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Mama, sterben im Krieg Menschen? Der Konflikt in der Ukraine beschäftigt auch viele Kinder

Der Konflikt in der Ukraine eskaliert und macht auch vielen Kindern zu schaffen. Wie können Eltern die Fragen gut und altersgerecht beantworten? Ein Versuch und Tipps von einer Kinderpsychologin

In der Ukraine fallen Bomben und auf den Pausenplätzen in der Schweiz spielen die Kinder nicht mehr «Corona-Fangis» sondern «Russen-Angriff». Der Krieg, er ist nicht nur in den Nachrichten, sondern auch in den Köpfen und Seelen der Kinder angekommen. Vor dem Einschlafen sitzen nicht wenige Eltern mit dem Atlas am Kinderbett, um zu beweisen, dass die Ukraine doch recht weit weg ist.

Mit den eigenen Kindern über Krieg und Gewalt zu reden, das will man nicht müssen. «Eltern wollen ihre Kinder intuitiv vor allem Bösem abschirmen, sie sollen nichts davon mitbekommen», sagt Helene Schwarz, Kinderpsychologin und Familienberaterin. Doch das sei falsch. Die Angst der Kinder werde nur noch grösser, wenn man sie im Unklaren lasse, ihre Fragen nicht beantwortet.

«Das Schlimmste ist, wenn sich die Kinder alleingelassen fühlen mit ihren Fragen und Emotionen, das löst Verunsicherung aus.»

Wie aber mit Kindern über Krieg reden? Wir haben versucht einige Kinderfragen altersgerecht zu beantworten. Nicht abschliessend, nicht vollständig, aber alles ist besser als wenn Krieg ist und niemand spricht mit einem darüber. «Eltern dürften auch zugeben, dass es für manche schlimmen Dinge keine gute Erklärung gibt», sagt Schwarz.

Das Wichtigste so die Expertin: «Versuchen Sie die Fragen ruhig und in einer auch für Sie guten Situation zu beantworten. Nehmen Sie Ihr Kind dazu in die Arme, wenn es das zulässt. Insbesondere wenn die Kinder sich nicht ganz sicher fühlen, orientieren sie sich gerne an den Reaktionen ihrer Bezugspersonen.»

Was ist Krieg?

Im Grunde ist Krieg wie Streit unter Erwachsenen: Zwei Erwachsene, die an der Spitze von einem Staat stehen, sind sich uneinig, aus irgendeinem Grund gibt es Streit, grossen Streit, meist geht es um Geld und Land. Aber die nehmen keine Schaufel, sondern Panzer und Flugzeuge, mit denen sie kämpfen. Sie lassen sogar andere für sich kämpfen.

Wie sehr man ins Detail geht, sollen die Kinder bestimmen, rät die Kinderpsychologin. Fragt das Kind weiter, dann hat es ein Bedürfnis nach mehr Informationen, spielt es weiter, dann ist für den Moment gut.

Warum tut Putin das?

Das verstehen auch die meisten Erwachsenen nicht. Wladimir Putin selber behauptet, er wolle das Land befreien, aber das ist nicht möglich, denn die Ukraine ist ein freies Land, die allermeisten Menschen dort wollen nicht zu Russland gehören. Putin will zeigen, dass er ein starker Mann ist und hat das Gefühl, ein Krieg würde das zeigen. Dabei ist es wie auf dem Spielplatz: Wer dreinhaut um die Schaufel zu bekommen, ist zu dumm für eine andere Lösung. Oft werden Kriege auch begonnen um von Problemen im eigenen Land abzulenken. Zum Beispiel davon, dass die Leute sehr arm sind.

Warum werden Häuser zerstört?

Im Krieg geht es dem Angreifer darum so viel Leid zu verursachen, bis der andere aufgibt. Deshalb wird oft nicht nur das gegnerische Militär angegriffen, sondern auch normale Bewohner. Putin hat aber vermutlich zu wenig bedacht, dass all diese schrecklichen Bilder sofort um die Welt gehen. Und die Menschen finden das so schlimm, dass es nun von überall Hilfsaktionen gibt, sie schicken Nahrung und Geld in die Ukraine.

Werden in diesem Krieg auch Menschen getötet?

«Weichen Sie auch bei dieser Frage nicht aus, auch wenn es traurig ist», rät Kinderpsychologin Schwarz. «Ehrlich zu sein, ist gerade bei schweren Themen unglaublich wichtig, aber versuchen Sie eine gute Wendung einzubauen.»

Wenn Krieg ist, schiessen Soldaten und es sterben auch Menschen. Darum fliehen jetzt ganz viele Familien aus der Ukraine und bekommen in anderen Ländern Schutz und ein neues zu Hause. Ganz viele Menschen helfen darum jetzt, wollen dass der Krieg aufhört und dass alle Essen, Wasser und Medizin bekommen.

Warum macht die Schweiz nichts gegen den Krieg?

Wenn jetzt alle Länder mit allen Waffen gegen Russland schiessen, dann wird der Krieg noch grösser und schlimmer, es müssen noch viel mehr Menschen sterben. Es gibt auch friedlichere Wege gegen Krieg anzugehen.

Dann schauen jetzt einfach alle zu?

