfts- und Industriebauten, Anpassungen bei Meldeverfahren sowie eine Härtefallregelung beim Heizungsersatz.
Eine kleine Anpassung
Vor einem Jahr hat der Aargauer Regierungsrat die Vernehmlassung zur Teilrevision des Energiegesetzes durchgeführt. Den jetzt präsentierten Entwurf für den Grossen Rat hat er gegenüber der ersten Version nur ganz minim angepasst: Wer seine Heizung ersetzt, hat ab Erteilung der Bewilligung drei Jahre Zeit, die Massnahmen für zehn Prozent erneuerbare Energien umzusetzen. Die alte Version sah vor, dass dies sofort, bei Inbetriebnahme der Heizung, der Fall ist.
Dabei kam das Gesetz in der Vernehmlassung überhaupt nicht gut an: Von links wurde der Vorschlag als «aus der Zeit gefallen» kritisiert, die SP füllte den Fragebogen gar nicht erst aus. Zu schwach und zahnlos fanden das Gesetz auch Grüne und GLP.
Anderen ging es trotzdem zu weit. Die SVP lehnte ausser der Härtefallregelung praktisch alle Vorschläge ab. Ganz zurückgewiesen wurde das Gesetz vom Hauseigentümerverband Aargau (HEV). Er will steuerliche Vorteile bei energetischen Sanierungen und einfachere Bestimmungen.
Zufrieden, weil sie das Gesetz als mehrheitsfähig sehen, waren Mitte, EVP und – zumindest grundsätzlich – die FDP. Sie ist die Partei von Energiedirektor Stephan Attiger.
Neue Ausgangslage nach Abstimmungen
Dieser wollte mit der Präsentation des neuen Vorschlags bis nach den Klimaabstimmungen vom Juni zuwarten: Das nationale Klimaschutzgesetz wurde angenommen, auch von den Aargauerinnen und Aargauern, die kantonale Klimaschutzinitiative lehnten sie gleichentags deutlich ab. Man könne unter neuesten Voraussetzungen debattieren, warte man Vorlagen an Urne und im nationalen Parlament ab, sagte Attiger nach den Abstimmungen. Im Ja zum Klimaschutzgesetz sah er Handlungsbedarf.
Dem werde man mit dem Vorschlag zum neuen Energiegesetzt gerecht, heisst es am Freitag in einer Medienmitteilung der Staatskanzlei. Das Stimmvolk habe mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes dem Netto-Null-Ziel des Bundesrats – und damit den Fördergeldern für Massnahmen – zugestimmt.
Gleichzeitig habe die Auswertung der öffentlichen Anhörung ergeben, dass die Erwartungen an das Energiegesetz «in völlig entgegengesetzte Richtungen gehen», wie der Regierungsrat zur Kenntnis nahm. Auf der einen Seite werde eine viel griffigere Ausgestaltung erwartet. Die andere Seite stelle grundsätzlich infrage, ob man überhaupt etwas tun müsse, und verweise auf die aktuelle Entwicklung der Energiepreise und die Eigenverantwortung der Hausbesitzer.
Mit in die Überlegungen ein floss der dringliche Bundesbeschluss für die Verpflichtung zur Nutzung von Solarenergie bei Neubauten ab einer bestimmten Grösse. Und schliesslich habe sich der Grosse Rat bei der Beratung einer Motion gegen ein Verbot fossiler Heizungen ausgesprochen.
In der Summe sei der Regierungsrat zum Schluss gekommen, an seinem Vorschlag zur Teilrevision des Energiegesetzes praktisch unverändert festzuhalten, so die Medienmitteilung.
GLP: Furcht vor erneuter Abstimmung?
Sehr zum Ärger von Philippe Kühni, Präsident der Aargauer Grünliberalen. «Dieses Gesetz steht so völlig schräg in der Landschaft», sagt er gegenüber der AZ. Einerseits werde ausgeblendet, was in der gesamten Energiewirtschaft in den letzten eineinhalb Jahren geschehen ist. Andererseits könne man mit diesem Gesetz die Vorgaben des Bundes und die klimapolitischen Ziele nicht einhalten.
Dass der Regierungsrat diesen Vorschlag dennoch präsentiert, könnte mit dem Risiko einer erneuten Volksabstimmung zusammenhängen, glaubt der GLP-Präsident. Wir erinnern uns: Im September 2020 lehnten die Aargauerinnen und Aargauer eine erste Version des neuen Energiegesetzes an der Urne knapp ab. Das Behördenreferendum hatte die SVP ergriffen. Allerdings lehnte auch die GLP das Gesetz im Grossen Rat ab, weil es ihr schon damals zu wenig weit ging.
Der jetzt vorliegenden Version würden die Bürgerlichen zustimmen, glaubt Kühni. «Sie hat aber überhaupt keinen Inhalt. Man könnte gerade so gut gar nichts machen.» Die GLP werde sich dagegen wehren, stellt er in Aussicht. «Es ist chancenlos, dass wir diesem Gesetz zustimmen.»
Die Aargauer Energiepolitik
Die Energiestrategie des Regierungsrats baut auf drei Säulen auf:
Erstens der Ausbau desGebäudeprogramms: Im letzten Dezember hat der Grosse Rat einen Zusatzkredit über 52,8 Millionen Franken für das Programm gesprochen. Die Mittel werden insbesondere für Förderungen beim Ersatz fossiler Heizungen und Fernwärmenetzausbauten benötigt.
Zweitens die Umsetzung der Solaroffensive: Die Solarenergie soll längerfristig wesentlich zur Stromversorgung beitragen. Das vorhandene Potenzial soll – auf freiwilliger Basis – besser ausgeschöpft werden.
Drittens die Teilrevision des Energiegesetzes. Ein erster Vorschlag für die Teilrevision des kantonalen Energiegesetzes haben die Aargauerinnen und Aargauer im September an der Urne abgelehnt. Anschliessend wurde ein Runder Tisch «Energie» gefordert, was das Departement Bau, Verkehr und Umwelt umsetzte. Die Ergebnisse dieser Gespräche sind in den neuen Vorschlag fürs Energiegesetz eingeflossen. Die Anhörung hat im letzten Sommer stattgefunden.Voraussichtlich im Herbst wird sich der Grosse Rat über das jetzt vorliegende Energiegesetz beugen.