Job- und Babyboom dank 36 Wochen Elternzeit: Das verspricht die Familieninitiative
14 Wochen für die Mutter, 2 Wochen für den Vater: So viel Urlaub steht in der Schweiz Eltern von Gesetzes wegen nach der Geburt eines Kindes zu. Viel zu rückständig, finden Vertreterinnen und Vertreter von Mitte, Grünen, GLP, EVP, der Gewerkschaft Travailsuisse und des Frauendachverbandes Alliance F. Sie haben sich zu einer Allianz für mehr Familienzeit zusammengeschlossen und am Donnerstag vor den Medien in Bern eine Volksinitiative lanciert. Ab nächstem Frühling werden Unterschriften gesammelt.
Die Forderung: Mutter und Vater erhalten je 18 Wochen Elternurlaub. Maximal vier Wochen dürfen sie gemeinsam beziehen. Verzichtet zum Beispiel Vater auf seinen Anteil, verfällt der Anspruch; er kann seine Wochen nicht der Partnerin schenken. Die Initiative würde pro Jahr rund eine Milliarde Franken mehr kosten als das aktuelle Modell. Eltern mit tiefen Salären sollen den vollen Lohnausgleich und nicht bloss 80 Prozent erhalten. Finanziert werden Mutter- und Vaterschaftsurlaub durch die Erwerbsersatzordnung.
80’000 Kinder sind im letzten Jahr in der Schweiz auf die Welt gekommen. Die Geburtenrate pro Frau ist auf rekordtiefe 1,3 gesunken. Die Initianten versprechen sich einen Babyboom, der helfen soll, die Sozialwerke finanziell zu sichern und den Arbeitskräftemangel zu lindern. «Die Schweiz braucht wieder mehr Kinder. Die Schweiz braucht mehr Fachkräfte. Und die Schweiz braucht starke KMUs», sagte Nationalrat Dominik Blunschy (Mitte, SZ). Auch Philippe Kühni, Energieunternehmer aus dem Kanton Aargau, möchte gleich lange Spiesse für KMU: «Die grossen, globalen Unternehmen bieten Arbeitnehmenden längst eine Familienzeit oder sind daran, diese einzuführen.»
Weitere Argumente der Allianz mit Verweis auf Studien lauten: Die Väter bauen eine bessere Beziehung zum Kind auf, entlasten die Mütter – und beide Elternteile kehren leistungsfähig und glücklich an den Arbeitsplatz zurück.
Katrhin Bertschy, Co-Präsidentin von Alliance F und Berner GLP-Nationalrätin, sieht in der ausgedehnten Elternzeit sodann eine Investition. Sie rechnet jedes Jahr mit 2200 bis 2500 mehr Vollzeitbeschäftigten – weil Mütter früher und in höheren Pensen ihren Job wieder aufnehmen. Die Investition lohne sich: Sie werde innert 20 Jahren durch zusätzliche Steuern und Sozialversicherungsabgaben refinanziert.
Die Basis für diese Aussagen liefert eine Studie von Ecoplan.Das Forschungsbüro hat im Auftrag der Initianten mögliche Effeke einer Familienzeit aufgrund von Erfahrungen im Ausland analysiert.
SVP kritisiert «grenzenlose Anspruchsmentalität»
Alle Staaten in der EU kennen unterdessen eine Elternzeit.Doch tiefere Geburtenraten sind indes ein gesamteuropäisches Phänomen-Elternzeit hin, subventionierte Kitas her.Im EWR-Land Norwegen zum Beispiel ist die Geburtenrate in den letzten Jahren permanent bis auf 1.4 im Jahr 2022 gesunken.
Auf wenig Gegenliebes stösst die Initiative bei Wirtschaftsverbänden. Der Schweizerische Gewerbeverband warnt vor «erheblichen» Zusatzkosten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber und befürchtet, dass längere Absenzen den Arbeitskräftemangel für KMU noch verschärfen würden, wie Corinne Aeberhard, Leiterin Kommunikation, auf Anfrage sagt.
Auch der Arbeitgeberverband ist skeptisch, dass eine Elternzeit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nachhaltig verbessert: «Aus unserer Sicht zielführender sind langfristige Massnahmen wie flexible Arbeitsformen und ein Ausbau der Drittbetreuungsangebote für Kinder», sagt Stefan Heini, Leiter Kommunikation.
Die SVP lehnt den Ausbau des «staatlich-diktierten Elternurlaubes» mit Verweis auf «zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe» ab. «Zudem ist die Entwicklung weg von der Eigenverantwortung hin zur fast grenzenlosen Anspruchsmentalität äusserst bedenklich», sagt Sprecherin Andrea Sommer. Beim Elternurlaub gehe es um den Lebensstil, um Umerziehung und Gleichstellungspolitik und kurzum darum, eine Ideologie und die Ansprüche gegenüber den Unternehmen und der Allgemeinheit durchzusetzen.