19 Millionen Franken für Gebäudesanierungen – warum ausgerechnet die Aargauer Hauseigentümer dagegen sind
Ende Jahr läuft das kantonale Förderprogramm Energie aus. Das Programm fördert die Energieeffizienz der Häuser im Aargau. Wer eine energetische Sanierung vornimmt, die C02-Emissionen und Energieverbrauch reduziert, kann einen Zustupf geltend machen.
2020 hat der Grosse Rat für das Förderprogramm Energie bei den Gebäuden 75,42 Millionen Franken gesprochen. Davon sind 12 Millionen kantonale Mittel, der Rest wird durch die Globalbeiträge des Bundes aus der CO2-Abgabe gedeckt. DieNachfrage nach diesen Geldern ist gross, das Budget war rasch aufgebraucht. Insbesondere beim Ersatz von fossilen Heizungen durch Wärmepumpen liessen sich die Aargauerinnen und Aargauer bisher gerne unterstützen.
Im Herbst 2022 beantragte der Regierungsrat beim Grossen Rat deshalb einenZusatzkredit über 52,8 Millionen Franken für das Förderprogramm, mit einem Kantonsbeitrag über 19 Millionen Franken. Das hiess der Rat gut, obwohl die SVP-Fraktion geschlossen dagegen stimmte. Auch vier Freisinnige lehnten den Zusatzkredit ab, darunter Jeanine Glarner, die Präsidentin des Aargauer Hauseigentümerverbands (HEV). Zusätzliche Fördergelder setzten keine Anreize, das regle der Markt, argumentierte der HEV damals. Das Förderprogramm Energie sei also einzustellen.
Regierung will Programm nahtlos weiterführen
Bei dieser Haltung ist der Verband geblieben. «Das Gebäudeprogramm verschleudert Steuergelder, generiert Mitnahmeeffekte und erweist sich als wenig wirksam», schreibt derHEV in einer Medienmitteilung.Der Regierungsrat möchte das Förderprogramm Energie nahtlos weiterführen. 194,4 Millionen Franken soll der Grosse Rat sprechen, 48 Millionen würden vom Kanton kommen. Die Erfahrungen mit den Förderprogrammen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass die Energieeffizienz gesteigert und der CO2-Ausstoss markant gesenkt werden könne, schreibt der Regierungsrat.
Bis Mitte Juni ist das Programm in der Anhörung bei Parteien und Verbänden. Der HEV hat seine Eingabe bereits gemacht. Statt es zu verlängern, sei dessen Einstellung notwendig, schreibt er. Dies aber nicht nur im Kanton: Der HEV rege an, dass sich der Regierungsrat bei einer Revision des Gesetzes auchauf Bundesebene gegen dasGebäudeprogrammeinsetzt.
Hausbesitzende würden diese Massnahmen auch ohne Fördergelder umsetzen, weshalb diese unnötig seien. Die Nachfrage nach energetischen Sanierungen und emissionsarmen Heizungen sei massiv gestiegen, was zu langen Wartefristen führe. «Nicht fehlende Subventionen sind das Problem, sondern qualifiziertes Planungs- und Installationspersonal», schreibt der HEV.
CO2-Abgaben zurück an die Bevölkerung
Stattdessen will der Verband auf CO2-Abgaben setzen. Diese schafften Anreize zur Verminderung von Emissionen. Eine Erhöhung dieser Abgabe sei für den HEV denkbar, um einen forscheren Absenkungspfad anzustreben. «Aber selbstverständlich nur unter der Bedingung, dass die Abgabe komplett an die Bevölkerung zurückerstattet wird.»
Anders als bei den letzten zwei Krediten für das Förderprogramm Energie fordert der HEV diesmal keine Steuersenkung. Das habe man im Grossen Rat mit zwei Postulaten versucht, sagt Präsidentin Jeanine Glarner. Unter anderem wegen der Steuerharmonisierung sei das nicht möglich, meinte die Regierung, was nachvollziehbar sei. Bei der Rückerstattung der CO2-Abgabe aber bleibt der HEV hart. Das könne über Krankenkassenprämien, die Mehrwert- oder die Einkommenssteuer geschehen, so Glarner.
