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US-General widerspricht Bundesrätin Viola Amherd bei Kampfjet-Deal

Der Ukraine-Krieg befeuert die Diskussion um Kampfjets. Auch Verteidigungsministerin Viola Amherd schlägt neue Töne an. Aber nicht alles bleibt widerspruchsfrei.

Ein guter Austausch unter zwei kooperierenden Ländern sei es gewesen. Das strichen sowohl Charles Q. Brown, General der US-Luftwaffe, als auch sein Schweizer Pendant, Divisionär Peter Merz heraus. Der Viersterne-General weilte übers Wochenende in der Schweiz, um sich über die Beziehungen zwischen den beiden unterschiedlichen Armeen zu unterhalten. Ins Detail gingen weder Brown noch Merz, doch das war auch kaum das Ziel des abschliessenden Point de Presse in Payerne. Die Übungsanlage war klar: Hier sollte Werbung gemacht werden für den F-35, den Tarnkappenbomber von US-Rüstungskonzern Lockheed Martin. Das Schweizer Stimmvolk hat grundsätzlich Ja gesagt zu neuen Kampfjets, aber eine neue Volksinitiative steht bei 87’000 Unterschriften – und damit kurz vor dem Ziel, einen neuen Urnengang zu erzwingen. Eine Annahme würde den Kauf torpedieren.

Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise wird die Diskussion zunehmend ruppig. Merz sprach gestern vor den Medien vor einem «Horrorszenario für die Schweiz». Dieses drohe, sollte die Schweiz nicht bald neue Fighter anschaffen. Bis 2030 würde die aktuelle F/A-18-Flotte pensioniert. Im schlimmsten Fall stünde die Schweiz dann ohne wesentlichen Teil der Luftwaffe da. «Jede Verzögerung», sagte Merz, könne die Schweizer Lufthoheit gefährden.

Der Widerspruch des Viersterne-Generals

Anderer Schauplatz, gleiche Zeit: Im Ständerat stiess Bundesrätin Viola Amherd ins gleiche Horn wie ihr Luftwaffenchef: Wenn die Initiative gegen die Kampfjets nicht binnen der nächsten zwei Wochen eingereicht würde, hätte der Bundesrat «null Chancen», die Volksabstimmung vor 2024 durchzuführen, sagte sie dem Ständerat. Die Schweiz verfügt über einen Vorvertrag mit den USA, der die Lieferung von 36 Jets garantiert. Die Offerte hat allerdings ein Ablaufdatum: März 2023. Eine Verlängerung sei Gegenstand von Diskussionen. Sollte das nicht gelingen, könnte die Schweiz ihren Platz auf der Warteliste für die neuen Jets verlieren. Schliesslich rüsten derzeit mehrere europäische Länder auf.

Aus VBS-Sicht wohl ärgerlich: In Payerne verneinte General Brown genau diese Frage: «So wie ich informiert bin, hat die Schweiz einen Platz in der Warteliste und dieser ist garantiert. Ich sehe nicht, dass sich das ändert.» Wollte Amherd die Ukraine-Krise nutzen, um die Kampfjet-Initiative vorzeitig zu bodigen? Das VBS verneint: Niemand wisse, was nach März 2023 geschehe. Dabei berufe man sich ebenfalls auf US-Informationen. Dass die Schweiz ihren Platz verliert, sei ein realistisches Szenario.

Nicht zuletzt aufgrund drohender Konkurrenz: Die deutsche Bundeswehr kauft 36 Tarnkappenflugzeuge des Typs «F-35». Dass die Kampfjet-Beschaffung durch den Bundestag kommt, gilt als sicher.

Gleicher Jet, andere Gründe

Deutschland rüstet seine Flugzeugflotte mit dem Jet des US-Herstellers Lockheed Martin in erster Linie zur Erfüllung der nuklearen Teilhabe Deutschlands als Nato-Mitglied aus. Die «F-35» ist für den Transport von Atomwaffen bereits zertifiziert. In einer nuklearen Auseinandersetzung zwischen der Nato und dem derzeitigen Aggressor Russland müssten deutsche Kampfjets US-Atomwaffen ins Zielgebiet fliegen. Derzeit sind die etwa 50 einsatzbereiten deutschen Tornado-Jets für den Einsatz von Atomwaffen zertifiziert. Bereits vor dem russischen Überfall gegen die Ukraine legte die im Dezember vereidigte «Ampel»-Regierung des SPD-Kanzlers Olaf Scholz in ihrer Regierungsvereinbarung fest, die «Tornado»-Flotte zeitnah zu ersetzen. Die veränderte weltpolitische Lage und die Drohgebärden aus dem Kreml bringen nun Tempo in die Kampfjet-Beschaffung. Noch vor einiger Zeit plante das deutsche Verteidigungsministerium, die Tornados durch F/A-18-Jets zu ersetzen – doch der US-Jet hätte für den Einsatz von Atomwaffen erst noch zertifiziert werden müssen.

Der Kauf von Jets des Typs «F-35» durch Deutschland ist Teil der von Kanzler Olaf Scholz Ende Februar angekündigten, historischen «Zeitenwende». Unter dem Eindruck der russischen Aggression gegen einen souveränen, demokratischen Staat kündigte der Genosse an, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben drastisch steigern werde. So will Deutschland per sofort das Nato-Ziel – zwei Prozent des BIP in die Verteidigung zu investieren – erfüllen. Zudem stellt die Bundesregierung einen Sonderetat von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zur Verfügung. Die Gelder sind vom Parlament noch nicht genehmigt, doch dürfte sich die Regierungsmehrheit im Bundestag durchsetzen. Zu den deutschen Rüstungs- und Modernisierungsplänen gehören nicht nur neue Kampfjets, sondern auch Panzer oder Flugabwehrsysteme.

Eine neue Rolle für Deutschland

Seit Jahren fordern nicht zuletzt die USA, aber auch andere Nato-Mitglieder in Europa, Deutschland solle aussenpolitisch mehr Verantwortung übernehmen. In den Jahren zuvor wurde die Verlässlichkeit Deutschlands angezweifelt, was die Erfüllung von Verteidigungsarbeiten innerhalb der Nato angeht. Scholz scheint den Willen zu haben, Deutschland innerhalb der Nato eine führende Rolle zu verpassen. Eine glaubwürdige Abschreckung der Nato sei angesichts der russischen Aggression notwendig, sagt der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz: «Gerade deshalb ist unsere Entscheidung für die F-35 ohne Alternative.» Dass der Jet – der dank seiner speziellen Aussenbeschichtung für Radarstellungen nur schwer zu erkennen ist – auch von anderen Staaten gekauft wird, wertet die Bundeswehr als zusätzlichen Vorteil. Ein «Synergie-Effekt» sei möglich, heisst es. Neben Deutschland planen auch Italien, Finnland und Belgien mit dem Jet.

Auch Brown und Merz betonten die Vorteile von länderübergreifend Flotten des gleichen Flugzeugtyps. Zusammenarbeiten seien etwa bei der Ausbildung von Pilotinnen und Piloten möglich, aber auch der Datenaustausch würde einfacher. «Die Neutralität der Schweiz ist davon nicht tangiert», bekräftigte Merz.