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Hypo-Zinswende nimmt Fahrt auf: Welche Marke schon erreicht wurde, welche neu in Sichtweite ist

Die Europäische Zentralbank kündigt an, ihre Leitzinsen erstmals seit 11 Jahren zu erhöhen. Nun könnte die Schweiz ein bislang notwendiges Übel loswerden. 

Je höher die Inflation, desto mehr müssen die Zentralbanken ihre Leitzinsen erhöhen. Das wissen die Finanzmärkte ganz genau und haben daher sogleich höhere Zentralbanken-Zinsen vorweggenommen, als letzte Woche sehr hohe Inflationszahlen für die Eurozone bekannt wurden. Um mehr als 8 Prozent liegen die Preise im Mai höher als im Vorjahresmonat, ein Rekordwert in der Geschichte der Währungsunion. Sogleich sind die Zinsen auf langjährige Schuldpapiere in die Höhe gegangen, auch in der Schweiz. Die Zinswende hat wieder Fahrt aufgenommen.

So übertrafen die Zinsen auf Schuldpapiere, bei denen der Schweizer Bund sich Geld leiht, wieder die Marke von 1 Prozent. Gestern war es so weit, der Zins auf Bundesobligationen der Eidgenossenschaft stand bei 1,04 Prozent. Zuletzt wurde ein Zins über der 1-Prozent-Marke vor über 8 Jahren verbucht, im März 2014.

Von den höheren Zinsen auf Bundesanleihen wurden die Hypothekarzinsen mitgezogen, die Banken und Versicherungen verlangen. Sie erreichen laut einer Umfrage im Schnitt aktuell wieder die Marke von 2,5 Prozent für Hypotheken, die über 10 Jahre laufen. Und bereits ist die nächste Marke in Sicht. Die ersten Banken verlangen wieder Sätze nahe von 3 Prozent für 10-jährige Hypotheken. Bei der Credit Suisse sind es 2,82 Prozent, bei Raiffeisen schon 2,91 Prozent.

Es kam, wie es die Finanzmärkte erwartet hatten. Am Donnerstag hat die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen zwar nicht erhöht, das war an dieser Sitzung nicht vorgesehen gewesen. Aber sie kündigte Erhöhungen an. In der Pressemitteilung heisst es: «Der Rat der Europäischen Zentralbank beabsichtigt, die Leitzinsen der EZB auf seiner geldpolitischen Sitzung im Juli um 25 Basispunkte zu erhöhen.»

Und die EZB schob gleich hinterher, dass es bei der einen Erhöhung nicht bleiben wird. In der Mitteilung heisst es weiter: «Der EZB-Rat geht davon aus, dass er die EZB-Leitzinsen im September erneut anheben wird.» Damit sind zwei Leitzins-Erhöhungen angekündigt, eine im Juli, eine im September. Auch das war der EZB noch nicht genug. Sie hat noch eine Ankündigung hinterher geschoben: «Auf Grundlage seiner aktuellen Beurteilung geht der EZB-Rat davon aus, dass es nach September angemessen sein wird, die Leitzinsen schrittweise, aber nachhaltig weiter anzuheben.» Das wäre dann die dritte Erhöhungsrunde.

Die Europäische Zentralbank hatte lange mit den Leitzins-Erhöhungen gezögert. Ihre Präsidentin Christine Lagarde geriet gerade in Deutschland gehörig unter Beschuss. Die Boulevardzeitung «Bild» zog eine regelrechte Kampagne gegen sie auf. «Madame Inflation» sei sie, trage teure Kleider der Luxusmarke Chanel, kümmere sich jedoch nicht um Sparer und Rentner, die infolge der Inflation verarmen würden. Die Europäische Zentralbank wartete dennoch ab. Lange Zeit wurde geglaubt, die hohe Inflation sei bloss die vorübergehende Folge der überraschend schnellen Wirtschaftserholung nach der Coronapandemie. Diese Einschätzung liess sich mit jeder rekordhohen Inflationszahl weniger aufrechterhalten. Nun hat Lagarde umgeschwenkt.

Madame Inflation: Die deutsche «Bild»-Zeitung schoss gegen die französische EZB-Präsidentin Christine Lagarde.
Screenshot

Nun ist die Schweizerische Nationalbank am Zug

Wenn die EZB ihre Leitzinsen erhöht, kann es auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) tun. Ihr Präsident Thomas Jordan hat schon lange zu verstehen gegeben, dass er den SNB-Negativzins als notwendiges Übel sieht. Solange die EZB nicht ihre Leitzinsen erhöhe, würden höhere SNB-Leitzinsen zu einer übermässigen Aufwertung des Schweizer Franken führen. Eine solche Aufwertung wiederum würde die Schweiz zu viel kosten: Exporte, Wirtschaftswachstum, schlussendlich Jobs.

Doch nun ist der Weg für Jordan frei. Der Chefökonom der Versicherung Swiss Life, Marc Brütsch, sagt darum: «Selbst die Schweizerische Nationalbank wird noch dieses Jahr an der Zinsschraube drehen.» Ob dann die Hypothekarzinsen noch viel höher steigen oder ob die Finanzmärkte schon genug vorweggenommen haben, das wird man sehen müssen.