Tatsache ist: Nur wer ein Gebäude besitzt und dieses sanieren will, profitiert von Geldern des Förderprogramms Energie. Müsste also nicht gerade der Hauseigentümerverband das Programm unterstützen? Die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer hätten durch die hohen Energiepreise Anreiz genug, ihre Häuser zu sanieren, sagt Jeanine Glarner. Zudem könnten Sanierungen, die ohne Fördergelder durch den Kanton vorgenommen werden, vollumfänglich von den Steuern abgezogen werden.
Derweil würden bezogene Fördermittel zum steuerbaren Einkommen dazugezählt, was den Hausbesitzer unter Umständen in eine höhere Progression bringe, während der Steuerabzug für die Sanierung nur noch abzüglich der Fördermittel geltend gemacht werden könne. «Am Schluss haben die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer gar nichts davon», so Glarner.
Programm sei ineffizient, sagt Avenir Suisse
Dafür werde die Verwaltung beschäftigt. «Gesamtwirtschaftlich ist das Gebäudeprogramm Energie nicht effizient», sagt die HEV-Präsidentin. Sie verweist auf eine Studie von Avenir Suisse, die zum Schluss kommt, dass das Gebäudeprogramm das ineffizienteste und klimaunwirksamste Instrument in der Schweiz sei. Ob der HEV damit im Grossen Rat diesmal Gehör findet, bezweifelt Glarner. Aber man wolle Transparenz schaffen und immer wieder auf die Mängel des Programms hinweisen.
Doch bevor der Grosse Rat über die Weiterführung des Förderprogramms Energie befindet, beugt er sich am Dienstag in zweiter Lesung über das kantonale Energiegesetz. Eine erste Version des Gesetzes scheiterte im September 2020 äusserst knapp an der Urne – HEV und SVP hatten sich dagegen gestellt. Die neue,abgespeckte Version des Gesetzeshat der Grosse Ratim vergangenen November in erster Lesungüberwiesen.
HEV und AIHK können mit neuem Energiegesetz leben
Die Kommission für Umwelt, Bau, Verkehr und Energie (UBV) stimmt der Revision grundsätzlich mit grosser Mehrheit zu. Gestrichen hat sie aber die Pflicht zur Automation von Gewerbe- und Industriegebäuden. Dieser Aspekt und vor allem die Härtefallklausel, seien entscheidend, so Glarner. Stellt sich der HEV also diesmal hinter das Energiegesetz? Wirklich überzeugt ist die Präsidentin noch nicht. Aber: «So wie die Kommission das Gesetz beraten hat, können wir damit leben.»
Das kann auch die Aargauische Industrie- und Handelskammer (AIHK), wie sie mitteilt. Und zwar ebenfalls, weil die Gebäudeautomationspflicht wegfalle. Diese sei ohne Mehrwert, findet die AIHK, sie ruft entsprechend die Mitglieder des Grossen Rats dazu auf, den Paragrafen aus dem Gesetzesentwurf zu streichen. Die Pflicht zur Gebäudeautomation im Gesetz abzubilden, sei kompliziert und unnötig. Doch: «Ohne sie stellt die Vorlage einen gelungenen und mehrheitsfähigen Kompromiss dar.»
Gesetz auch bei Linken umstritten
Allerdings: Das Energiegesetz war bisher nicht nur in der Wirtschaft, bei den Hauseigentümern und den Bürgerlichen umstritten. Grüne, GLP und SP kritisieren es als zahnlos, man könne gerade so gut gar nichts machen, sagte bei der Präsentation etwa GLP-Präsident Philippe Kühni. Teile der Grünen lehnten es gar bereits in erster Lesung ab.