Nein, fast alle Länder auf dieser Welt haben Putin gesagt, dass es so nicht geht, dass es falsch ist, was er tut. Er ist jetzt sehr alleine. Auch kauft jetzt niemand mehr Dinge aus Russland, russisches Geld auf Schweizer Banken wird gesperrt. Diese Massnahmen oder eben Sanktionen treffen nicht nur die Regierung sondern auch die Bevölkerung. Das ist ungerecht, denn die meisten Menschen in Russland wollen diesen Krieg auch nicht. Andererseits könnte es dadurch mehr Proteste in Russland geben, was Putin in Schwierigkeiten bringt. Das zumindest hoffen die westlichen Regierungen.

Manche Kindern hilft es konkret etwas zu tun, um sich weniger ohnmächtig zu fühlen. Zum Beispiel eine Ukrainische Flagge zu zeichnen und auf aufzuhängen, einen Brief an die russische Botschaft zu schreiben. Oder ein Paket zusammenzustellen für eine lokale Hilfsorganisation und es selbst vorbeibringen.

Kommt der Krieg auch zu uns?

«Kleinere Kinder haben noch keine klare Vorstellung von Raum und Zeit», erklärt Helene Schwarz. «Wenn dauernd von Krieg in Europa die Rede ist, dann kann sich das sehr nahe für sie anfühlen und sie bekommen Angst, dass sie fliehen müssen, ihnen wehgetan wird.» Anschauung hilft, im Fall der Ukraine beispielsweise: Mit dem Auto müssten wir einen ganzen Tag und eine ganze Nacht nonstop fahren bis nach Kiew.

Bei älteren Kindern kann man konkreter sein: Wir alle hoffen, dass das nicht passiert. Wenn Putin Krieg auch nur mit noch einem anderen Land beginnt, das noch nähre bei uns liegt, würden ganz Europa und auch Amerika es verteidigen. Denn sie haben ein militärisches Bündnis, das sich Nato nennt. Leider ist die Ukraine nicht in diesem Bündnis. Die Nato kann die Ukraine nicht beschützen, weil dies sofort ein Weltkrieg bedeuten würde: Russland gegen ganz viele andere Länder. Einen so grossen Krieg möchte niemand.

Wann endet der Krieg?

Das weiss niemand. Viele glauben, dass er bald vorbei sein wird, weil Krieg führen sehr teuer und sehr traurig ist. Deshalb versucht man ihn mit Friedensverhandlungen zu beenden. Dabei versucht man irgendetwas auszuhandeln. Es könnte zum Beispiel sein, dass die Ukraine die russischsprachigen Gebiete opfert um endlich wieder in Frieden leben zu können.

Warum müssen die Väter in den Krieg?

Kinderbücher über den Krieg

Sechs Männer von David McKee, Nord Süd Verlag, Erstauflage 1971

Sechs Männer ziehen aus, um ein friedliches, einfaches Leben zu führen. Doch als sie mit ihrem Hof reicher werden, beginnen sie sich um ihren Reichtum zu sorgen – so heuern sie sechs Soldaten an, die den Hof bewachen sollen. Und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Eine besonders scharfsinnige Parabel zum Thema Krieg, die auch Kinder verstehen. ab 5 Jahren

Wie ist es, wenn es Krieg gibt? von Louise Spilsbury, Esslinger 2019
Sachbilderbuch zum Thema Globale Konflikte.
Kinder, die in Europa aufwachsen, kennen Krieg meist nur aus Geschichten und von Bildern. Das, was sie darüber erfahren, macht ihnen oft Angst. Dann fragen sie sich: Bin ich selbst auch in Gefahr? Was ist Terrorismus? Und warum gibt es überhaupt Soldaten? Ab 6 Jahren

Die Flucht von Francesca Sanna, Nord Süd Verlag, 2017
Aus der Perspektive eines Kindes erzählt «Die Flucht» vom beschwerlichen Weg einer Familie aus einem kriegsversehrten Land nach Europa. Eine Geschichte von Verlust und Enttäuschung, von Sehnsucht und Hoffnung, wie sie aktueller nicht sein könnte. Ab 5 Jahren

«Krieg, Stell dir vor, er wäre hier »von Janne Teller, Hanser
Stell dir vor, es ist Krieg – nicht irgendwo weit weg, sondern hier in Europa. Die demokratische Politik ist gescheitert und faschistische Diktaturen haben die Macht übernommen. Wer kann, flieht in den Nahen Osten, wie der 14-jährige Protagonist aus Deutschland. In einem ägyptischen Flüchtlingslager versucht er mit seiner Familie ein neues Leben zu beginnen. Ab 13 Jahren

Kinderbücher über den Krieg

Die Ukraine braucht so viele Leute wie möglich um sich zu verteidigen. In den meisten Ländern sagt man, dass die Männer das Land verteidigen und die Frauen fürs Nötigste zum Leben schauen und auf die Kinder. In Israel gehen aber auch alle Frauen in die Armee. Auch in der Schweizer Armee gibt es Frauen. Männer finden Krieg genau so schrecklich und haben grosse Angst davor.

Warum gibt es dann Soldaten?

Kein normaler Mensch will jemand anderen töten. Aber die Menschen wollen ihre Familien verteidigen und das Land in dem sie leben. Denn wenn Putin die Ukraine einnehmen würde, dann müssten diese Menschen danach unter einem Diktator leben, also einem, der nur macht, was er selber will, ohne auf die Meinung anderer Rücksicht zu nehmen. Weil immer mal wieder in einem Land ein Diktator an die Macht kommt, haben die meisten Länder eine Armee.