«Bewusste Provokation war das ganz bestimmt nicht» – Operation Libero steht hinter Ameti
Warum? Warum schiesst man als öffentliche Person – noch dazu als Politikerin – auf ein Abbild eines Gemäldes von der Madonna mit dem Jesuskind? Und warum postet man das dann auch noch auf Social Media und schreibt zum – mit mindestens 20 Schüssen durchlöcherten – Mutter-Kind-Bild «abschalten»? Diese Frage stellt sich aktuell die ganze Schweiz.
Sanija Ametis offizielle Antwort: «Ich habe nichts dabei überlegt.» Sie habe als Vorlage für ihre Schiessübung Motive gebraucht, die gut sichtbar waren. Zur Hand habe sie gerade nur den Katalog des Auktionshauses Koller in Zürich gehabt, welches das religiöse Gemälde demnächst versteigern will. «Auf den Inhalt der Bilder habe ich nicht geachtet. Das war nicht richtig.» Es tue ihr von Herzen leid, dass sie Menschen mit ihrem Post verletzt habe, schrieb Ameti auf Instagram.
Für viele ist diese Antwort äusserst unbefriedigend und unglaubwürdig. Denn es ist das eine, bei einer Schiessübung privat auf ein christliches Gemälde, noch dazu auf eine Mutter und ihr Kind zu zielen. Es ist nochmals etwas anderes, dies öffentlich zur Schau zu stellen. Eigenhändig. Und das als 32-jährige Juristin und Politikerin.
Hat Ameti bewusst provozieren wollen?
Ameti hat als Co-Präsidentin der Operation Libero in der Vergangenheit gerne provoziert. 2022 sagte sie in einer Diskussionsrunde bei SRF über die beiden SVP-Politiker Albert Rösti und Hans-Ueli Vogt: «Ich kann mir politisch betrachtet keinen von ihnen schöntrinken.»
Im Mai 2024 repostete sie einen X-Beitrag von FDP-Nationalrat Andrea Caroni, in dem es um das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle der Klimaseniorinnen ging und kommentierte: «Ihr seid nicht nur Wendehälse. Ihr habt keine Eier.»
Beim Jesus-Schiessen vermuten viele deshalb kein Versehen, sondern eine gezielte Provokation Ametis. Eine Provokation, die nach hinten losging. Stefan Manser-Egli, der zusammen mit Ameti nach wie vor die Operation Libero präsidiert, nimmt dazu gegenüber watson wie folgt Stellung: «Wenn man Ameti persönlich kennt, weiss man, dass es sich so zugetragen hat, wie sie es geschildert hat. Eine bewusste Provokation war das ganz bestimmt nicht.»
Welches Ziel solle diese Provokation denn gehabt haben, was hätte Ameti damit erreichen sollen, fragt Manser-Egli rhetorisch und fügt dann an:
«Wir vertrauen Sanija Ameti.»
Kein Ausschluss aus Operation Libero
Sanija Ameti auszuschliessen, kommt für die Operation Libero auch jetzt nicht in Frage. In einer Medienmitteilung schrieb die Operation Libero: «Dass ihre Handlung falsch und unangebracht war, steht für sie wie auch für die Operation Libero ausser Frage. Wir schätzen Sanija Ameti als Politikerin, als Co-Präsidentin und als Freundin.»
Die GLP hingegen hat ein Ausschlussverfahren gegen Ameti eingeleitet. Ameti präsidiert die GLP Zürich und wurde vom Stadtzürcher Stimmvolk für die GLP in den Grossrat gewählt. Ihren Job als Consultant bei der PR-Agentur Farner ist Ameti inzwischen ebenfalls los.
Ameti schweigt und leidet
Auf Anfragen von watson hat Sanija Ameti bisher nicht reagiert. Manser-Egli ist jedoch mit ihr in Kontakt. Er sagt: «Sanija Ameti geht es sehr schlecht.»
Online häuften sich Hasskommentare gegen sie. Ameti erhalte Morddrohungen. Sie und ihre Familie müssten deshalb inzwischen unter Polizeischutz stehen, wie Manser-Egli bestätigt. Er und die Operation Libero seien besorgt.
Auch die Operation Libero und er selbst hätten Hassmails und böse Kommentare auf Social Media erhalten. Aber: «Wir bekommen auch viel Zuspruch, dass wir uns hinter Sanija Ameti stellen.»
Man sei in engem Kontakt mit ihrer Basis, die zunächst ebenfalls sehr irritiert auf Ametis Aktion reagiert habe.
Ob Ametis Eklat beeinflussen wird, wie die Operation Libero künftig politisieren wird – etwa weniger provokativ, weniger laut – kann er noch nicht sagen. Mit dieser Frage setze man sich intern bei der Operation Libero aber sicher auseinander.
Operation Libero versucht es mit Optimismus
Nach Ametis Aktion gäbe es «keine Gewinner», sagt Manser-Egli. Trotzdem versucht er, der aktuellen Situation etwas Positives abzugewinnen. «Ich hoffe, dass wir als Bewegung und als Gesellschaft daraus etwas mitnehmen können.»
Was Manser-Egli damit meint? Einerseits: Sorgfalt. «Aus Ametis Fehler können wir lernen, dass wir alle besser darauf achten müssen, was wir tun.»
Andererseits: Verhältnismässigkeit. «Dass die Leute verletzt und empört sind, ist sehr verständlich. Die Aktion war dumm und unangebracht. Aber das ist keine Entschuldigung für Hass, Hetze und Morddrohungen», sagt Manser-Egli. Die Anfeindungen gegen Ameti seien in vielen Fällen rassistischer und sexistischer Natur.
Des Weiteren wünscht sich Manser-Egli, dass unsere Gesellschaft durch diesen Vorfall wieder besser darin werde, Fehler zu verzeihen. «Als Sanija Ameti ihren groben Fehler bemerkt hat, hat sie sofort reagiert. Sie ist auf uns zugekommen, sie hat den Fehler eingestanden, sie hat sich entschuldigt und es tut ihr aufrichtig leid, dass sie Menschen verletzt hat.»