Russischen Separatisten droht der Erfrierungstod – die Folgen könnten auch für Moldawien dramatisch werden
Für gewöhnlich wartet Wadim Krasnoselski mit Erfolgsmeldungen im sowjetischen Stil auf. Doch diesmal ist es anders. «Das Leben der Bürger unseres Staates ist gefährdet, denn es ist unmöglich, die Bevölkerung mit der nötigen Energiemenge zu versorgen.» So warnte am Wochenende der «Staatschef» von Transnistrien, dem von Moldawien faktisch unabhängigen, prorussischen Separatistengebiet.
Schuld daran ist laut Krasnoselski der östliche Nachbar Ukraine, der am 1. Januar den russischen Erdgas-Transit durch das Gebiet gestoppt hat. Krasnoselski hat deshalb sein Parlament einen Notstand bis 8. Februar ausrufen lassen. Der 54-Jährige ist der Chef von noch rund 450’000 mehrheitlich russischsprachigen Transnistriern, die auf einem schmalen Landstrich östlich des Flusses Dnister ausharren, der sich nach einem blutigen Bürgerkrieg 1990 für unabhängig erklärt hat.
Laut Meldungen aus der transnistrischen «Hauptstadt» Tiraspol sind infolge des russischen Erdgaslieferstopps bis zum Wochenende 72’000 Haushalte gänzlich ohne Erdgas geblieben, 115’000 weitere Haushalte erhielten nur kleine Gasmengen zum Kochen. 1500 Wohnblocks aus Sowjetzeiten hatten dazu weder Heizung noch Warmwasser.
Bei Temperaturen von unter minus 10 Grad droht so der am meisten verarmten Bevölkerungsgruppe ausserhalb der Städte der Erfrierungstod. In Tiraspol selbst hat die autokratische Regierung des Separatistengebietes dreissig beheizte Noträume einrichten lassen.
Laut Sergej Obolonik, dem transnistrischen «Wirtschaftsminister», soll die Gasversorgung einzig für die allgemeinen Spitäler gewährleistet sein – und dies nur noch dreissig Tage lang.
«Alle Produktionsstätten ausser für Grundnahrungsmittel sind vorübergehend geschlossen», sagte Obolonik in einem Interview mit der weissrussischen Presse. Das grosse Gas-Elektrizitätswerk am Ciucuirgan-See an der Grenze zur Ukraine, das bisher auch 80 Prozent des Strombedarfs der prowestlichen Republik Moldau gedeckt hat, wird soweit möglich auf Kohle umgestellt.
Allerdings sollen die Kohlereserven Transnistriens nur für dreissig bis fünfzig Tage ausreichen. Auch hier ist die Nachschublieferung ab Ende Februar unklar, denn sämtliche Grenzübergänge zur Ukraine sind seit der russischen Invasion vor fast drei Jahren geschlossen und streng bewacht. Dies nach Drohungen Wladimir Putins, die rund 1500 in Transnistrien stationierten russischen Soldaten wenn nötig Richtung Odessa marschieren zu lassen.
Der Kreml hofft vor den Wahlen im Sommer auf Auftrieb für prorussische Parteien
Auch das Parlament in Chisinau hat bereits Mitte Dezember einen Notstand bis Mitte Februar beschlossen. Das erlaubt der prowestlichen Regierung von Dorin Recean, unbürokratische Massnahmen zu ergreifen, um die Gas- und Stromversorgung für die rund 2,5 Millionen Einwohner Moldawiens zu sichern – zum Beispiel durch Ankäufe in Rumänien.
Recean versichert seitdem immer wieder, dass er die moldawischen Bürger in Transnistrien nicht vergesse und auch ihnen Energie liefern wolle. Allerdings sind nur zwei Ortschaften in Transnistrien überhaupt ans moldawische Gasnetz angeschlossen.
Für Russland ist die jetzige Lage von Vorteil. Kommt es in den Separatistengebieten zu ersten Erfrierungstoten, könnten darauffolgende Fluchtbewegungen nach Chisinau in Moldawien zu sozialen Problemen und Protesten führen. Davon würden die prorussischen Parteien profitieren, die zu Moldawiens Wahlen in diesem Sommer antreten. Spätestens dann sollen laut dem Willen des Kremls die Putin-treuen Parteien auch im Westteil Moldawiens wieder die Oberhand gewinnen.