«Es fühlt sich an wie ein Wunder»
Ski- und Radfahren, tanzen, wandern – Alexandra A. (50) ist ein Bewegungsmensch. Doch vor drei Jahren hatte sie immer öfters ein Kribbeln in den linken Zehen. Sie dachte sich nichts Schlimmes. Doch später kamen starke stechende Schmerzen beim Gehen dazu. So stark, dass sie alle 20 Meter stehenbleiben musste.
Sie wendete sich an die Orthopädie am KSA. Dort wurde sie vor Jahren schon einmal erfolgreich an der Schulter behandelt. Die Experten des KSA diagnostizierten bei ihr eine Spinalkanalstenose (Verengung des Wirbelkanals, in dem die Nerven laufen) und eine leichte Skoliose (Verkrümmung der Wirbelsäule).
Leistungsangebot Wirbelsäulenchirurgie KSA Aarau
Das interdisziplinäre Team der Wirbelsäulenchirurgie KTO bietet nebst 24/07 Notfalldienst, umfassender Abklärung, die konservative/operative Behandlung der gesamten Wirbelsäule sowie Ileosakralgelenks an. Dazu zählen neurogene Kompressions-Syndrome, z.B. Bandscheibenvorfälle, Spinalstenose, weiter Degenerationen von Bandscheibe und Wirbelgelenke, Instabilitäten, Deformitäten/Skoliose, Missbildungen, Anomalien, Gleitwirbel, zudem Tumor-/Metastasenchirurgie, Infektionen der Wirbelsäule, Verletzungen inkl. hinterem Beckenring einschliesslich Osteoporosefrakturen. Zweitmeinungen und komplexe Revisionschirurgie inkl. Korrekturen von Deformitäten vervollständigen das Angebot. Als Weiterbildungsstelle für Interventionelle Schmerztherapie bieten wir Infiltrationen der gesamten Wirbelsäule an.
Konservative Behandlung half zunächst
Zunächst wurde Alexandra A. konservativ behandelt. «Mit Physiotherapie und Schmerzmitteln haben wir versucht, die Dysfunktion zu verbessern und die Schmerzen zu lindern», erklärt ihr behandelnder Arzt, Dr. med. Johann Kunst, Oberarzt mbF und Wirbelsäulenspezialist der Klinik für Orthopädie und Traumatologie. Bei Rückenschmerzen helfe das sehr oft zuverlässig. Zunächst auch bei Frau A. Doch der Schmerz kam in immer kürzeren Abständen zurück. «Wir haben bei ihr dann auch Injektionen am Rücken (sog. Infiltrationen) gemacht.» Dabei wurden Schmerzmedikamente und kortinsonhaltige Medikamente unter Zuhilfenahme von bildgebenden Verfahren mittels Spritzen an die krankhaft veränderten Stellen punktgenau appliziert. «So sollen die Entzündungen, Schwellungen und Schmerzen reduziert werden, sodass die Physiotherapie effizienter durchgeführt und die Funktionalität schneller erreicht werden kann», erklärt Dr. Kunst. Bei Frau A. haben die Spritzen zunächst gut geholfen und sie wurde wieder aktiver. «Aber leider nicht dauerhaft. Denn die Spritzen beheben nicht die mechanische Problematik des engen Spinalkanals», so Dr. Kunst.
Alexandra A., die so gerne Sport trieb, aber kaum noch konnte, war zunehmend verzweifelt. Eine Rückenoperation wollte sie «unbedingt vermeiden». Doch nach einem Jahr konservativer Behandlung blieb ihr keine andere Wahl. Sie konnte sich immer weniger bewegen.
Der goldene Mittelweg als Lösung
Kunst besprach mit ihr und ihrem Ehemann das mögliche Vorgehen. «Wir mussten den Nervenkanal freilegen und die Skoliose behandeln», erklärt Kunst. «Häufig wird die Wirbelsäule bei Operationen versteift, um Folgeerscheinungen und übermässige Abnutzung zu verhindern. Dabei werden teils Bandscheiben durch Platzhalter aus Titan oder speziellem Kunststoff (Peek) ersetzt. Eine Versteifung ist jedoch kaum mehr rückgängig zu machen»
Bei Frau A. hat man sich für einen Mittelweg entschieden, eine sogenannte dynamische oder semiregide Versteifung: «Wir haben den Spinalkanal dekomprimiert. Die Wirbelsäule haben wir aber mit sechs Schrauben und einem Stab stabilisiert, damit die Skoliose nicht weiter fortschreitet. Zusätzlich habe ich Eigenknochen an der Seite angelagert. Das führt dazu, dass dort eine knöcherne Verstärkung mit dem Ziel der zusätzlichen Stabilisierung entsteht.» Im Vergleich zur kompletten Versteifung bleibt die Beweglichkeit ein wenig besser. Vor allem aber dauert dieser Eingriff weniger lang, ist weniger invasiv und damit risikoärmer. «Es kann weniger schief gehen und der Genesungsvorgang ist schneller. Und die Verschraubung ist teils reversibel, etwa für den seltenen Fall, dass sich das Gewebe um die Implantate entzündet und diese wieder entfernt werden müssen.»
