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Sommaruga will die Stromlücke mit Gas verhindern – der Aargau bringt sich in Stellung

Energieministerin Simonetta Sommaruga gibt Gas und stellt bereits die nächsten Massnahmen vor. Zu reden geben wird die Energiequelle – und die Standortfrage für neue Kraftwerke.

Jedes Jahr gegen Ende des Winters leeren sich die Wasserspeicher der Schweiz. Mal mehr, mal weniger. Aber stellt man sich die Füllbestände als Grafik vor, dann bedeutet der April immer eine Talsohle vor den Sommermonaten. Manchmal sinken die Speicherreserven, die den Winterstrom garantieren, sogar bis unter zehn Prozent.

Dies ist heute zwar noch kein Problem, doch das könnte sich bald ändern. Weil die Leute immer mehr Energie verbrauchen, gleichzeitig aber auf Atomkraftwerke verzichten möchten, wird der Strom knapp. Im Ausland ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten; mehr denn je ist jedes Land um seinen eigenen Energiehaushalt besorgt. Auch darum zählt eine Stromlücke vor allem in den kalten Monaten ab 2025 zu den grössten Bedrohungen für die Schweiz.

Massnahmen bereits ab nächstem Winter

Bereits zum zweiten Mal innert zwei Wochen trat Energieministerin Simonetta Sommaruga vor die Medien, um Massnahmen gegen ein Katastrophenszenario vorzustellen. Bereits ab Winter 22/23 will der Bundesrat eine Wasserkraftreserve einrichten. «Diese sieht vor, dass Speicherkraftwerksbetreiber gegen Entgelt eine bestimmte Menge Energie zurückbehalten, die bei Bedarf abgerufen werden kann», heisst es in einer Medienmitteilung vom Donnerstag.

Zu reden geben wird aber vor allem eine andere Massnahme: Der Bundesrat will gestaffelt «zwei bis drei Gaskraftwerke mit einer Leistung von insgesamt bis zu 1000 Megawatt» bauen. Gaskraftwerke mitten in der Energiewende? Die CO2-Schleudern stehen ziemlich quer in einer Politiklandschaft, in der die Parteien von links bis weit in die FDP fast ausschliesslich von den erneuerbaren Energiequellen reden. Wohl auch deshalb hatte der Konjunktiv an der Pressekonferenz vom Donnerstag Konjunktur. Nur in Ausnahmefällen soll auf die Leistung des Gaskraftwerke zurückgegriffen werden, sagte Sommaruga. Werner Luginbühl, Chef der unabhängigen Eidgenössischen Elektrizitätskommission Elcom, formulierte es so: «Gaskraftwerke sollen nur in Notfällen laufen, und wenn, dann selten und nur kurz.» Der Hintergrund ist klar: Niemand will eine Klimadebatte um fossile Energien zusätzlich anheizen.

Gas-Peaker: Praktisch, spontan, unökologisch

Eine Technologie steht als Überbrückungshilfe dafür im Vordergrund: die Spitzenlast-Gaskraftwerke, auch «Peaker» genannt. Sie sind so etwas wie ein kleiner Generator in den Camping-Ferien: unökologisch, aber für Ausnahmesituationen spontan und kurzzeitig einsetzbar. Aufgrund der immer drängenderen Problematik hat die Elcom eine Studie ausgearbeitet, die den Einsatz von Peakern in der Schweiz diskutiert. Fazit: Derlei Gaskraftwerke können helfen, die Versorgungssicherheit in der Schweiz kurzfristig zu gewährleisten. Die Elcom hat bereits im Rahmen einer Vorstudie 17 Standorte evaluiert. Die Liste ist zwar nicht abschliessend. Aufgrund des Zeitdrucks kann man aber davon ausgehen, dass darauf die Favoriten stehen.

Nichtsdestotrotz: Gas-Energie hat in der Schweiz einen schweren politischen Stand. Viele Kantone kennen hohe gesetzliche Hürden dafür. Auch deshalb kann man hinter manche Standorte auf der Liste ein Fragezeichen setzen. Schweizerhalle beispielsweise wäre wegen der Verkehrsanbindung ein guter Standort. Aber die Bevölkerung hat sich in den vergangenen Jahren stark gegen ein neues Kraftwerk gewehrt – und für langwierige politische Auseinandersetzungen fehlt die Zeit.


«Das geht nur, wenn man Birr nimmt»

Ganz anders sieht es im angrenzenden Kanton Aargau aus. Dort bringt man sich bereits deutlich in Stellung für eine neue Energie-Anlage. Wobei, ganz neu wäre ein Kraftwerk nicht: In Birr stehen bereits Gasturbinen, die kurzfristig Strom liefern können – ziemlich genau jene Technologie also, die der Bund als Notversicherung installieren möchte. «Die Chancen stehen gut, dass Birr einer der Standorte für ein Gaskraftwerk wird», sagt Adrian Fahrni, Abteilungsleiter des kantonalen Amts für Energie. Die Bedingungen seien ideal, weil es genügend Fläche biete sowie über die nötigen Zu- und Ableitungen verfüge. «Dazu steht der Kanton dem Unterfangen sehr befürwortend gegenüber», sagt Fahrni.

Zwar stellen sich auch im Aargau noch einige Fragen. Die aktuell eingesetzten Turbinen müssten erst noch an die neuen Anforderungen angepasst werden. Dennoch ist Fahrni der erste, der einen zeitlichen Horizont nennen kann: «Noch ist vieles unklar. Ich rechne aber mit einer Zeitspanne von ungefähr vier Jahren, bis ein Kraftwerk den Betrieb aufnehmen könnte.» Fahrni geht noch weiter in seiner Bewerbung: «Diese Zeit kann wohl nur eingehalten werden, wenn man Birr nimmt.»

Westschweiz steht ebenfalls im Fokus

Als weitere Standorte steht die Westschweiz im Fokus, wie aus gut unterrichteten Quellen zu erfahren ist. In Neuenburg und Wallis müsste man ebenfalls nicht bei null anfangen. So scheiterte eine Umnutzung des ehemaligen Kraftwerks Chavalon erst 2017 an der Wirtschaftlichkeit.

Eines ist klar: Grün sind die Peaker nicht. Der Wirkungsgrad eines solchen Kraftwerks schätzt Fahrni auf ungefähr 35 bis 40 Prozent. Das bedeutet 550 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Das gibt noch Anlass zu Diskussionen, wenn die neue Verordnung demnächst in die Vernehmlassung geht. Aber in den ersten Stellungnahmen stellten sich selbst SP und Grüne hinter die neuen Pläne aus dem Departement für Umwelt und Energie. Zu viel steht auf dem Spiel: Stromsicherheit auch im Winter.