Bundesrätin Sommaruga ruft nach «Rückbesinnung auf Europa»
Nach dem Scheitern des EWR-Vertrages vor 30 Jahren habe sich die Schweiz in alle Himmelsrichtungen statt nach Europa orientiert, sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga in ihrer Rede zur Eröffnung des Europa Forums in Luzern. Die Magistratin zog eine gemischte Bilanz dieser aussenpolitischen Ausrichtung.
Die Schweiz habe zwar Freihandelsabkommen mit China, Indonesien und Kolumbien abgeschlossen. Mit den USA und Indien seien ähnliche Verträge aber gescheitert. Die Schweiz profitiere vom Welthandel und von offenen Grenzen. Doch nun zeige sich, dass die Globalisierung an ihre Grenzen stosse.
«Wandel durch Handel» stellt sich als Illusion heraus
Erstens habe sich die Idee des «Wandels durch Handel» als Illusion herausgestellt. In Staaten, mit denen die Schweiz das Handelsvolumen stark erweitert habe, seien «Demokratie und Menschenrechte keinen Zentimeter vorangekommen.»
Zweitens habe die Globalisierung Abhängigkeiten geschaffen; sie mache die Schweiz «verwundbar für macht- und geopolitisch motivierte Manöver.» Sommaruga bezeichnete den Stopp der russischen Gaslieferungen als Lehrstück dafür, wie abhängig sich der Westen von autokratischen Staaten gemacht habe.
Sommaruga kritisiert «naive Schwärmereien» der Aussenpolitik
«Die Globalisierung ist wie jede Ideologie von der Realität eingeholt worden», sagte die Bundesrätin. Die Zeit für naive Schwärmereien, für Abenteuer in fernen Ländern sei vorbei. «Jetzt braucht es den kühlen Verstand, und der fordert das Naheliegende: Es ist Zeit für eine Rückbesinnung auf Europa.»
Der Bundesrat habe unlängst entschieden, dass die Schweiz die Sicherheitspolitik konsequenter als bisher auf die internationale Zusammenarbeit ausrichten solle – also auf die EU und die Nato.
Zur Rückbesinnung auf Europa gehöre aber vor allem, dass der Bundesrat ein neues Paket mit der EU anstrebe. «Wir brauchen ein drittes bilaterales Paket, das einzelne Sektoren abdeckt, das aber auch die institutionellen Fragen angeht, und zwar Abkommen für Abkommen.»
Die Schweiz sei nicht «blockfrei»
Wenn sich auf der Welt zwei Machtblöcke bildeten mit autoritär regierten Staaten auf der einen Seite und demokratischen Ländern auf der anderen, könne die Schweiz nicht so tun, als sei sie «blockfrei.»
«Es braucht mehr Zusammenarbeit mit jenen Ländern, die unsere ureigenen Werte teilen: Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung. Und diese Staaten finden wir zuerst in Europa», schloss Sommaruga ihre Rede. Sie war von einer europapolitischen Klausur des Bundesrats nach Luzern gereist. Die Regierung beschloss, die Sondierungsgespräche mit der EU für neue Abkommen fortzusetzen. Sommaruga sagte in Luzern, dass es «erfreuliche Fortschritte» in den Gesprächen mit Brüssel gebe.