Gelenke lenken Leben
Wir alle wünschen uns einen Körper ohne Bewegungseinschränkungen. Am liebsten bis ins hohe Alter. In der Schweiz leiden rund zwei Millionen Menschen an Beschwerden des Bewegungsapparates oder an den Folgen eines Unfalls. Am Kantonsspital Aarau und am Spital Zofingen werden Betroffene rund um die Uhr von einem interdisziplinären Team behandelt. Ob Gelenkersatz, Betreuung von Sportlerinnen und Sportlern oder die Versorgung von Schwerverletzten: Wir setzen alles daran, dass unsere Patientinnen und Patienten wieder aufstehen, gehen und sich bewegen können.
Auf der Themenseite ortho.ksa.ch erklären wir, warum nicht jedes Gelenk bei Beschwerden ersetzt werden muss, und geben Tipps, was man tun kann, um langfristig in Bewegung zu bleiben. Am Donnerstag erscheint zum Thema das neue KSA Magazin als Beilage in dieser Zeitung.
Zur Themenseite: ortho.ksa.ch
«Wir sind zurückhaltend mit Operationen»
Eine Operation berge immer gewisse Risiken, räumt Kunst ein. Man müsse deshalb gut abwägen, bei wem man eine Operation durchführe und bei wem nicht. Dabei seien Alter und Ansprüche der Patienten zu berücksichtigen. Generell aber gelte: «Wenn die Funktionalität im Alltag stark eingeschränkt wird, etwa bei Muskel- oder Blasenschwäche oder anderen Ausfallerscheinungen, sollte man operieren.»
Weil man in der Nähe der Nervenstrukturen am zentralen Achsenskelett arbeite, hätten viele Patienten Angst vor einer Querschnittslähmung. Ein Wirbelsäuleneingriff sei nicht besonders risikoreich, versichert Kunst. «In der Regel sind es Standardeingriffe. Für die Patienten sei so eine Operation eine «grosse Sache». Aber wir machen das jeden Tag. Für uns ist es Routine und Komplikationen sind selten.» Trotzdem: «Weil immer ein gewisses Restrisiko besteht, sollte man mit Operationen immer zurückhaltend sein.» Es gelte, die individuell für die Patientin oder den Patienten schonendste und beste Lösung zu finden, mit dem Ziel einer möglichst hohen Lebensqualität. «Das Wichtigste ist, dass sich der Schmerzzustand bessert und die Funktionalität und schliesslich die Lebensqualität wieder verbessert wird. Einen Grossteil unserer Patienten operieren wir gar nicht, weil wir es schaffen, sie durch konservatives Management – mit Physio- und Schmerztherapie – erfolgreich zu behandeln.»
Die OP übertrifft alle Erwartungen
Weil die konservative Therapie bei Frau A. nicht dauerhaft geholfen hat, wurde sie am 24. Mai 2023 operiert. Dr. Kunst dekomprimierte den Spinalkanal. Dazu hat er mit Knochenstanzen und Fräsen komprimierende Knochenfragmente abgetragen und den Spinalkanal so erweitert. Einen Bandscheibenvorfall hat er auch gleich noch entfernt. Die verdrehte Wirbelsäule habe er nicht komplett versteift. «Die Bandscheiben sind noch an Ort und Stelle», erklärt er. «Wir haben aber sechs Schrauben eingebaut, die mit einem Kunststoffstab miteinander verbunden sind und so das Ganze stabilisieren. So sollte die Skoliose nicht wiederkommen oder sich verschlechtern.»
Der Eingriff dauerte knapp drei Stunden. Frau A. blieb vier Tage stationär im KSA, um sich von der OP zu erholen. «Die modernen Implantate halten von Anfang an so, dass eine sofortige Mobilisierung möglich wäre», erklärt Kunst. «Wir forcieren nicht die Mobilisation von Beginn zu stark. In der ersten Zeit soll sich die Muskulatur, die abgelöst wurde, erstmal «erholen» und wieder anwachsen.» Die Wundheilung müsse abgeschlossen sein, bevor man mit der Reha anfange. Das dauere rund acht bis zwölf Wochen.
Alle ihre Erwartungen wurden übertroffen
Danach ging Frau A. für drei Monate zur Physiotherapie, um Funktionalität, Beweglichkeit und Kraft wieder aufzubauen. Frau A. machte rasch Fortschritte und die Heilung verlief gut. Was nach der Reha wieder möglich wurde, übertraf alle ihre Erwartungen: Nach drei Monaten sei sie zum ersten Mal wieder ihre geliebte, rund vier Kilometer lange Aare-Runde gelaufen. Schmerzfrei! «Ich habe geweint vor Freude.» Und es kam noch besser: zwölf Monate nach der Operation absolvierte sie den Rigimarsch, ein 50 Kilometer langer Fussmarsch in über zwölf Stunden! Für Alexandra A. fühlt es sich an wie ein Wunder.