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Warum ist die Erbschaftssteuer für Lebenspartner und Geschwister so hoch – könnte man sie nicht abschaffen?

FDP-Fraktionschef Silvan Hilfiker stellt der Regierung kritische Fragen zur Erbschafts- und Schenkungssteuer, die Ehe und das klassische Familienmodell bevorzuge. Die Regierung hält dagegen, hier würde niemand diskriminiert. Von einer Abschaffung hält sie nichts.

Der FDP-Fraktionschef im Grossen Rat, Silvan Hilfiker, stellt der Regierung in einer Interpellation kritische Fragen zu den Erbschafts- und Schenkungssteuern. Hilfiker verweist darauf, dass der Aargau bei Ehegatten, eingetragenen Partnern, Nachkommen und Eltern weder eine Erbschafts- noch eine Schenkungssteuer kennt. Anders sei dies bei Lebenspartnern (Klasse 1), Geschwistern und Grosseltern (Klasse 2) oder anderen Steuerpflichtigen (Klasse 3).

Hilfiker: «Da variiert die Steuer zwischen 4 und 32 Prozent. Der Staat benachteiligt damit Personen, die einen Lebensentwurf wählen, der keine Ehe, keine eingetragene Partnerschaft oder keine eigenen Kinder einschliesst. Oder anders: Er begünstigt die Ehe und das klassische Familienmodell.» Das entspreche schon lange nicht mehr der gelebten Realität und widerspreche dem Grundsatz einer liberalen Gesellschaft, kritisiert der FDP-Fraktionschef.

Anreiz, vorhandenes Vermögen zu verbrauchen?

Der Staat schaffe damit für Ledige, Kinderlose oder Personen, die nicht in einer klassischen Ehe lebten, einen Anreiz, vorhandenes Vermögen zu verbrauchen, anstatt es einem Lebenspartner oder einer Lebenspartnerin, Geschwistern oder Patenkindern zu schenken oder zu vererben.

Bei der Vererbung oder bei einer Schenkung werde in solchen Fällen die Substanz besteuert, «obwohl das angesparte Vermögen bereits als Einkommen und Vermögen besteuert wurde. Es handelt sich also um eine doppelte Besteuerung», so Hilfiker weiter.

Jetzt will er wissen, ob es «der Regierungsrat im Jahr 2022, in dem eine Ehe für alle möglich ist, als angemessen erachtet, dass bestimmte Lebensentwürfe, die nicht dem traditionellen Familienmodell entsprechen, bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer diskriminiert werden»? Ob das nicht dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widerspreche?

Könnte sich Regierung vorstellen, diese Steuer ganz abzuschaffen?

Attraktive Erbschafts- und Schenkungssteuern seien für vermögende Personen ein interessanter Standortfaktor, macht Hilfiker geltend. Und er fragt, warum der Regierungsrat in der Steuerstrategie (die demnächst im Grossen Rat traktandiert wird) darauf verzichtet, die Erbschafts- und Schenkungssteuern zu senken, obwohl er attraktiver für vermögende Personen werden will? Schliesslich will er sogar wissen, ob sich der Regierungsrat vorstellen könnte, «die Erbschafts- und Schenkungssteuern vollständig abzuschaffen»?

Regierung: Es werden keine Lebensentwürfe diskriminiert

Im Aargau würden Personen, die mit der zuwendenden Person während mindestens fünf Jahren in Wohngemeinschaft gewohnt haben, privilegiert besteuert, antwortet sie Hilfiker. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer betrage maximal 9,5 Prozent, währenddessen diese bei nicht Verwandten bis zu 32 Prozent betragen könne. Bei den Erbschafts- und Schenkungssteuern würden aber «entgegen der Unterstellung in der Interpellation keine Lebensentwürfe diskriminiert, die nicht dem traditionellen Familienmodell entsprechen».

Fazit: Der Regierungsrat erachtet die geltende Regelung, welche eine erhebliche Privilegierung von Wohngemeinschaften gegenüber anderen Nichtverwandten, aber keine Gleichstellung mit den Ehepaaren vorsieht, als angemessen, und weiter: «Das Inkrafttreten der ‹Ehe für alle› ist kein Grund, die Besteuerung von Konkubinatspaaren im Gegensatz zu Ehepartnern als unangemessen zu erachten.»

Senkung müsste durch höhere Steuern woanders kompensiert werden

Eine Senkung der Erbschafts- und Schenkungssteuern müsste bei gleichbleibenden Staatsausgaben durch die Erhöhung anderer Steuern kompensiert werden, schreibt die Regierung weiter. Die Erbschafts- und Schenkungssteuern seien eine faire und effiziente Steuer. Diese bereits im Altertum erhobene Steuer sei grundsätzlich eine gerechtere Steuer als die Einkommenssteuer. In einem Satz heisst dies: Der Regierungsrat hält an dieser Steuer fest.