Scheinfirmen und Öldeals: Warum Sanktionen gegen Iran ihre gewünschte Wirkung verfehlen
Mehr als 3600 Sanktionen, so haben Experten errechnet, hat die westliche Welt bisher gegen Iran verhängt. Der Sanktionsmarathon begann 1979, als die USA nach der 444 Tage andauernden Besetzung der US-Botschaft in Teheran das gesamte iranische Vermögen in den Vereinigten Staaten einfrieren liess und ein bis heute andauerndes Handelsverbot für Güter und Dienstleistungen verfügte.
45 Jahre später gibt es praktisch keinen Bereich der iranischen Wirtschaft, das Militär eingeschlossen, der nicht mit allumfassenden Sanktionen belegt ist. Zeitgleich führte auch die EU weitreichende Zwangsmassnahmen ein, deren Ziele bis heute nicht erreicht wurden.
Die Sanktionen führten nicht zum Sturz des Regimes in Teheran, wie es die USA gerne gesehen hätten. Der Iran ist vielmehr zu der – nach Israel – führenden militärischen Regionalmacht im Nahen und Mittleren Osten aufgestiegen. Das Land produziert nicht nur mit westlichen Bauteilen ausgestattete Raketen und Drohnen, sondern exportiert sie inzwischen in mehr als 20 Staaten.
Die Türkei und die VAE brechen Sanktionen
Hauptabnehmer ist Russland, das iranische Drohnen tagtäglich gegen die Ukraine einsetzt. Leider sei die Wirksamkeit der Sanktionen äusserst begrenzt gewesen, bedauert Michel Duclos, ehemaliger französischer Botschafter und geopolitischer Berater der Denkfabrik Institut Montaigne. Die Islamische Republik habe immer Wege gefunden, die Sanktionen zu umgehen.
Führende Sanktionsbrecher sind nach Erkenntnissen des israelischen Iran-Experten Meir Litvak die folgenden: China, die Türkei, Indien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Russland. Das Putin-Regime hatte dem Iran schon vor dem Angriff auf die Ukraine geholfen, die Sanktionen zu umgehen. Nach dem Überfall ist es nun Teheran, das den Moskauer Machthabern erklärt, wie man den Westen austrickst.
Sowohl Russland als auch der Iran nutzen eine ganze Reihe von Scheinfirmen und Finanzinstituten in Dubai. Das Business boomt: Zwischen den Emiraten und Moskau sowie St. Petersburg fliegen jede Woche bis zu 40 Grossraumflugzeuge der Emirates Airlines, die bis November letzten Jahres relativ ungehindert auf Sanktionslisten aufgeführte Güter, vorwiegend Elektronik, transportierten. Seither haben die USA den Druck auf Dubai allerdings verschärft und einige lokale Finanzdienstleister mit Sanktionen belegt. Auch die Dubai anfliegenden iranischen Luftfahrtgesellschaften sollen inzwischen schärfer kontrolliert werden.
Ölexporte spülen Milliarden in die Kassen
Hinzu kommen Hunderte von Holz-Dhaus, traditionelle arabisch-persische Transportschiffe. In der Regel kaum kontrolliert pendeln diese zwischen den Emiraten und der nur 100 Kilometer entfernten iranischen Küste. Ohnehin machen die Iraner auf hoher See ihre besten Geschäfte. Bis zu 265 iranische Öltanker sind auf den Weltmeeren unterwegs, um nach Erkenntnissen von Armen Azizian, Sanktionsexperte beim britischen Softwareentwickler Vortexa, mit ausgeschalteten Peilsendern ihre Ladungen auf andere Schiffe zu pumpen.
Abnehmer, so berichtet das «Oil & Gas Journal», sind vor allem die mehr als 40 mittleren und kleinen Raffinerien in China, die in den ersten drei Monaten des Jahres jeden Tag bis zu 1,3 Millionen Barrel Rohöl aus dem Iran gekauft haben sollen – mit einem Preisnachlass von 13 Dollar pro Fass.
35 Milliarden Dollar hat der Iran nach Angaben seines Ölministers Javad Owij im letzten Jahr mit Ölexporten erzielt. Mit Druck auf China könnten die USA den Devisenfluss verringern, scheinen dabei aber zu zögern. «Besonders in einem Wahljahr legt US-Präsident Joe Biden grossen Wert auf niedrige Ölpreise, zu denen auch die iranischen Exporte beitragen», analysiert Robert McNally, Präsident der Rapidan Energy Group. Eine markante Reduzierung der iranischen Ausfuhren könnte ein Ansteigen des Ölpreises – und damit höhere Benzinpreise in den USA – bewirken.
Für das iranische Regime hätten geringere Ölexporte zunächst kaum Auswirkungen. Leidtragend wäre die iranische Bevölkerung, von der schon jetzt rund 40 Prozent an oder unter der Armutsgrenze lebt. Sie spürt es sofort, wenn das Teheraner Regime zur Deckung von Defiziten die Notenpresse anwirft und so die Inflation anheizt. Im April waren Güter im Iran laut dem Internationalen Währungsfonds um 37,5 Prozent teurer als noch ein Jahr zuvor.