Fast 300 Schulkinder in Nigeria entführt
Im westafrikanischen Nigeria sind Berichten eines Lehrers und Medien zufolge fast 300 Schulkinder entführt worden. Eine bewaffnete Gruppe hat demnach am Donnerstagmorgen eine Grund- und Mittelschule in der Ortschaft Kuriga im nordwestlichen Bundesstaat Kaduna überfallen. Ein Lehrer, Sani Abdullahi, sagte dem lokalen Fernsehsender Kaduna State Media Television, 187 Schüler der Sekundärstufe und 125 Schüler der Grundschule hätten am Donnerstag zunächst als vermisst gegolten. Davon seien inzwischen 25 Kinder zurückgekehrt.
Ob die Kinder den Kidnappern entfliehen konnten oder sich versteckt hatten, blieb zunächst unklar. Am Freitagmorgen wurden weiter 287 Mädchen und Jungen vermisst. Medienberichten zufolge ist auch ein Lehrer verschleppt worden.
Seit 2014 haben die islamistische Terrormiliz Boko Haram sowie kriminelle Gruppen zahlreiche Frauen und Kinder im Norden des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas mit rund 220 Millionen Einwohnern entführt. Dabei geht es entweder um die Erpressung von Lösegeld, Zwangsrekrutierung in bewaffnete Gruppen oder sexuelle Gewalt.
Gebäude wurde kurz vor Schulbeginn von bewaffneten Männern umstellt
Nach Angaben des Lehrers wurde das Gebäude kurz vor Schulbeginn um 8 Uhr Ortszeit (8 Uhr MEZ) von schwer bewaffneten Männern umstellt. Die Täter hätten die etwa 700 Schüler und Lehrer gezwungen, sich in ein anliegendes Waldgebiet zu begeben, so Abdullahi. Viele Kinder und Erwachsene hätten jedoch fliehen können. Kurz darauf habe eine lokale Bürgerwehr versucht, die Täter zu verfolgen, sagte der Lehrer. Dabei sei ein Mitglied der Bürgerwehr getötet worden.
Präsident Bola Tinubu verurteilte am Freitag die «abscheulichen» Entführungen und wies Sicherheits- sowie Geheimdienste an, nach den Schülerinnen und Schülern zu fahnden. Er sei zuversichtlich, dass die Opfer gerettet würden und werde dafür sorgen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen würden, sagte Tinubu.
Der Senator von Kaduna, Uba Sani, bestätigte den Vorfall, machte aber keine Angaben zu Opferzahlen. Er habe sich mit «blutendem Herzen» von der Gemeinde über die Entführung berichten lassen, sagte Sani in einem Post auf X, ehemals Twitter. Er werde sicherstellen, dass alles unternommen werde, um die Schüler und Schülerinnen zu befreien.
Immer wieder werden Menschen entführt
Ein Mitglied des Gemeinderats von Kuriga beklagte unter Tränen die unzureichende Sicherheitssituation in der Gegend. Das Gebiet, indem sich die Schule befindet, gilt als Kriminalitätsschwerpunkt. In den vergangenen Monaten sind immer wieder kleinerer Gruppen von Menschen, vor allem Frauen und Kinder, im Bundesstaat Kaduna entführt worden.
Ende Februar war es bereits im nordöstlichen Bundesstaat Borno zu einer Massenentführung von Binnenvertriebenen gekommen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden dabei mehr als 200 Menschen verschleppt. Eine genaue Zahl der Entführten war auch in diesem Fall nicht bekannt.
Nach Angaben der Wirtschafts- und Sicherheitsberatungsfirma SB Morgen sind aufgrund Nigerias kriselnder Wirtschaft, steigender Inflation und hoher Arbeitslosigkeit Lösegeldzahlungen zum Hauptgrund für Entführungen geworden. Allein in den 12 Monaten zwischen Juli 2022 und Juni 2023 seien laut SB Morgen in Nigeria 3620 Menschen bei 582 Entführungsvorfällen entführt worden, die weitaus meisten davon in Kaduna.
Der Repräsentant des UN-Kinderhilfswerks Unicef, Cristian Munduate, bezeichnete den Anstieg der Kidnappings als alarmierend. «Diese jüngste Entführung ist wie jede zuvor, höchst verwerflich und Teil einer besorgniserregenden Tendenz von Angriffen auf Bildungseinrichtungen in Nigeria, insbesondere im Nordwesten, wo bewaffnete Gruppen ihre Gewalt- und Entführungskampagne intensiviert haben», so Munduate.
Vor fast genau zehn Jahren, im April 2014, sorgte die Entführung von 276 Schülerinnen aus ihrem Internat in der Stadt Chibok für weltweites Entsetzen. Sie waren von Kämpfern der Boko Haram verschleppt worden, die Mädchen und junge Frauen oft zur Zwangsheirat nötigen oder als Sex- und Haussklaven missbrauchen. Viele der Mädchen sind noch immer vermisst. (dpa)