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Valie Export führt Männer an der Leine durch die Stadt – «Ich war zornig, als man sagte, ich sei eine Domina!»

In Österreich gilt sie als Nationalheilige, für Feministinnen ist sie eine Urmutter.  Jetzt zeigt das Fotomuseum Winterthur, wieso die Politkünstlerin Valie Export bereits alles gemacht hat, was heute als Skandal gilt.

Da steht sie also und glänzt, die Urmutter der feministischen Performance- und Videokunst in Europa. Valie Export, eine Marke und Erfindung ihrer selbst. Noch nie war die Linzer Medienkünstlerin in der Schweiz museal so präsent wie jetzt im Fotomuseum Winterthur. Nach sechs Jahren Vorbereitung und als Koproduktion mit der Wiener Albertina und dem Kunsthaus Bregenz ist die Ausstellung ein Ereignis. An der Eröffnung dann ist sie das Epizentrum: Die Valie, rotes Haar, silberne Turnschuhe, Post-Punk-Blusenkaftan – und 83 Jahre alt.

Jedes Wort, das sie ins Mikrofon spricht, hat die Kraft und die Klarheit, von der sich die Enkelinnen-Generation ein Butterbrot abschneiden und schmieren kann. Und wie sehr sie ihre Aktionen stets medial begleitete und orchestrierte, dürfte vielleicht sogar Christoph Schlingensief selig gewundert haben. «In den Sechzigerjahren hat man von Künstlerinnen erwartet, dass sie Kätzchen zeichnen oder Blumen», sagt sie. Das freilich hat sie nicht geleistet, dafür anderes: Sie hat Ausstellungen mit weiblichen Künstlerinnen organisiert, weil niemand es machte. Und weil niemand sie zeigen wollte, zeigte sie diese schliesslich selbst, unter anderem die spätere Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.

Tätowiertes Strumpfband: Symbol der Sexualisierung

Valie Export hat ihre Identität und ihren Körper eingesetzt, um die Rolle der Frau, der Künstlerin und des Subjekts kritisch zu untersuchen. Sie stellte fest und dar, wie sehr sich gesellschaftliche Normen auf wörtlich schmerzhafte Weise in den Körper einschreiben. Während ihrer «Body Sign Action» tätowierte sie auf ihren linken Oberschenkel ein Strumpfband: Ein Bild für die Frau als Sexualobjekt und Projektionsfläche männlicher Fantasien. Mit einem ähnlich radikalen Schnitt legte sie 1967 den Namen ihres Vaters und ihres Ex-Ehemannes ab und beanspruchte eine eigene Identität. «Valie Export» hiess sie von nun an, ein Produkt made in Austria und eine Paraphrase des Namens der damals populären österreichischen Zigarettenmarke Smart Export.

Valie Export  bereitet im Kunsthaus Bregenz eine weiter Ausstellung vor. „Oh Lord, Don’t Let Them Drop That Atomic Bomb on Me“, ab 4. März.
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Alles, was eine Marina Abramovic und ihre Epigoninnen später an Grenzgängen und Kunstskandalen leisteten – die Export tat es schon in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Ihr Körper war das Objekt einer Untersuchung, die den Blick der Gesellschaft auf sie zum Zentrum machte – und spiegelte. Zum Beispiel die feministische Performance «Genitalpanik». Valie nähte sich eine «Aktionshose», die das Geschlecht freigab – und spazierte damit durch die Zuschauerreihen eines Kinos. «‹Was Sie sonst auf der Leinwand sehen›, sagte ich dem Publikum, ‹sehen Sie nun real.› Es war so was von Schweigen, aber die Fantasie hat gearbeitet!» Export stellte den weiblichen Körper dem männlichen Blick zur Verfügung und verwies, herrlich schamlos, auf dessen Rolle als Voyeur.

Aktionstheater und politischer Kommentar

In ihrer «Performance der Hundigkeit» führte sie den Künstler Peter Weibel an der Leine Gassi – durch die Wiener Innenstadt. «Es war wahnsinnig lustig», erinnert sie sich. Doch am Ende, das Unverständnis der Zuschauer war gewaltig, fühlte sie sich falsch erkannt. «Man sah mich als Domina, die arme Männer als Hunde spazieren führt. Das hat mich zornig gemacht!» Ihr Interesse war konzeptueller, analytischer Natur und fokussierte auf die Wahrnehmung von Körpern, die ihre Haltung verändern. Zudem war die Aktion durchaus auch als Kommentar zum politischen Österreich zu verstehen, das in den Siebzigerjahren noch keine Anstalten machte, sich kritisch seiner braunen Vergangenheit zu stellen. Export machte Konzeptkunst. Doch der Begriff dafür musste aus Amerika erst einmal nach Europa gespült werden.

Am aufsehenerregendsten und am radikalsten freilich war ihre Performance «Tapp- und Tastkino». Sie stellte sich auf die Strasse und bot via Megafon ihre Brüste feil zu öffentlicher Betatschung. Die kleine Box, die sie sich davor geschnallt hatte und die das Objekt der Begierde im Dunkeln beliess, verstand sie als Kino. Die Brust war die Leinwand. Die Teilnehmenden, die zugreifen wollten, mussten mit ihr eine verabredete Zeit lang Augenkontakt halten – so drehte die Künstlerin den Blick des Voyeurs um und schaute dem zu, der da blind tappte und tastete. Dem Mann.